gründet nicht die Eintheilung der Arten des Witzes; vielmehr jede Art kann treffen oder nicht. Die abstracte Gattung hat aber selbst zunächst wieder eine sinnlich unmittelbare Form, die sogleich auftreten wird.
a. Der abstracte Witz.
§. 197.
Der abstracte Witz ergreift zuerst das Nächste, was sich ihm in dem1 Gebiete seines Ausdrucksmittels, der Sprache, darbietet, die sinnliche Ver- wandtschaft des Wortklangs für das Ohr, um durch sie das Schlaglicht einer Einheit entlegener Vorstellungen hervorzubringen. Diese Form, der Klang- Witz oder das akustische Wortspiel, steht durch ihre sinnliche Unmittel- barkeit der Posse am nächsten, ist naiv und volksthümlich wie sie, und wie der Witz durch dieselbe in die Posse zurückgreift, so erhebt sich diese, welche überhaupt auf der Grundlage ihrer eigenen Form auch die höheren aufnimmt, vorzüglich in diese Art des Witzes. Aus dieser Form erhebt sich aber der2 Witz in sein reines Reflexions-Gebiet, indem er sich nicht mehr an die blose Aehnlichkeit des Klangs, sondern an die Vieldeutigkeit der Wörter hält, wo- durch sich das Sinn-Wortspiel erzeugt. Auch dieses steht mit der Posse noch in näherem Zusammenhang.
1. Beide Arten des Wortspiels sind nicht zu verwechseln. Die erste benützt blos den Klang, wie der Berliner-Witz über die Aufführung der Antigone: Antik? o nee! Reiche Ausbeute bei Aristophanes, Fischart, Abraham a. S. Clara, Shakespeare, J. Paul. Der letztere nennt diese Art (doch ohne sie von der zweiten gehörig zu unterscheiden) Sprach- oder Kling-Witz, auch akustischen Witz und sehr geistreich den älteren Bruder des Reims oder dessen Auftact (a. a. O. §. 52), in den er ja auch bei Abraham und Fischart so häufig übergeht. Unrichtig aber ist es, wenn J. Paul Lust bezeugt, wirkliche Verwandtschaft des Sinns bei verwandtem Klang durch Hindeutung auf die Urbildungen der Sprache geltend zu machen. Da fiele gerade der Widersinn weg. Wenn Abraham z. B. vermuthet, der verlorene Sohn werde wohl ein Irländer gewesen seyn, und ihn mit der Donau vergleicht, die nach langen Reisen in die
gründet nicht die Eintheilung der Arten des Witzes; vielmehr jede Art kann treffen oder nicht. Die abſtracte Gattung hat aber ſelbſt zunächſt wieder eine ſinnlich unmittelbare Form, die ſogleich auftreten wird.
α. Der abſtracte Witz.
§. 197.
Der abſtracte Witz ergreift zuerſt das Nächſte, was ſich ihm in dem1 Gebiete ſeines Ausdrucksmittels, der Sprache, darbietet, die ſinnliche Ver- wandtſchaft des Wortklangs für das Ohr, um durch ſie das Schlaglicht einer Einheit entlegener Vorſtellungen hervorzubringen. Dieſe Form, der Klang- Witz oder das akuſtiſche Wortſpiel, ſteht durch ihre ſinnliche Unmittel- barkeit der Poſſe am nächſten, iſt naiv und volksthümlich wie ſie, und wie der Witz durch dieſelbe in die Poſſe zurückgreift, ſo erhebt ſich dieſe, welche überhaupt auf der Grundlage ihrer eigenen Form auch die höheren aufnimmt, vorzüglich in dieſe Art des Witzes. Aus dieſer Form erhebt ſich aber der2 Witz in ſein reines Reflexions-Gebiet, indem er ſich nicht mehr an die bloſe Aehnlichkeit des Klangs, ſondern an die Vieldeutigkeit der Wörter hält, wo- durch ſich das Sinn-Wortſpiel erzeugt. Auch dieſes ſteht mit der Poſſe noch in näherem Zuſammenhang.
