Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.b. Die geschichtliche Schönheit. §. 341. Die Gesammtheit dieser Formen entfaltet sich im Gange der Geschichte Die Formen, welche bisher betrachtet wurden, treten überall auf, b. Die geſchichtliche Schönheit. §. 341. Die Geſammtheit dieſer Formen entfaltet ſich im Gange der Geſchichte Die Formen, welche bisher betrachtet wurden, treten überall auf, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0232" n="220"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">b.</hi><lb/><hi rendition="#g">Die geſchichtliche Schönheit</hi>.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head>§. 341.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die Geſammtheit dieſer Formen entfaltet ſich im Gange der Geſchichte<lb/> zu einer Folge von Erſcheinungen, deren bewegende Seele die Entwicklung der<lb/> Freiheit iſt, deren äſthetiſcher Werth aber davon abhängt, welche Stellung der<lb/> Geiſt als Freiheit ſich zu ſeiner Natur gibt. Die Aeſthetik hat in einem<lb/> Ueberblick der Weltgeſchichte die umfaſſenden Hauptgeſtaltungen des Völker-<lb/> lebens zu betrachten, das Alterthum, das Mittelalter und die moderne Welt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Die Formen, welche bisher betrachtet wurden, treten überall auf,<lb/> wo geſchichtliches Leben iſt, ſie geſtalten ſich aber in ihrer concreten<lb/> Wirklichkeit verſchieden; die bisherige Betrachtung war alſo abſtract<lb/> und es eröffnet ſich nun erſt die concrete Betrachtung der menſchlichen<lb/> Schönheit wie ſie als Stoff vorgefunden wird. Wir durchwandern alſo<lb/> mit raſchen Schritten die Geſchichte und ſehen ihre Hauptgeſtalten darauf<lb/> an, was für und wie viel äſthetiſchen Stoff ſie darbieten: die Geſchichte<lb/> als Fundgrube der Kunſt. Daß die Bewegung der Freiheit ihre Seele<lb/> iſt, ſetzen wir als Standpunkt der wahren Geſchichtsbetrachtung voraus.<lb/> Es ſind die Silberblicke der Freiheit, die großen Umwälzungen und Thaten,<lb/> wo ſie heller als ſonſt durchbricht, wo ihr Nerv ſich blos legt, welche<lb/> natürlich das erſte Augenmerk der Aeſthetik bilden müſſen und zwar für<lb/> unſere Zeit vorzüglich, denn ſie iſt ſelbſt eine gährende und dieß Zeit-<lb/> intereſſe iſt äſthetiſch berechtigt, ſofern es mit dem Formenſinn ununter-<lb/> ſchieden in Eines aufgeht. In jeder Haupterſcheinung des geſchichtlichen<lb/> Lebens werden die von §. 324 an aufgeführten beſonderen und individuellen<lb/> Formen menſchlicher Schönheit eine andere Geſtalt annehmen; ein anderes<lb/> Bild bietet in jeder der leibliche Typus, das Temperament, die Tracht,<lb/> die geſammte Sphäre des Zweckmäßigen und Angenehmen, der Krieg,<lb/> der Staat, die Stände, das Individuum. Die allgemeinen Formen, die<lb/> von §. 317 an betrachtet wurden, ſind dabei zunächſt als das allgemein<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0232]
b.
Die geſchichtliche Schönheit.
§. 341.
Die Geſammtheit dieſer Formen entfaltet ſich im Gange der Geſchichte
zu einer Folge von Erſcheinungen, deren bewegende Seele die Entwicklung der
Freiheit iſt, deren äſthetiſcher Werth aber davon abhängt, welche Stellung der
Geiſt als Freiheit ſich zu ſeiner Natur gibt. Die Aeſthetik hat in einem
Ueberblick der Weltgeſchichte die umfaſſenden Hauptgeſtaltungen des Völker-
lebens zu betrachten, das Alterthum, das Mittelalter und die moderne Welt.
Die Formen, welche bisher betrachtet wurden, treten überall auf,
wo geſchichtliches Leben iſt, ſie geſtalten ſich aber in ihrer concreten
Wirklichkeit verſchieden; die bisherige Betrachtung war alſo abſtract
und es eröffnet ſich nun erſt die concrete Betrachtung der menſchlichen
Schönheit wie ſie als Stoff vorgefunden wird. Wir durchwandern alſo
mit raſchen Schritten die Geſchichte und ſehen ihre Hauptgeſtalten darauf
an, was für und wie viel äſthetiſchen Stoff ſie darbieten: die Geſchichte
als Fundgrube der Kunſt. Daß die Bewegung der Freiheit ihre Seele
iſt, ſetzen wir als Standpunkt der wahren Geſchichtsbetrachtung voraus.
Es ſind die Silberblicke der Freiheit, die großen Umwälzungen und Thaten,
wo ſie heller als ſonſt durchbricht, wo ihr Nerv ſich blos legt, welche
natürlich das erſte Augenmerk der Aeſthetik bilden müſſen und zwar für
unſere Zeit vorzüglich, denn ſie iſt ſelbſt eine gährende und dieß Zeit-
intereſſe iſt äſthetiſch berechtigt, ſofern es mit dem Formenſinn ununter-
ſchieden in Eines aufgeht. In jeder Haupterſcheinung des geſchichtlichen
Lebens werden die von §. 324 an aufgeführten beſonderen und individuellen
Formen menſchlicher Schönheit eine andere Geſtalt annehmen; ein anderes
Bild bietet in jeder der leibliche Typus, das Temperament, die Tracht,
die geſammte Sphäre des Zweckmäßigen und Angenehmen, der Krieg,
der Staat, die Stände, das Individuum. Die allgemeinen Formen, die
von §. 317 an betrachtet wurden, ſind dabei zunächſt als das allgemein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |