Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.Augenblick, aber schon in dieser augenblicklichen Täuschung kündigt sich Soll die Definition des Schönen in §. 14, wie sie nun durch die §. 525. Die erste Stufe der vollendeten Technik ist die vollkommene Herrschaft Augenblick, aber ſchon in dieſer augenblicklichen Täuſchung kündigt ſich Soll die Definition des Schönen in §. 14, wie ſie nun durch die §. 525. Die erſte Stufe der vollendeten Technik iſt die vollkommene Herrſchaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <pb facs="#f0128" n="116"/> <hi rendition="#et">Augenblick, aber ſchon in dieſer augenblicklichen Täuſchung kündigt ſich<lb/> Gefühl der Enttäuſchung an, nur noch nicht mit Bewußtſein, ſondern ſo,<lb/> daß es, zum Gefühle der Täuſchung geſchlagen, dieſem die Beimiſchung<lb/> eines geſpenſtigen Grauſens gibt; aber raſch ſtellt ſich die volle Enttäuſchung<lb/> als eine aus Widerwillen und Lachen gemiſchte Empfindung ein. So<lb/> wirkt die Verbindung der Malerei und Plaſtik in völlig polychromiſchen<lb/> Werken der letzteren, namentlich in Wachsfiguren. Es kann aber noch<lb/> auf andere Weiſe gegen jenes Grundgeſetz gefehlt werden und auch<lb/> dieſer Fehler ſeinen Grund entweder in Unreife oder in Ueberreife<lb/> haben: es wird nämlich mitten in der künſtleriſchen Bearbeitung ein Stück<lb/> Natur ſtehen gelaſſen oder zwiſchen ſie mit Abſicht hineingeſtellt: natür-<lb/> licher Stein, Baumſtamm mit Rinde in der Baukunſt, natürlicher Fels<lb/> in der Plaſtik, aufgeſetztes erhabenes Goldblech in der Malerei, Thiere<lb/> auf dem Theater. Zu §. 490 iſt gezeigt worden, wie ſolche Einführung<lb/> der wirklichen Natur in die Kunſt gegen das Geſetz verſtoße, das ver-<lb/> langt, daß das Material todter Stoff ſei; jetzt ſehen wir, wie dadurch<lb/> ein übrigens künſtleriſches Ganzes rein auseinandergeſprengt wird: die<lb/> Folge dieſes Fehlers iſt nämlich eine Enttäuſchung, welche hinüberfällt auf<lb/> den künſtleriſch durcharbeiteten Theil, eine Zerſchlagung des Kunſt-<lb/> Eindrucks, die rohe Natur tritt mit plumpem Fuße in das zarte Gebäude<lb/> der Kunſt und zertritt es. Hätte man das Naturſchöne, dem man hier<lb/> begegnet, auf ſeinem Boden, in der Natur vorgefunden, ſo hätte man<lb/> ihm in bereitwilliger Illuſion, was ihm zur vollen Schönheit abgeht, aus<lb/> der eigenen Phantaſie zugewogen, hier aber, wo es ſich zwiſchen die reine<lb/> Schönheit der Kunſt eindrängt, fühlt man nur ſeine Mängel und wird<lb/> dadurch aus der Kunſtſtimmung herausgeworfen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Soll die Definition des Schönen in §. 14, wie ſie nun durch die<lb/> vollendete Technik, die alles Innere im Aeußern darſtellt und alles Aeußere<lb/> zum Ausdruck des Innern erhebt, verwirklicht iſt, ſo gefaßt werden, daß<lb/> alle Hauptmomente der bisherigen Entwicklung darin niedergelegt ſind,<lb/> ſo lautet ſie nun: <hi rendition="#g">das Schöne iſt die durch den Geiſt erzeugte<lb/> und in ein äußeres Material niedergelegte Umbildung der<lb/> ſinnlich begrenzten Erſcheinung zum reinen Ausdruck der<lb/> Idee</hi>.