Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
Vergleichung in veränderter Linie den Stamm, die Bewegungsorgane §. 286. Der Kopf folgt der Länge-Richtung des Leibes und das Ganze spitzt sich
Vergleichung in veränderter Linie den Stamm, die Bewegungsorgane §. 286. Der Kopf folgt der Länge-Richtung des Leibes und das Ganze ſpitzt ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0117" n="105"/> Vergleichung in veränderter Linie den Stamm, die Bewegungsorgane<lb/> wären, was in der Pflanze die Seiten-Arme, die Aeſte ſind, der Kopf<lb/> die reduzirte Krone, und die Athmungs-Organe der Pflanze, die Blätter,<lb/> wären zu den Sinnen des Kopfs umgebildet. Genauer betrachtet iſt zwar<lb/> vielmehr das Blatt zur Lunge, Stamm und Aeſte zum Blutgefäß, die<lb/> Wurzel zum Mund, Magen und Darm geworden; da aber die Pflanze<lb/> nicht ſowohl ihr Eingeweide auswendig hat (<hi rendition="#g">Oken</hi> Allg. Naturgeſch. B. 4<lb/> S. 19), als vielmehr lauter ſolches iſt, was erſt im Thier Eingeweide<lb/> wird, ſo mag ebenſo richtig ſein, daß auch im ganzen Thiere die Pflanzen-<lb/> geſtalt in der zuerſt bezeichneten Weiſe umgebildet ſich wiederholt. Der §.<lb/> gibt nun weiter nur den allgemeinſten Umriß des Thier-Typus und erwähnt<lb/> zunächſt die drei Hauptſyſteme des Kopfs, der Bruſt, des Unterleibs, ohne<lb/> noch ihre Bedeutung zu verfolgen, da nur erſt die einfachſten Unterſchiede<lb/> von der Pflanzengeſtalt hervorzuheben ſind. Der Kopf hat freilich ein<lb/> ganz anderes Größen-Verhältniß, als die Krone des Baums, womit er<lb/> verglichen wird; dieſelbe iſt zwar auch das Edelſte am Baume, aber das<lb/> Edelſte am Thiere iſt ein ſolches im Sinne des Beſeelten und ſchon das<lb/> Größenverhältniß ſoll anzeigen, daß der übrige Leib in Vergleichung mit<lb/> Jenem nur das Maſſenhafte, Schwere iſt. Je mehr er der Kugelgeſtalt<lb/> zuſtrebt, deſto höher das Thier. Nur als Umſchließung der zu Athmung,<lb/> Blutumlauf, Verdauung beſtimmten Eingeweide iſt ſofort das Knochen-<lb/> gerüſte hervorgehoben, um die Vergleichung mit der Pflanze fortzuſetzen;<lb/> denn das Nähere iſt erſt bei den Wirbelthieren darzuſtellen, daher auch<lb/> die zweite Höhle, die das Hirn- und Rückenmark einſchließt, noch nicht<lb/> erwähnt wurde. Der ganze Bau zeigt aber auch auf ſeiner Oberfläche<lb/> jene feſte Baſis als die Grundlage des Weichen, das die ganze Bildung<lb/> bedeckend abſchließt und die gerundeten Hügel und Senkungen ihres Um-<lb/> riſſes bedingt. Das eigenthümliche Anhängſel des Schwanzes iſt hier<lb/> noch zu erwähnen; es dient nicht nur, den After zu decken, in Luft und<lb/> Waſſer zu ſteuern, den Fliegen zu wehren, ſich feſtzuhalten und durch die<lb/> letzteren Verrichtungen den Mangel der Hand erſetzen zu helfen, ſondern<lb/> auch, einen Theil des Ausdrucks der inneren Stimmung, der dem Geſichte<lb/> verſagt iſt, nachträglich zu ergänzen; der Hund z. B. lacht, trauert, ſpricht<lb/> Muth aus mit dem Schwanze. Von den Zeugungstheilen war ſchon bei<lb/> der Pflanze §. 271 Anm. <hi rendition="#sub">1</hi> die Rede.</hi> </p> </div><lb/> <div n="5"> <head>§. 286.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Der Kopf folgt der Länge-Richtung des Leibes und das Ganze ſpitzt ſich<lb/> ſo in den vorragenden, am Boden hinſuchenden Mund zu, wodurch, obwohl das<lb/> Thier zu vielfachen ungleich höheren Thätigkeiten ſich befreit, dennoch ein<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0117]
