Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.
stimmten Idee, deren individuelle Bindung er in Wirklichkeit ist, zum §. 427. Die zuerst nur vorgefundene Erscheinung wird nun in die innere Form-1 1. Die symbolische Phantasie hat sich schon in ihrem ersten Schritte
ſtimmten Idee, deren individuelle Bindung er in Wirklichkeit iſt, zum §. 427. Die zuerſt nur vorgefundene Erſcheinung wird nun in die innere Form-1 1. Die ſymboliſche Phantaſie hat ſich ſchon in ihrem erſten Schritte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0133" n="419"/> ſtimmten Idee, deren individuelle Bindung er in Wirklichkeit iſt, zum<lb/> Ideal erheben; alſo muß ſie unter ſeinen Eigenſchaften irgend eine heraus-<lb/> greifen, welche als äußerlicher Vergleichungspunkt ihn mit der hinzuge-<lb/> brachten Idee in Eins knüpft. Es verſteht ſich, daß dieß Zuſammen-<lb/> bringen von Extremen, die ſich nicht decken, unbewußt vor ſich geht:<lb/> die abſtracte Kategorie iſt nur geahnt, das Bild wird als erſte Aushilfe<lb/> geſucht, ſie ſich deutlich zu machen, zu überſetzen; dieſe Phantaſie hat<lb/> die Einheit des Schönen <hi rendition="#g">noch nicht</hi>, ſie iſt unreife Phantaſie. Sie<lb/> weiß nicht um die Incongruenz, ſie fühlt ſie wohl dunkel und wir wer-<lb/> den ſehen, wozu ſie dadurch getrieben wird. Dieß Verfahren nun iſt<lb/> das <hi rendition="#g">ſymboliſche</hi>. Gleichgiltig iſt uns zunächſt, ob es die Ahnung der<lb/> abſoluten Idee oder eines der nackten Momente, die erſt in ihr unter-<lb/> ſchieden werden, iſt, was in eine Erſcheinung gelegt wird: in beiden<lb/> Fällen iſt die Idee zu weit, das Bild zu eng. In einem gewiſſen Sinne<lb/> wird natürlich immer Beides hineingelegt, wie die Idee der allgemeinen<lb/> Kraft ergriffen von der Seite des Segens in den Nil, in die Sonne;<lb/> es ſind aber allerdings Symbole zu unterſcheiden, die nur ein (zwar<lb/> bereits an ſich zu abſtractes) Moment der Urkraft und vermittelſt deſſelben<lb/> dieſe darſtellen, wie der Käfer, die Lotosblume das Moment des Wer-<lb/> dens aus ſich, und Haupt- oder Grund-Symbole, die das Ganze, wo<lb/> möglich durch mehrere Eigenſchaften, ausdrücken, wie der Apis durch<lb/> ſeine Färbung, ſeine Stärke, ſeine Zeugungskraft, ſeine Hörner den<lb/> Nil, die Sonne, den Mond, die Urkraft überhaupt.</hi> </p> </div><lb/> <div n="6"> <head>§. 427.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die zuerſt nur vorgefundene Erſcheinung wird nun in die innere Form-<note place="right">1</note><lb/> thätigkeit der Phantaſie hereingezogen und in dem Sinne umgeſtaltet, daß der<lb/> Vergleichungspunkt an ihr hervorſpringt. Zugleich hat aber ſchon vorher eine<note place="right">2</note><lb/> andere Art von Thätigkeit begonnen; auch die ſymboliſche Phantaſie nämlich<lb/> begeiſtet die Naturerſcheinung, muß ſich daher für dieß in ſie hineingetragene<lb/> Innere nach der menſchlichen Geſtalt umſehen, wird Perſonbildend, ſchafft Götter,<lb/> ſetzt ſie in Handlung und ſchreitet ſo zum <hi rendition="#g">Mythus</hi> fort, denn dieſer iſt Dar-<lb/> ſtellung einer Idee als der Handlung eines abſoluten perſönlichen Weſens. Allein<lb/> dieſer Fortſchritt ſtockt, es kommt nicht zur reinen Ablöſung der Göttergeſtalt<lb/> vom unperſönlichen Bilde, das Symbol verhindert den Anſatz zum Mythus,<lb/> ſich auszubilden.