</hi> </p> </div><lb/> <div n="7"> <head>§. 525.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die erſte Stufe der vollendeten Technik iſt die vollkommene Herrſchaft<lb/> über die Mittel der Darſtellung ohne eigenen ſchöpferiſchen Geiſt oder die<lb/><hi rendition="#g">Virtuoſität</hi>. Da es keine rein äußerliche Kunſt-Technik gibt, ſo fordert<lb/> dieſelbe außer der Uebung allerdings ein Talent, das ſich auch in den Geiſt<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0128]
Augenblick, aber ſchon in dieſer augenblicklichen Täuſchung kündigt ſich
Gefühl der Enttäuſchung an, nur noch nicht mit Bewußtſein, ſondern ſo,
daß es, zum Gefühle der Täuſchung geſchlagen, dieſem die Beimiſchung
eines geſpenſtigen Grauſens gibt; aber raſch ſtellt ſich die volle Enttäuſchung
als eine aus Widerwillen und Lachen gemiſchte Empfindung ein. So
wirkt die Verbindung der Malerei und Plaſtik in völlig polychromiſchen
Werken der letzteren, namentlich in Wachsfiguren. Es kann aber noch
auf andere Weiſe gegen jenes Grundgeſetz gefehlt werden und auch
dieſer Fehler ſeinen Grund entweder in Unreife oder in Ueberreife
haben: es wird nämlich mitten in der künſtleriſchen Bearbeitung ein Stück
Natur ſtehen gelaſſen oder zwiſchen ſie mit Abſicht hineingeſtellt: natür-
licher Stein, Baumſtamm mit Rinde in der Baukunſt, natürlicher Fels
in der Plaſtik, aufgeſetztes erhabenes Goldblech in der Malerei, Thiere
auf dem Theater. Zu §. 490 iſt gezeigt worden, wie ſolche Einführung
der wirklichen Natur in die Kunſt gegen das Geſetz verſtoße, das ver-
langt, daß das Material todter Stoff ſei; jetzt ſehen wir, wie dadurch
ein übrigens künſtleriſches Ganzes rein auseinandergeſprengt wird: die
Folge dieſes Fehlers iſt nämlich eine Enttäuſchung, welche hinüberfällt auf
den künſtleriſch durcharbeiteten Theil, eine Zerſchlagung des Kunſt-
Eindrucks, die rohe Natur tritt mit plumpem Fuße in das zarte Gebäude
der Kunſt und zertritt es. Hätte man das Naturſchöne, dem man hier
begegnet, auf ſeinem Boden, in der Natur vorgefunden, ſo hätte man
ihm in bereitwilliger Illuſion, was ihm zur vollen Schönheit abgeht, aus
der eigenen Phantaſie zugewogen, hier aber, wo es ſich zwiſchen die reine
Schönheit der Kunſt eindrängt, fühlt man nur ſeine Mängel und wird
dadurch aus der Kunſtſtimmung herausgeworfen.
Soll die Definition des Schönen in §. 14, wie ſie nun durch die
vollendete Technik, die alles Innere im Aeußern darſtellt und alles Aeußere
zum Ausdruck des Innern erhebt, verwirklicht iſt, ſo gefaßt werden, daß
alle Hauptmomente der bisherigen Entwicklung darin niedergelegt ſind,
ſo lautet ſie nun: das Schöne iſt die durch den Geiſt erzeugte
und in ein äußeres Material niedergelegte Umbildung der
ſinnlich begrenzten Erſcheinung zum reinen Ausdruck der
Idee.
§. 525.
Die erſte Stufe der vollendeten Technik iſt die vollkommene Herrſchaft
über die Mittel der Darſtellung ohne eigenen ſchöpferiſchen Geiſt oder die
Virtuoſität. Da es keine rein äußerliche Kunſt-Technik gibt, ſo fordert
dieſelbe außer der Uebung allerdings ein Talent, das ſich auch in den Geiſt
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