Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
da tritt aber dafür eine ganz andere, neue Schönheit auf. Hörner, §. 297. Diesen Typus bildet die Natur nicht mit Einem Male aus, sondern sie Dieß wäre also zunächst eine Eintheilung der Hauptklassen nach dem
da tritt aber dafür eine ganz andere, neue Schönheit auf. Hörner, §. 297. Dieſen Typus bildet die Natur nicht mit Einem Male aus, ſondern ſie Dieß wäre alſo zunächſt eine Eintheilung der Hauptklaſſen nach dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0139" n="127"/> da tritt aber dafür eine ganz andere, neue Schönheit auf. Hörner,<lb/> Zähne, Schnäbel, Klauen, Hufe ſind der Reſt des Mineral-ähnlichen, der<lb/> auf der Oberfläche erſcheint, aber an die Extremitäten gedrängt iſt. Dieſer<lb/> ganze Organismus, deſſen Geſtalt theils früher ſchon im Allgemeinen dar-<lb/> geſtellt, theils im Folgenden weiter darzuſtellen iſt, unterſcheidet ſich nun<lb/> auch durch den Unterſchied der Größe von den niederen Thieren. In dieſen<lb/> iſt je kleiner das Individuum, deſto größer die Menge der Gattungen<lb/> und die Fruchtbarkeit, wenigſtens bei den Inſecten. Nur die Fiſche und<lb/> Vögel ſind ſo unendlich an Zahl wie jene; die Säugthiere ſind an Zahl<lb/> die kleinſte Stufe. Dafür iſt das Individuum größer; denn es iſt ungleich<lb/> mehr eine Welt für ſich und ſo bietet es nun auch dem äſthetiſchen Anblick<lb/> den nöthigen Umfang. Doch iſt trotz der Vielheit dieß auch bei einem<lb/> Theile der Fiſche und Vögel der Fall. Neben dem Umfang, der das rechte<lb/> Maaß hat, tritt aber auch der Gegenſatz der Kleinheit und der maſſen-<lb/> haften Größe ſo hervor, daß wo jene ſtattfindet, wieder nur allgemeine<lb/> Belebung des Elements die äſthetiſche Bedeutung abgibt, wo dieſe, das<lb/> formlos Erhabene eintritt, wenn es nicht durch das Thun des Thiers<lb/> in anderer Richtung aufgehoben wird.</hi> </p> </div><lb/> <div n="5"> <head>§. 297.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Dieſen Typus bildet die Natur nicht mit Einem Male aus, ſondern ſie<lb/> verſucht ſich erſt in Formen, worin die Stufen der wirbelloſen Thiere in höherer<lb/> Weiſe ſich wiederholen, und dieſer neue Stufengang iſt weſentlich durch das<lb/> Element bedingt, in welches ſie das Thier wirft. Sie beginnt wieder mit der<lb/> Belebung des Waſſers. In dieſen Schooß des Lebens, in dieſe ſchwerere<lb/> Subſtanz ſetzt ſie den Fiſch, dem Pflanzenthier entſprechend; in die leichte Luft<lb/> den Vogel, das höhere Abbild des Inſects. Ueber dieſen Gegenſatz aber ſtellt<lb/> ſie eine neue Welt von Thieren, welche, den Fuß am feſten Lande und dieſen<lb/> Stützpunkt mit ſelbſtthätigerer Bewegung überwindend, durch klare und entſchiedene<lb/> Gegenüberſtellung gegen das tragende Element in höherem Sinne ſich ſelbſt<lb/> gehören, als alle andern Thiere, und nur momentan ſich in die Luft erheben,<lb/> nur freiwillig in’s Waſſer übertreten: die Landthiere, die ihr ſelbſtändigere<lb/> Bedeutung namentlich auch dadurch kund geben, daß ſie Säugethiere ſind.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Dieß wäre alſo zunächſt eine Eintheilung der Hauptklaſſen nach dem<lb/> Elemente, ſo jedoch, daß die Landthiere eine relative Befreiung von dem-<lb/> ſelben genießen. Die Waſſerthiere und Luftthiere nämlich ſind von ihrem<lb/> Elemente getragen wie kein Säugthier des Landes von dem ſeinigen.<lb/> So anſtrengungslos wie der Fiſch ſchwimmt und der Vogel fliegt, geht<lb/> kein Säugthier; jene ſchweben in ihrem Elemente als gehörten ſie zu ihm<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0139]