1. Beide Arten des Wortſpiels ſind nicht zu verwechſeln. Die erſte benützt blos den Klang, wie der Berliner-Witz über die Aufführung der Antigone: Antik? o nee! Reiche Ausbeute bei Ariſtophanes, Fiſchart, Abraham a. S. Clara, Shakespeare, J. Paul. Der letztere nennt dieſe Art (doch ohne ſie von der zweiten gehörig zu unterſcheiden) Sprach- oder Kling-Witz, auch akuſtiſchen Witz und ſehr geiſtreich den älteren Bruder des Reims oder deſſen Auftact (a. a. O. §. 52), in den er ja auch bei Abraham und Fiſchart ſo häufig übergeht. Unrichtig aber iſt es, wenn J. Paul Luſt bezeugt, wirkliche Verwandtſchaft des Sinns bei verwandtem Klang durch Hindeutung auf die Urbildungen der Sprache geltend zu machen. Da fiele gerade der Widerſinn weg. Wenn Abraham z. B. vermuthet, der verlorene Sohn werde wohl ein Irländer geweſen ſeyn, und ihn mit der Donau vergleicht, die nach langen Reiſen in die
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gründet nicht die Eintheilung der Arten des Witzes; vielmehr jede Art
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wieder eine ſinnlich unmittelbare Form, die ſogleich auftreten wird.
α.
Der abſtracte Witz.
§. 197.
Der abſtracte Witz ergreift zuerſt das Nächſte, was ſich ihm in dem
Gebiete ſeines Ausdrucksmittels, der Sprache, darbietet, die ſinnliche Ver-
wandtſchaft des Wortklangs für das Ohr, um durch ſie das Schlaglicht einer
Einheit entlegener Vorſtellungen hervorzubringen. Dieſe Form, der Klang-
Witz oder das akuſtiſche Wortſpiel, ſteht durch ihre ſinnliche Unmittel-
barkeit der Poſſe am nächſten, iſt naiv und volksthümlich wie ſie, und wie
der Witz durch dieſelbe in die Poſſe zurückgreift, ſo erhebt ſich dieſe, welche
überhaupt auf der Grundlage ihrer eigenen Form auch die höheren aufnimmt,
vorzüglich in dieſe Art des Witzes. Aus dieſer Form erhebt ſich aber der
Witz in ſein reines Reflexions-Gebiet, indem er ſich nicht mehr an die bloſe
Aehnlichkeit des Klangs, ſondern an die Vieldeutigkeit der Wörter hält, wo-
durch ſich das Sinn-Wortſpiel erzeugt. Auch dieſes ſteht mit der Poſſe
noch in näherem Zuſammenhang.
1. Beide Arten des Wortſpiels ſind nicht zu verwechſeln. Die erſte
benützt blos den Klang, wie der Berliner-Witz über die Aufführung der
Antigone: Antik? o nee! Reiche Ausbeute bei Ariſtophanes, Fiſchart,
Abraham a. S. Clara, Shakespeare, J. Paul. Der letztere nennt
dieſe Art (doch ohne ſie von der zweiten gehörig zu unterſcheiden) Sprach-
oder Kling-Witz, auch akuſtiſchen Witz und ſehr geiſtreich den älteren
Bruder des Reims oder deſſen Auftact (a. a. O. §. 52), in den er
ja auch bei Abraham und Fiſchart ſo häufig übergeht. Unrichtig aber
iſt es, wenn J. Paul Luſt bezeugt, wirkliche Verwandtſchaft des Sinns
bei verwandtem Klang durch Hindeutung auf die Urbildungen der Sprache
geltend zu machen. Da fiele gerade der Widerſinn weg. Wenn Abraham
z. B. vermuthet, der verlorene Sohn werde wohl ein Irländer geweſen
ſeyn, und ihn mit der Donau vergleicht, die nach langen Reiſen in die
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/443>, abgerufen am 30.12.2024.
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