Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.ihren Hofraum, das Peristyl, im Innern nur so zu sagen die Straße §. 584. Der maaßvoll objective, im Realen befriedigte und doch von ethischem Der griechische Geist ist ethisch ohne Bruch mit der Natur (vergl. ihren Hofraum, das Periſtyl, im Innern nur ſo zu ſagen die Straße §. 584. Der maaßvoll objective, im Realen befriedigte und doch von ethiſchem Der griechiſche Geiſt iſt ethiſch ohne Bruch mit der Natur (vergl. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p> <pb facs="#f0128" n="288"/> <hi rendition="#et">ihren Hofraum, das Periſtyl, im Innern nur ſo zu ſagen die Straße<lb/> oder die Agora in ſich hereinnimmt. Im eigentlichen Innenbau muß das<lb/> Innere reich und weit entwickelt und zugleich bedeckt ſein.</hi> </p> </div><lb/> <div n="8"> <head>§. 584.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Der maaßvoll objective, im Realen befriedigte und doch von ethiſchem<lb/> Schwung bewegte Geiſt ſpricht ſich in dem Verhältniß der Länge-Richtung zur<lb/> Höhe-Richtung ſo aus, daß das Ganze, vorherrſchend von jener beſtimmt und<lb/> an der Erde hingelagert, zugleich ſchwungvoll emporſtrebt, dieſes Streben auf’s<lb/> Neue in der Länge-Richtung beruhigt, dann noch einmal kürzer wiederholt,<lb/> hierauf abermals durch die wagrechte Linie theilt und endlich durch die geneigte<lb/> abſchließt. Das klar beſchloſſene <hi rendition="#g">Gleichgewicht von Kraft und Laſt</hi>,<lb/> das dieſer Gliederung zu Grunde liegt und ſich als reine Entwicklung und<lb/> Löſung des Contraſts darſtellt, findet ſeinen vollen äſthetiſchen Ausdruck in der<lb/> nun vollendeten Kunſtgeſtalt der <hi rendition="#g">Säule</hi> und des <hi rendition="#g">Gebälks</hi> mit dem Dache.<lb/> In dieſem Organismus, ſowie in der ſchönen Nothwendigkeit der <hi rendition="#g">Glieder</hi><lb/> und alles <hi rendition="#g">Ornaments</hi>, beurkundet ſich die Phantaſie des meſſenden Sehens<lb/> als eine vom plaſtiſchen Geiſte beherrſchte (§. 439); dieſe Verwandtſchaft iſt<lb/> aber keine verworrene Miſchung, vielmehr ſind der unterſcheidenden Thätigkeit<lb/> des letzteren die Stellen angewieſen, wo das Ganze ſeinen innern Reich-<lb/> thum naturgemäß am vollſten anſammelt: Giebelfeld, Metopen, Cella-Fries.<lb/> Endlich überkleidet der maleriſche Sinn alle Flächen und Formen mit einer<lb/> reichen Farben-Harmonie.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Der griechiſche Geiſt iſt ethiſch ohne Bruch mit der Natur (vergl.<lb/> §. 349. 425. 438). So bleibt denn auch ſein Bau feſt an der<lb/> mütterlichen Erde, fährt nicht ruhelos auf wie der eigenſinnige, heftige<lb/> Kraftbau der Aſſyxer. Er iſt demgemäß länger, als hoch, aber es fehlt<lb/> ihm nicht die feurige Energie des Emporſtrebens, nur daß ſie wieder von<lb/> dem Geiſte der Lagerung, der horizontalen Linie der Nothwendigkeit be-<lb/> ruhigt wird, bis ſie in der mittleren zwiſchen der ſenkrechten und wag-<lb/> rechten Linie, der zuſammengeneigten ſchrägen ausathmet. Es iſt dieß<lb/> zunächſt ein klarer Dreiſchlag, der aber zu einem Fünfſchlage wird, wenn<lb/> man die Theile mitzählt, in welche die auf das Emporſtreben folgende,<lb/> im Gebälke dargeſtellte Längerichtung ſich unterſcheidet: der erſte Taktſchlag<lb/> iſt das Aufſtreben: die Säule; der Unterbau, von dem ſie aufſtrebt, ſtellt<lb/> die Längerichtung, die das Ganze charakteriſirt, noch nicht in der Selb-<lb/> ſtändigkeit dar, um beſonders gerechnet zu werden; der zweite der Archi-<lb/> trav, der nun die Längerichtung wiederholend zugleich in der durchgreifen-<lb/> den Form eines ausdrücklichen, künſtleriſch hervorgehobenen Moments<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0128]
ihren Hofraum, das Periſtyl, im Innern nur ſo zu ſagen die Straße
oder die Agora in ſich hereinnimmt. Im eigentlichen Innenbau muß das
Innere reich und weit entwickelt und zugleich bedeckt ſein.
