Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.
wird es ja klar: das Eintheilungsprinzip der Kunst bildet die Verschie- §. 536. Diese Organisation ist zunächst eine individuell zufällige, aber da sie auf Ein vermittelnder Begriff muß zwischen die Art der Phantasie und
wird es ja klar: das Eintheilungsprinzip der Kunſt bildet die Verſchie- §. 536. Dieſe Organiſation iſt zunächſt eine individuell zufällige, aber da ſie auf Ein vermittelnder Begriff muß zwiſchen die Art der Phantaſie und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0161" n="149"/> wird es ja klar: das Eintheilungsprinzip der Kunſt bildet die Verſchie-<lb/> denheit der <hi rendition="#g">innern Organiſation der Phantaſie</hi> und unter den<lb/> in §. 402—404 aufgeführten Arten der Phantaſie iſt es die in 404<lb/> dargeſtellte Reihe, worauf der Unterſchied der Künſte beruht. Dieſe<lb/> Arten ſind: die <hi rendition="#g">bildende</hi>, auf das <hi rendition="#g">Auge</hi> organiſirte<lb/> die <hi rendition="#g">empfindende</hi>, auf das <hi rendition="#g">Gehör</hi> organiſirte<lb/> die <hi rendition="#g">dichtende</hi>, auf die <hi rendition="#g">ganze ideal geſetzte Sinnlich-<lb/> keit</hi> geſtellte Phantaſie.</hi> </p> </div><lb/> <div n="6"> <head>§. 536.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Dieſe Organiſation iſt zunächſt eine individuell zufällige, aber da ſie auf<lb/> der Ordnung des Geiſtes in ſeiner Einheit mit der Natur ruht, verbindet die<lb/> gleich organiſirten Individuen ein gemeinſchaftliches Geſetz nothwendiger Thä-<lb/> tigkeit, welche als ſelbſtändige Macht ſich über ſie ſtellt und ſie zu ihrem<lb/> Dienſte fordert. Dieſe Macht iſt die einzelne Kunſt und ſo gründet ſich auf<lb/> die erſte Art der Organiſation die <hi rendition="#g">bildende</hi> Kunſt, auf die zweite die Kunſt<lb/> der tönenden Empfindung oder die <hi rendition="#g">Tonkunſt</hi>, auf die dritte die <hi rendition="#g">Dichtkunſt</hi>.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Ein vermittelnder Begriff muß zwiſchen die Art der Phantaſie und<lb/> die auf ſie begründete Kunſt geſtellt werden. Die Arten der Phantaſie<lb/> ſind zwar innerlich begründet auf die Momente der Phantaſie ſelbſt<lb/> (vergl. §. 404), aber daraus folgt zunächſt nur, daß es immer Indivi-<lb/> duen geben wird, deren Phantaſie in der einen oder andern Weiſe orga-<lb/> niſirt iſt; die unbeſtimmte Vielheit derſelben zerſtreut ſich ohne bindende<lb/> Macht der Einheit. So verhält es ſich jedoch nur dem äußerlichen<lb/> Scheine nach; die zerſtreute Vielheit iſt vielmehr von innen durch eine<lb/> feſte Linie zuſammengehalten, denn die gleiche Organiſation hat zuſam-<lb/> menordnende, gemeinſchaftbildende Kraft, weil die verwandten Geiſter es<lb/> fühlen, daß ein inneres Geſetz die verſchiedenen Formen der Beziehung<lb/> des Geiſtes zur Natur (Organiſation auf das Auge u. ſ. w.) ebenſo<lb/> fordert und hinſtellt, wie das organiſche Leben verſchiedene Thier-Gattun-<lb/> gen bildet. Die wirkliche Thätigkeit der gleich organiſirten Einzelnen<lb/> erhebt aber dieſen geheimnißvollen innern Zug zu einer wirklichen, conſti-<lb/> tuirten, bindenden