Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.
schen Instruments vor der Ausführung in einem Zuhörerkreise vorstellen, §. 507. Aus jener Unfreiheit und dieser unwahren Freiheit tritt die Kunst heraus1 Vischer's Aesthetik. 3. Band. 5
ſchen Inſtruments vor der Ausführung in einem Zuhörerkreiſe vorſtellen, §. 507. Aus jener Unfreiheit und dieſer unwahren Freiheit tritt die Kunſt heraus1 Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 5
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ſchen Inſtruments vor der Ausführung in einem Zuhörerkreiſe vorſtellen,
und nachdem ſie ſchon gefunden war, begegnen wir den bekannten ſtehen-
den Wendungen, Bildern, metriſchen Sätzen, namentlich Vers-Endungen,
welche nun dieſem naiven Improviſator freilich ein Aushilfebedürfniß
waren, wie jenem Kunſt-Improviſator, aber der ganze Prozeß iſt himmel-
weit von dem des letzteren verſchieden und gehört unter den Begriff der
naiven Kunſt, der ſeines Orts aufgeführt werden wird. Dem falſchen
Bilde der Urſprünglichkeit in der künſtlichen Improviſation nähert ſich
nun aber die Dichtweiſe der revolutionären Genialität in dem Grade,
in welchem ſie ſich von ihrem Prinzip zur Renommage der Plötzlichkeit im
Produziren verleiten läßt. Der Ort für dieſes Glänzen iſt eigentlich das
gemiſchte Gebiet des Geſelligen und Aeſthetiſchen, wo der Wettſtreit im
Hinwerfen gereimter bonmots und dergl. berechtigtermaſſen vom Hebel der
Bewunderung wartender Zuhörer beſchleunigt wird; doch hat Mancher,
deſſen Talent zu höherer Leiſtung berufen war, hier ſeine Kräfte vergeu-
det, z. B. Schubart, der gleichzeitig ein Gedicht machte, einen Brief dictirte
und dergl. Kunſtſtücke mehr. — Es erhellt nun, daß dieſe ganze Form,
ſelbſt die freiere unter 1. dargeſtellte, nur der Poeſie angehören kann;
fordert aber ſelbſt dieſe geiſtig raſche Kunſt ein hinreichendes Meditiren
in ungeſtörter Einſamkeit, ſo wird man im Gebiete der bildenden Künſte
um ſo weniger von einem eigentlichen Improviſiren reden können, weil
hier der Weg vom innern Entwurfe zur Ausführung viel länger iſt: der
ſeltene Fall genialen Hinwerfens einer Skizze in einem Augenblick, wo
der Künſtler nicht einſam mit ſich zu Rathe gehen kann, ſondern, der
Beſteller oder ſonſt eine Umgebung dem raſchen Entſtehen zuſieht, mag
als analog jener Form der Unmittelbarkeit in der Poeſie angeführt wer-
den. Die Muſik liegt ungleich näher und bietet verwandte Erſcheinungen
dar. Beſonders belehrend iſt aber das Schauſpiel in ſeinen früheren
Verſuchen, ſich als Stegreifſpiel von der Dichtkunſt loszumachen und ganz
der Eingebung des Augenblicks zu folgen; hier ſieht man insbeſondere,
in welche tiefe Abhängigkeit vom grob naturaliſtiſchen Volksſinn eine ſolche
Kunſtweiſe ſinkt. Darüber vergl. Geſchichte der deutſchen Schauſpielkunſt
von Ed. Devrient B. 1 und 2.
§. 507.
Aus jener Unfreiheit und dieſer unwahren Freiheit tritt die Kunſt heraus
durch ihre Verbindung mit der wahren Bildung. Dieſe, zunächſt in den höheren
Kreiſen durch Vermittlung der Wiſſenſchaft erworben, drückt jedoch der von
ihr freigelaſſenen und begünſtigten Kunſt vorerſt einen eſoteriſchen Charakter
auf, ſo daß ſie mitten im Elemente edler Humanität gelehrt und unvolksthümlich
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