§. 584.
Der maaßvoll objective, im Realen befriedigte und doch von ethiſchem
Schwung bewegte Geiſt ſpricht ſich in dem Verhältniß der Länge-Richtung zur
Höhe-Richtung ſo aus, daß das Ganze, vorherrſchend von jener beſtimmt und
an der Erde hingelagert, zugleich ſchwungvoll emporſtrebt, dieſes Streben auf’s
Neue in der Länge-Richtung beruhigt, dann noch einmal kürzer wiederholt,
hierauf abermals durch die wagrechte Linie theilt und endlich durch die geneigte
abſchließt. Das klar beſchloſſene Gleichgewicht von Kraft und Laſt,
das dieſer Gliederung zu Grunde liegt und ſich als reine Entwicklung und
Löſung des Contraſts darſtellt, findet ſeinen vollen äſthetiſchen Ausdruck in der
nun vollendeten Kunſtgeſtalt der Säule und des Gebälks mit dem Dache.
In dieſem Organismus, ſowie in der ſchönen Nothwendigkeit der Glieder
und alles Ornaments, beurkundet ſich die Phantaſie des meſſenden Sehens
als eine vom plaſtiſchen Geiſte beherrſchte (§. 439); dieſe Verwandtſchaft iſt
aber keine verworrene Miſchung, vielmehr ſind der unterſcheidenden Thätigkeit
des letzteren die Stellen angewieſen, wo das Ganze ſeinen innern Reich-
thum naturgemäß am vollſten anſammelt: Giebelfeld, Metopen, Cella-Fries.
Endlich überkleidet der maleriſche Sinn alle Flächen und Formen mit einer
reichen Farben-Harmonie.
Der griechiſche Geiſt iſt ethiſch ohne Bruch mit der Natur (vergl.
§. 349. 425. 438). So bleibt denn auch ſein Bau feſt an der
mütterlichen Erde, fährt nicht ruhelos auf wie der eigenſinnige, heftige
Kraftbau der Aſſyxer. Er iſt demgemäß länger, als hoch, aber es fehlt
ihm nicht die feurige Energie des Emporſtrebens, nur daß ſie wieder von
dem Geiſte der Lagerung, der horizontalen Linie der Nothwendigkeit be-
ruhigt wird, bis ſie in der mittleren zwiſchen der ſenkrechten und wag-
rechten Linie, der zuſammengeneigten ſchrägen ausathmet. Es iſt dieß
zunächſt ein klarer Dreiſchlag, der aber zu einem Fünfſchlage wird, wenn
man die Theile mitzählt, in welche die auf das Emporſtreben folgende,
im Gebälke dargeſtellte Längerichtung ſich unterſcheidet: der erſte Taktſchlag
iſt das Aufſtreben: die Säule; der Unterbau, von dem ſie aufſtrebt, ſtellt
die Längerichtung, die das Ganze charakteriſirt, noch nicht in der Selb-
ſtändigkeit dar, um beſonders gerechnet zu werden; der zweite der Archi-
trav, der nun die Längerichtung wiederholend zugleich in der durchgreifen-
den Form eines ausdrücklichen, künſtleriſch hervorgehobenen Moments
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