thätig in einem Einzelnen zur Erscheinung bringen solle, eben diese Art ihrer Wirklichkeit zuerst als Inhalt vor sich haben müsse. Es scheint, als müsse das Absolute auch erst als ein beschlossenes Seyn auftreten, müsse auf diese Weise Gegenstand seyn und als bilde dann das Schöne diesen Gegenstand ab. In Wahrheit ist es vielmehr das Schöne selbst, was das Absolute in diesem Sinne zum Gegenstande macht, als eine zu- gleich unendliche und doch zugleich in einem Einzelnen beschlossene Thä- tigkeit nämlich, was freilich nur durch einen Schein möglich ist; eben hier beginnt also das unterscheidend Eigene im Schönen; es tritt zwi- schen das Wissen, das den bisher betrachteten Inhalt in seiner Allge- meinheit denkt und zwischen diesen Inhalt, nimmt diesen zu seinem Gegen- stand und stellt ihn so dar, als wäre er nicht nur Gegenstand im bis- herigen Sinne einer nie im Einzelnen beschlossenen Verwirklichung, son- dern in dem Sinne einer zugleich einzelnen und zugleich absoluten Wirk- lichkeit. Die Meinung Vieler aber ist vielmehr, daß nicht erst das Schöne diesen Gegenstand als Schein erzeuge, sondern, daß derselbe noch zu den seyenden Gegenständen gehöre. Kunde von diesem Gegen- stand nun, ist die weitere Meinung, gebe die Religion; deßwegen habe sie hier ihre Stelle. Die Religion gehört hieher, wie sich sogleich zeigen wird, aber aus einem andern Grunde. Was das Wissen oder die Philosophie betrifft, so haben wir schon früher einleitend gezeigt, daß es nur nach dem Schönen stehen könne (§. 5 Anm.). Dieser Punkt ist noch genauer zu untersuchen, hier aber nur so viel zu sagen, daß es zwar auch noch zu den Gegenständen des Schönen treten kann, aber nicht von der Seite, die sein Wesen begründet, sondern sofern es selbst wieder in ein Unmittelbares übergeht oder auf ein solches wirkt, wie §. 20, 2 schon angedeutet ist.
§. 25.
Dieß ist jedoch eine logische Verwirrung. Die Idee kann sich anders nicht verwirklichen, als in dem Prozesse einer unendlichen Bewegung, also auch in keinem andern Sinne zu der Welt der Gegenstände gezählt werden, welche in den Geist eingehen. Wenn nun der Geist, in den sie eingeht und der sie zum Gegenstande hat, sie anders faßt, das heißt, wenn er, noch ehe das Schöne eintritt, sie in der Weise des Glaubens als vollkommen gegenwärtig in einem Einzelnen hinstellt, so ist dies kein Gegenstand, der außer dem Glaubenden vorhanden wäre, sondern ein Gegenstand, den der Glaube selbst erzeugt, und
thätig in einem Einzelnen zur Erſcheinung bringen ſolle, eben dieſe Art ihrer Wirklichkeit zuerſt als Inhalt vor ſich haben müſſe. Es ſcheint, als müſſe das Abſolute auch erſt als ein beſchloſſenes Seyn auftreten, müſſe auf dieſe Weiſe Gegenſtand ſeyn und als bilde dann das Schöne dieſen Gegenſtand ab. In Wahrheit iſt es vielmehr das Schöne ſelbſt, was das Abſolute in dieſem Sinne zum Gegenſtande macht, als eine zu- gleich unendliche und doch zugleich in einem Einzelnen beſchloſſene Thä- tigkeit nämlich, was freilich nur durch einen Schein möglich iſt; eben hier beginnt alſo das unterſcheidend Eigene im Schönen; es tritt zwi- ſchen das Wiſſen, das den bisher betrachteten Inhalt in ſeiner Allge- meinheit denkt und zwiſchen dieſen Inhalt, nimmt dieſen zu ſeinem Gegen- ſtand und ſtellt ihn ſo dar, als wäre er nicht nur Gegenſtand im bis- herigen Sinne einer nie im Einzelnen beſchloſſenen Verwirklichung, ſon- dern in dem Sinne einer zugleich einzelnen und zugleich abſoluten Wirk- lichkeit. Die Meinung Vieler aber iſt vielmehr, daß nicht erſt das Schöne dieſen Gegenſtand als Schein erzeuge, ſondern, daß derſelbe noch zu den ſeyenden Gegenſtänden gehöre. Kunde von dieſem Gegen- ſtand nun, iſt die weitere Meinung, gebe die Religion; deßwegen habe ſie hier ihre Stelle. Die Religion gehört hieher, wie ſich ſogleich zeigen wird, aber aus einem andern Grunde. Was das Wiſſen oder die Philoſophie betrifft, ſo haben wir ſchon früher einleitend gezeigt, daß es nur nach dem Schönen ſtehen könne (§. 5 Anm.). Dieſer Punkt iſt noch genauer zu unterſuchen, hier aber nur ſo viel zu ſagen, daß es zwar auch noch zu den Gegenſtänden des Schönen treten kann, aber nicht von der Seite, die ſein Weſen begründet, ſondern ſofern es ſelbſt wieder in ein Unmittelbares übergeht oder auf ein ſolches wirkt, wie §. 20, 2 ſchon angedeutet iſt.