Vergleichung in veränderter Linie den Stamm, die Bewegungsorgane
wären, was in der Pflanze die Seiten-Arme, die Aeſte ſind, der Kopf
die reduzirte Krone, und die Athmungs-Organe der Pflanze, die Blätter,
wären zu den Sinnen des Kopfs umgebildet. Genauer betrachtet iſt zwar
vielmehr das Blatt zur Lunge, Stamm und Aeſte zum Blutgefäß, die
Wurzel zum Mund, Magen und Darm geworden; da aber die Pflanze
nicht ſowohl ihr Eingeweide auswendig hat (Oken Allg. Naturgeſch. B. 4
S. 19), als vielmehr lauter ſolches iſt, was erſt im Thier Eingeweide
wird, ſo mag ebenſo richtig ſein, daß auch im ganzen Thiere die Pflanzen-
geſtalt in der zuerſt bezeichneten Weiſe umgebildet ſich wiederholt. Der §.
gibt nun weiter nur den allgemeinſten Umriß des Thier-Typus und erwähnt
zunächſt die drei Hauptſyſteme des Kopfs, der Bruſt, des Unterleibs, ohne
noch ihre Bedeutung zu verfolgen, da nur erſt die einfachſten Unterſchiede
von der Pflanzengeſtalt hervorzuheben ſind. Der Kopf hat freilich ein
ganz anderes Größen-Verhältniß, als die Krone des Baums, womit er
verglichen wird; dieſelbe iſt zwar auch das Edelſte am Baume, aber das
Edelſte am Thiere iſt ein ſolches im Sinne des Beſeelten und ſchon das
Größenverhältniß ſoll anzeigen, daß der übrige Leib in Vergleichung mit
Jenem nur das Maſſenhafte, Schwere iſt. Je mehr er der Kugelgeſtalt
zuſtrebt, deſto höher das Thier. Nur als Umſchließung der zu Athmung,
Blutumlauf, Verdauung beſtimmten Eingeweide iſt ſofort das Knochen-
gerüſte hervorgehoben, um die Vergleichung mit der Pflanze fortzuſetzen;
denn das Nähere iſt erſt bei den Wirbelthieren darzuſtellen, daher auch
die zweite Höhle, die das Hirn- und Rückenmark einſchließt, noch nicht
erwähnt wurde. Der ganze Bau zeigt aber auch auf ſeiner Oberfläche
jene feſte Baſis als die Grundlage des Weichen, das die ganze Bildung
bedeckend abſchließt und die gerundeten Hügel und Senkungen ihres Um-
riſſes bedingt. Das eigenthümliche Anhängſel des Schwanzes iſt hier
noch zu erwähnen; es dient nicht nur, den After zu decken, in Luft und
Waſſer zu ſteuern, den Fliegen zu wehren, ſich feſtzuhalten und durch die
letzteren Verrichtungen den Mangel der Hand erſetzen zu helfen, ſondern
auch, einen Theil des Ausdrucks der inneren Stimmung, der dem Geſichte
verſagt iſt, nachträglich zu ergänzen; der Hund z. B. lacht, trauert, ſpricht
Muth aus mit dem Schwanze. Von den Zeugungstheilen war ſchon bei
der Pflanze §. 271 Anm. 1 die Rede.
§. 286.
Der Kopf folgt der Länge-Richtung des Leibes und das Ganze ſpitzt ſich
ſo in den vorragenden, am Boden hinſuchenden Mund zu, wodurch, obwohl das
Thier zu vielfachen ungleich höheren Thätigkeiten ſich befreit, dennoch ein
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