Allerdings wird aber dieser unüberwundene Rest von Bitterkeit in dem Grade unschädlich, in welchem er ein Werk des selbstquälerischen Dichtens ist; denn dieses verräth die Empfindlichkeit eines reinen Gemüths für die Entstellung der in ihm lebendigen Idee, welche aber zugleich auch als unendliche Weich- heit das Entstellende nicht von sich abstößt, sondern sich mit flüßiger Liebe in dasselbe fortsetzt und in dem Ungereimten selbst, dem sie zürnt, den eigenen, innerlich verborgenen Werth entdeckt. Das Subject weidet sich mehr an seiner Qual, als sie wirklich ist, und lebt sich daher mit seiner Innerlichkeit leichter, als es scheint, in den verborgenen Werth ebendessen ein, was die Idee in's unendlich Kleine verkehrt. Diese hinüberfließende Liebe ist nicht mehr ein Werk glücklicher Naturstimmung, sie setzt den Gedankenbesitz der Humanität als ein Errungenes, aber in das weiche Element beschaulicher Empfindung Umgebil- detes voraus; allerdings aber ist diese Form zwar des Widerspruchs als eines allgemeinen sich bewußt, aber doch zu innerlich, um von dem engen Gesichts- kreise ihrer stillen und innigen Heimlichkeit über das wirkliche Schauspiel der Kämpfe der Idee und der Gegensätze der Welt im Großen die unerschlossene Unendlichkeit ihrer Subjectivität zu erweitern.
Der zweite der in §. 219 unterschiedenen Fälle führte zu der Innerlichkeit, welche als Bedingung des wahrhaft freien Uebergriffs der Subjectivität über die Verstrickung der Idee wesentlich gefordert ist. Die Hypochondrie des Humoristen leitete dies mit gutem Grunde ein, denn sie ist bereits eine Aeußerung der Verwundbarkeit, welche einem nach innen tief ausgebildeten Gemüthsleben anzuhängen pflegt. Der Unter- schied ist nur der, daß diese Empfindlichkeit dort den Grundzug bildete, nun aber der Fortschritt des Begriffs das Verhältniß umdreht und das, woran sie hängt, zuerst und als Mittelpunkt, sie selbst als auflösbares Hinderniß aufstellt. Zu diesem Fortschritte treibt den Begriff der Mangel des gebrochenen Humors und die aus dem wahren Wesen des Humors fließende Nothwendigkeit der Aufhebung dieses Mangels. Es tritt nun
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γ. Der freie Humor.
§. 220.
Allerdings wird aber dieſer unüberwundene Reſt von Bitterkeit in dem Grade unſchädlich, in welchem er ein Werk des ſelbſtquäleriſchen Dichtens iſt; denn dieſes verräth die Empfindlichkeit eines reinen Gemüths für die Entſtellung der in ihm lebendigen Idee, welche aber zugleich auch als unendliche Weich- heit das Entſtellende nicht von ſich abſtößt, ſondern ſich mit flüßiger Liebe in dasſelbe fortſetzt und in dem Ungereimten ſelbſt, dem ſie zürnt, den eigenen, innerlich verborgenen Werth entdeckt. Das Subject weidet ſich mehr an ſeiner Qual, als ſie wirklich iſt, und lebt ſich daher mit ſeiner Innerlichkeit leichter, als es ſcheint, in den verborgenen Werth ebendeſſen ein, was die Idee in’s unendlich Kleine verkehrt. Dieſe hinüberfließende Liebe iſt nicht mehr ein Werk glücklicher Naturſtimmung, ſie ſetzt den Gedankenbeſitz der Humanität als ein Errungenes, aber in das weiche Element beſchaulicher Empfindung Umgebil- detes voraus; allerdings aber iſt dieſe Form zwar des Widerſpruchs als eines allgemeinen ſich bewußt, aber doch zu innerlich, um von dem engen Geſichts- kreiſe ihrer ſtillen und innigen Heimlichkeit über das wirkliche Schauſpiel der Kämpfe der Idee und der Gegenſätze der Welt im Großen die unerſchloſſene Unendlichkeit ihrer Subjectivität zu erweitern.