§. 25.
Dieß iſt jedoch eine logiſche Verwirrung. Die Idee kann ſich anders nicht verwirklichen, als in dem Prozeſſe einer unendlichen Bewegung, alſo auch in keinem andern Sinne zu der Welt der Gegenſtände gezählt werden, welche in den Geiſt eingehen. Wenn nun der Geiſt, in den ſie eingeht und der ſie zum Gegenſtande hat, ſie anders faßt, das heißt, wenn er, noch ehe das Schöne eintritt, ſie in der Weiſe des Glaubens als vollkommen gegenwärtig in einem Einzelnen hinſtellt, ſo iſt dies kein Gegenſtand, der außer dem Glaubenden vorhanden wäre, ſondern ein Gegenſtand, den der Glaube ſelbſt erzeugt, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0096"n="82"/><hirendition="#et">thätig in einem Einzelnen zur Erſcheinung bringen ſolle, eben dieſe Art<lb/>
ihrer Wirklichkeit zuerſt als Inhalt vor ſich haben müſſe. Es ſcheint,<lb/>
als müſſe das Abſolute auch erſt als ein beſchloſſenes Seyn auftreten,<lb/>
müſſe auf dieſe Weiſe Gegenſtand ſeyn und als bilde dann das Schöne<lb/>
dieſen Gegenſtand ab. In Wahrheit iſt es vielmehr das Schöne ſelbſt,<lb/>
was das Abſolute in dieſem Sinne zum Gegenſtande macht, als eine zu-<lb/>
gleich unendliche und doch zugleich in einem Einzelnen beſchloſſene Thä-<lb/>
tigkeit nämlich, was freilich nur durch einen Schein möglich iſt; eben<lb/>
hier beginnt alſo das unterſcheidend Eigene im Schönen; es tritt zwi-<lb/>ſchen das Wiſſen, das den bisher betrachteten Inhalt in ſeiner Allge-<lb/>
meinheit denkt und zwiſchen dieſen Inhalt, nimmt dieſen zu ſeinem Gegen-<lb/>ſtand und ſtellt ihn ſo dar, als wäre er nicht nur Gegenſtand im bis-<lb/>
herigen Sinne einer nie im Einzelnen beſchloſſenen Verwirklichung, ſon-<lb/>
dern in dem Sinne einer zugleich einzelnen und zugleich abſoluten Wirk-<lb/>
lichkeit. Die Meinung Vieler aber iſt vielmehr, daß nicht erſt das<lb/>
Schöne <hirendition="#g">dieſen</hi> Gegenſtand als Schein erzeuge, ſondern, daß derſelbe<lb/>
noch zu den ſeyenden Gegenſtänden gehöre. Kunde von dieſem Gegen-<lb/>ſtand nun, iſt die weitere Meinung, gebe die Religion; deßwegen habe<lb/>ſie hier ihre Stelle. Die Religion gehört hieher, wie ſich ſogleich<lb/>
zeigen wird, aber aus einem andern Grunde. Was das Wiſſen oder<lb/>
die Philoſophie betrifft, ſo haben wir ſchon früher einleitend gezeigt, daß<lb/>
es nur nach dem Schönen ſtehen könne (§. 5 Anm.). Dieſer Punkt iſt<lb/>
noch genauer zu unterſuchen, hier aber nur ſo viel zu ſagen, daß es<lb/>
zwar auch noch zu den Gegenſtänden des Schönen treten kann, aber nicht<lb/>
von der Seite, die ſein Weſen begründet, ſondern ſofern es ſelbſt wieder<lb/>
in ein Unmittelbares übergeht oder auf ein ſolches wirkt, wie §. 20, <hirendition="#sub">2</hi><lb/>ſchon angedeutet iſt.</hi></p></div><lb/><divn="4"><head>§. 25.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Dieß iſt jedoch eine logiſche Verwirrung. Die Idee kann ſich anders<lb/>
nicht verwirklichen, als in dem Prozeſſe einer unendlichen Bewegung, alſo auch<lb/>
in keinem andern Sinne zu der Welt der Gegenſtände gezählt werden, welche<lb/>