da tritt aber dafür eine ganz andere, neue Schönheit auf. Hörner,
Zähne, Schnäbel, Klauen, Hufe ſind der Reſt des Mineral-ähnlichen, der
auf der Oberfläche erſcheint, aber an die Extremitäten gedrängt iſt. Dieſer
ganze Organismus, deſſen Geſtalt theils früher ſchon im Allgemeinen dar-
geſtellt, theils im Folgenden weiter darzuſtellen iſt, unterſcheidet ſich nun
auch durch den Unterſchied der Größe von den niederen Thieren. In dieſen
iſt je kleiner das Individuum, deſto größer die Menge der Gattungen
und die Fruchtbarkeit, wenigſtens bei den Inſecten. Nur die Fiſche und
Vögel ſind ſo unendlich an Zahl wie jene; die Säugthiere ſind an Zahl
die kleinſte Stufe. Dafür iſt das Individuum größer; denn es iſt ungleich
mehr eine Welt für ſich und ſo bietet es nun auch dem äſthetiſchen Anblick
den nöthigen Umfang. Doch iſt trotz der Vielheit dieß auch bei einem
Theile der Fiſche und Vögel der Fall. Neben dem Umfang, der das rechte
Maaß hat, tritt aber auch der Gegenſatz der Kleinheit und der maſſen-
haften Größe ſo hervor, daß wo jene ſtattfindet, wieder nur allgemeine
Belebung des Elements die äſthetiſche Bedeutung abgibt, wo dieſe, das
formlos Erhabene eintritt, wenn es nicht durch das Thun des Thiers
in anderer Richtung aufgehoben wird.
§. 297.
Dieſen Typus bildet die Natur nicht mit Einem Male aus, ſondern ſie
verſucht ſich erſt in Formen, worin die Stufen der wirbelloſen Thiere in höherer
Weiſe ſich wiederholen, und dieſer neue Stufengang iſt weſentlich durch das
Element bedingt, in welches ſie das Thier wirft. Sie beginnt wieder mit der
Belebung des Waſſers. In dieſen Schooß des Lebens, in dieſe ſchwerere
Subſtanz ſetzt ſie den Fiſch, dem Pflanzenthier entſprechend; in die leichte Luft
den Vogel, das höhere Abbild des Inſects. Ueber dieſen Gegenſatz aber ſtellt
ſie eine neue Welt von Thieren, welche, den Fuß am feſten Lande und dieſen
Stützpunkt mit ſelbſtthätigerer Bewegung überwindend, durch klare und entſchiedene
Gegenüberſtellung gegen das tragende Element in höherem Sinne ſich ſelbſt
gehören, als alle andern Thiere, und nur momentan ſich in die Luft erheben,
nur freiwillig in’s Waſſer übertreten: die Landthiere, die ihr ſelbſtändigere
Bedeutung namentlich auch dadurch kund geben, daß ſie Säugethiere ſind.
Dieß wäre alſo zunächſt eine Eintheilung der Hauptklaſſen nach dem
Elemente, ſo jedoch, daß die Landthiere eine relative Befreiung von dem-
ſelben genießen. Die Waſſerthiere und Luftthiere nämlich ſind von ihrem
Elemente getragen wie kein Säugthier des Landes von dem ſeinigen.
So anſtrengungslos wie der Fiſch ſchwimmt und der Vogel fliegt, geht
kein Säugthier; jene ſchweben in ihrem Elemente als gehörten ſie zu ihm
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