Macht. Was aus dem Zuſammentrag Vieler entſteht,<lb/> iſt nicht mehr eine bloße Summe, ſondern wird zum Strome, der ſtärker<lb/> iſt, als der Einzelne, zum Syſteme, das ihn in ſeine Kreiſe zieht. Die<lb/> äußere Erſcheinung dieſer Macht iſt die Schule mit ihren Ueberlieferungen<lb/> und Regeln, ihr tieferer Ausdruck die (zu dieſem Zweck ſchon hier zu<lb/> erwähnende, im Verlauf abzuleitende) Gliederung jeder Kunſt in ihre<lb/> Zweige, denen ſich, während ſie doch urſprünglich von Einzelnen erfunden<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [149/0161]
wird es ja klar: das Eintheilungsprinzip der Kunſt bildet die Verſchie-
denheit der innern Organiſation der Phantaſie und unter den
in §. 402—404 aufgeführten Arten der Phantaſie iſt es die in 404
dargeſtellte Reihe, worauf der Unterſchied der Künſte beruht. Dieſe
Arten ſind: die bildende, auf das Auge organiſirte
die empfindende, auf das Gehör organiſirte
die dichtende, auf die ganze ideal geſetzte Sinnlich-
keit geſtellte Phantaſie.
§. 536.
Dieſe Organiſation iſt zunächſt eine individuell zufällige, aber da ſie auf
der Ordnung des Geiſtes in ſeiner Einheit mit der Natur ruht, verbindet die
gleich organiſirten Individuen ein gemeinſchaftliches Geſetz nothwendiger Thä-
tigkeit, welche als ſelbſtändige Macht ſich über ſie ſtellt und ſie zu ihrem
Dienſte fordert. Dieſe Macht iſt die einzelne Kunſt und ſo gründet ſich auf
die erſte Art der Organiſation die bildende Kunſt, auf die zweite die Kunſt
der tönenden Empfindung oder die Tonkunſt, auf die dritte die Dichtkunſt.
Ein vermittelnder Begriff muß zwiſchen die Art der Phantaſie und
die auf ſie begründete Kunſt geſtellt werden. Die Arten der Phantaſie
ſind zwar innerlich begründet auf die Momente der Phantaſie ſelbſt
(vergl. §. 404), aber daraus folgt zunächſt nur, daß es immer Indivi-
duen geben wird, deren Phantaſie in der einen oder andern Weiſe orga-
niſirt iſt; die unbeſtimmte Vielheit derſelben zerſtreut ſich ohne bindende
Macht der Einheit. So verhält es ſich jedoch nur dem äußerlichen
Scheine nach; die zerſtreute Vielheit iſt vielmehr von innen durch eine
feſte Linie zuſammengehalten, denn die gleiche Organiſation hat zuſam-
menordnende, gemeinſchaftbildende Kraft, weil die verwandten Geiſter es
fühlen, daß ein inneres Geſetz die verſchiedenen Formen der Beziehung
des Geiſtes zur Natur (Organiſation auf das Auge u. ſ. w.) ebenſo
fordert und hinſtellt, wie das organiſche Leben verſchiedene Thier-Gattun-
gen bildet. Die wirkliche Thätigkeit der gleich organiſirten Einzelnen
erhebt aber dieſen geheimnißvollen innern Zug zu einer wirklichen, conſti-
tuirten, bindenden Macht. Was aus dem Zuſammentrag Vieler entſteht,
iſt nicht mehr eine bloße Summe, ſondern wird zum Strome, der ſtärker
iſt, als der Einzelne, zum Syſteme, das ihn in ſeine Kreiſe zieht. Die
äußere Erſcheinung dieſer Macht iſt die Schule mit ihren Ueberlieferungen
und Regeln, ihr tieferer Ausdruck die (zu dieſem Zweck ſchon hier zu
erwähnende, im Verlauf abzuleitende) Gliederung jeder Kunſt in ihre
Zweige, denen ſich, während ſie doch urſprünglich von Einzelnen erfunden
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