in den Geiſt eingehen. Wenn nun der Geiſt, in den ſie eingeht und der ſie<lb/>
zum Gegenſtande hat, ſie anders faßt, das heißt, wenn er, noch ehe das Schöne<lb/>
eintritt, ſie in der Weiſe des Glaubens als vollkommen gegenwärtig in einem<lb/>
Einzelnen hinſtellt, ſo iſt dies kein Gegenſtand, der außer dem Glaubenden<lb/>
vorhanden wäre, ſondern ein Gegenſtand, den der Glaube ſelbſt erzeugt, und<lb/></hi></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[82/0096]
thätig in einem Einzelnen zur Erſcheinung bringen ſolle, eben dieſe Art
ihrer Wirklichkeit zuerſt als Inhalt vor ſich haben müſſe. Es ſcheint,
als müſſe das Abſolute auch erſt als ein beſchloſſenes Seyn auftreten,
müſſe auf dieſe Weiſe Gegenſtand ſeyn und als bilde dann das Schöne
dieſen Gegenſtand ab. In Wahrheit iſt es vielmehr das Schöne ſelbſt,
was das Abſolute in dieſem Sinne zum Gegenſtande macht, als eine zu-
gleich unendliche und doch zugleich in einem Einzelnen beſchloſſene Thä-
tigkeit nämlich, was freilich nur durch einen Schein möglich iſt; eben
hier beginnt alſo das unterſcheidend Eigene im Schönen; es tritt zwi-
ſchen das Wiſſen, das den bisher betrachteten Inhalt in ſeiner Allge-
meinheit denkt und zwiſchen dieſen Inhalt, nimmt dieſen zu ſeinem Gegen-
ſtand und ſtellt ihn ſo dar, als wäre er nicht nur Gegenſtand im bis-
herigen Sinne einer nie im Einzelnen beſchloſſenen Verwirklichung, ſon-
dern in dem Sinne einer zugleich einzelnen und zugleich abſoluten Wirk-
lichkeit. Die Meinung Vieler aber iſt vielmehr, daß nicht erſt das
Schöne dieſen Gegenſtand als Schein erzeuge, ſondern, daß derſelbe
noch zu den ſeyenden Gegenſtänden gehöre. Kunde von dieſem Gegen-
ſtand nun, iſt die weitere Meinung, gebe die Religion; deßwegen habe
ſie hier ihre Stelle. Die Religion gehört hieher, wie ſich ſogleich
zeigen wird, aber aus einem andern Grunde. Was das Wiſſen oder
die Philoſophie betrifft, ſo haben wir ſchon früher einleitend gezeigt, daß
es nur nach dem Schönen ſtehen könne (§. 5 Anm.). Dieſer Punkt iſt
noch genauer zu unterſuchen, hier aber nur ſo viel zu ſagen, daß es
zwar auch noch zu den Gegenſtänden des Schönen treten kann, aber nicht
von der Seite, die ſein Weſen begründet, ſondern ſofern es ſelbſt wieder
in ein Unmittelbares übergeht oder auf ein ſolches wirkt, wie §. 20, 2
ſchon angedeutet iſt.
§. 25.
Dieß iſt jedoch eine logiſche Verwirrung. Die Idee kann ſich anders
nicht verwirklichen, als in dem Prozeſſe einer unendlichen Bewegung, alſo auch
in keinem andern Sinne zu der Welt der Gegenſtände gezählt werden, welche
in den Geiſt eingehen. Wenn nun der Geiſt, in den ſie eingeht und der ſie
zum Gegenſtande hat, ſie anders faßt, das heißt, wenn er, noch ehe das Schöne
eintritt, ſie in der Weiſe des Glaubens als vollkommen gegenwärtig in einem
Einzelnen hinſtellt, ſo iſt dies kein Gegenſtand, der außer dem Glaubenden
vorhanden wäre, ſondern ein Gegenſtand, den der Glaube ſelbſt erzeugt, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/96>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.