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Die ſymboliſche Phantaſie hat ſich ſchon in ihrem erſten Schritte<lb/> an einzelne, beſonders hervorragende Erſcheinungen gehalten, was ſich<lb/> für uns nach unſerer Lehre von der nothwendigen Sollizitation der<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [419/0133]
ſtimmten Idee, deren individuelle Bindung er in Wirklichkeit iſt, zum
Ideal erheben; alſo muß ſie unter ſeinen Eigenſchaften irgend eine heraus-
greifen, welche als äußerlicher Vergleichungspunkt ihn mit der hinzuge-
brachten Idee in Eins knüpft. Es verſteht ſich, daß dieß Zuſammen-
bringen von Extremen, die ſich nicht decken, unbewußt vor ſich geht:
die abſtracte Kategorie iſt nur geahnt, das Bild wird als erſte Aushilfe
geſucht, ſie ſich deutlich zu machen, zu überſetzen; dieſe Phantaſie hat
die Einheit des Schönen noch nicht, ſie iſt unreife Phantaſie. Sie
weiß nicht um die Incongruenz, ſie fühlt ſie wohl dunkel und wir wer-
den ſehen, wozu ſie dadurch getrieben wird. Dieß Verfahren nun iſt
das ſymboliſche. Gleichgiltig iſt uns zunächſt, ob es die Ahnung der
abſoluten Idee oder eines der nackten Momente, die erſt in ihr unter-
ſchieden werden, iſt, was in eine Erſcheinung gelegt wird: in beiden
Fällen iſt die Idee zu weit, das Bild zu eng. In einem gewiſſen Sinne
wird natürlich immer Beides hineingelegt, wie die Idee der allgemeinen
Kraft ergriffen von der Seite des Segens in den Nil, in die Sonne;
es ſind aber allerdings Symbole zu unterſcheiden, die nur ein (zwar
bereits an ſich zu abſtractes) Moment der Urkraft und vermittelſt deſſelben
dieſe darſtellen, wie der Käfer, die Lotosblume das Moment des Wer-
dens aus ſich, und Haupt- oder Grund-Symbole, die das Ganze, wo
möglich durch mehrere Eigenſchaften, ausdrücken, wie der Apis durch
ſeine Färbung, ſeine Stärke, ſeine Zeugungskraft, ſeine Hörner den
Nil, die Sonne, den Mond, die Urkraft überhaupt.
§. 427.
Die zuerſt nur vorgefundene Erſcheinung wird nun in die innere Form-
thätigkeit der Phantaſie hereingezogen und in dem Sinne umgeſtaltet, daß der
Vergleichungspunkt an ihr hervorſpringt. Zugleich hat aber ſchon vorher eine
andere Art von Thätigkeit begonnen; auch die ſymboliſche Phantaſie nämlich
begeiſtet die Naturerſcheinung, muß ſich daher für dieß in ſie hineingetragene
Innere nach der menſchlichen Geſtalt umſehen, wird Perſonbildend, ſchafft Götter,
ſetzt ſie in Handlung und ſchreitet ſo zum Mythus fort, denn dieſer iſt Dar-
ſtellung einer Idee als der Handlung eines abſoluten perſönlichen Weſens. Allein
dieſer Fortſchritt ſtockt, es kommt nicht zur reinen Ablöſung der Göttergeſtalt
vom unperſönlichen Bilde, das Symbol verhindert den Anſatz zum Mythus,
ſich auszubilden.
1. Die ſymboliſche Phantaſie hat ſich ſchon in ihrem erſten Schritte
an einzelne, beſonders hervorragende Erſcheinungen gehalten, was ſich
für uns nach unſerer Lehre von der nothwendigen Sollizitation der
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