Der zweite der in §. 219 unterſchiedenen Fälle führte zu der Innerlichkeit, welche als Bedingung des wahrhaft freien Uebergriffs der Subjectivität über die Verſtrickung der Idee weſentlich gefordert iſt. Die Hypochondrie des Humoriſten leitete dies mit gutem Grunde ein, denn ſie iſt bereits eine Aeußerung der Verwundbarkeit, welche einem nach innen tief ausgebildeten Gemüthsleben anzuhängen pflegt. Der Unter- ſchied iſt nur der, daß dieſe Empfindlichkeit dort den Grundzug bildete, nun aber der Fortſchritt des Begriffs das Verhältniß umdreht und das, woran ſie hängt, zuerſt und als Mittelpunkt, ſie ſelbſt als auflösbares Hinderniß aufſtellt. Zu dieſem Fortſchritte treibt den Begriff der Mangel des gebrochenen Humors und die aus dem wahren Weſen des Humors fließende Nothwendigkeit der Aufhebung dieſes Mangels. Es tritt nun
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γ.
Der freie Humor.
§. 220.
Allerdings wird aber dieſer unüberwundene Reſt von Bitterkeit in dem
Grade unſchädlich, in welchem er ein Werk des ſelbſtquäleriſchen Dichtens iſt;
denn dieſes verräth die Empfindlichkeit eines reinen Gemüths für die Entſtellung
der in ihm lebendigen Idee, welche aber zugleich auch als unendliche Weich-
heit das Entſtellende nicht von ſich abſtößt, ſondern ſich mit flüßiger Liebe in
dasſelbe fortſetzt und in dem Ungereimten ſelbſt, dem ſie zürnt, den eigenen,
innerlich verborgenen Werth entdeckt. Das Subject weidet ſich mehr an ſeiner
Qual, als ſie wirklich iſt, und lebt ſich daher mit ſeiner Innerlichkeit leichter,
als es ſcheint, in den verborgenen Werth ebendeſſen ein, was die Idee in’s
unendlich Kleine verkehrt. Dieſe hinüberfließende Liebe iſt nicht mehr ein
Werk glücklicher Naturſtimmung, ſie ſetzt den Gedankenbeſitz der Humanität als
ein Errungenes, aber in das weiche Element beſchaulicher Empfindung Umgebil-
detes voraus; allerdings aber iſt dieſe Form zwar des Widerſpruchs als eines
allgemeinen ſich bewußt, aber doch zu innerlich, um von dem engen Geſichts-
kreiſe ihrer ſtillen und innigen Heimlichkeit über das wirkliche Schauſpiel der
Kämpfe der Idee und der Gegenſätze der Welt im Großen die unerſchloſſene
Unendlichkeit ihrer Subjectivität zu erweitern.
Der zweite der in §. 219 unterſchiedenen Fälle führte zu der
Innerlichkeit, welche als Bedingung des wahrhaft freien Uebergriffs der
Subjectivität über die Verſtrickung der Idee weſentlich gefordert iſt. Die
Hypochondrie des Humoriſten leitete dies mit gutem Grunde ein, denn
ſie iſt bereits eine Aeußerung der Verwundbarkeit, welche einem nach
innen tief ausgebildeten Gemüthsleben anzuhängen pflegt. Der Unter-
ſchied iſt nur der, daß dieſe Empfindlichkeit dort den Grundzug bildete,
nun aber der Fortſchritt des Begriffs das Verhältniß umdreht und das,
woran ſie hängt, zuerſt und als Mittelpunkt, ſie ſelbſt als auflösbares
Hinderniß aufſtellt. Zu dieſem Fortſchritte treibt den Begriff der Mangel
des gebrochenen Humors und die aus dem wahren Weſen des Humors
fließende Nothwendigkeit der Aufhebung dieſes Mangels. Es tritt nun
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/481>, abgerufen am 21.11.2024.
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