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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Zweite Vorlesung.
ganz regelmässig um die Gelenkflächen her. Je näher man bei
der Durchforschung des Gelenkknorpels der freien Oberfläche
kommt, (Fig. 22 a) um so kleiner werden die Zellen, und zuletzt
sieht man nichts weiter, als kleine, flach, linsenförmige Körper,
zwischen denen zuweilen ein leicht streifiges Aussehen der
Zwischensubstanz erscheint. Hier tritt also, ohne dass das
Gewebe aufhört, Knorpel zu sein, ein Typus auf, den wir viel
regelmässiger in Bindegewebsformationen antreffen, und es kann
leicht daraus die Vorstellung erwachsen, als sei der Gelenk-
knorpel noch mit einer besonderen Membran überzogen. Dies
ist jedoch nicht der Fall, es legt sich keine Synovialhaut über
den Knorpel; die Grenze gegen das Gelenk hin ist überall
vom Knorpel selbst gebildet. Die Synovialhaut fängt erst da
an, wo der Knorpel aufhört, am Knochenrande. Andererseits sehen
wir, dass an gewissen Stellen der Knorpel direct übergeht in
Formen, wo die Zellen sternförmig werden, und wo die end-
liche Anastomose der Elemente sich vorbereitet; endlich trifft
man Stellen, wo man nicht mehr sagen kann, wo das eine
Element aufhört und das andere anfängt: die Elemente hän-
gen direct mit einander zusammen, ohne dass eine Scheidungs-
linie der Membranen zu erkennen wäre. Wenn ein solcher
Fall eintritt, so wird der bis dahin gleichmässige hyaline Knor-
pel ungleichmässig, streifig, und man hat ihn schon seit lan-
ger Zeit Faserknorpel genannt.

Von diesen Formen unterscheidet man eine dritte Form,
den sogenannten Netzknorpel, so an Ohr und Nase, wo die
Elemente rund sind, aber eine eigenthümliche Art von dicken,
steifen Fasern um sie herum liegt, deren Entstehung noch nicht
ganz erforscht ist, die aber vielleicht durch Metamorphose der
Intercellularsubstanz entstehen.

Mit diesen verschiedenen Typen, welche der Knorpel in
seinen verschiedenen Localitäten darbietet, sind alle die Ver-
schiedenheiten gegeben, welche die übrigen Gewebe der Binde-
substanz darbieten. Es gibt auch wahres Bindegewebe mit
runden, mit langen und sternförmigen Zellen. Ebenso haben
wir z. B. innerhalb des eigenthümlichen Gewebes, welches ich
Schleimgewebe genannt habe, runde Zellen in einer hyali-
nen, oder spindelförmige in einer streifigen, oder netzförmige

Zweite Vorlesung.
ganz regelmässig um die Gelenkflächen her. Je näher man bei
der Durchforschung des Gelenkknorpels der freien Oberfläche
kommt, (Fig. 22 a) um so kleiner werden die Zellen, und zuletzt
sieht man nichts weiter, als kleine, flach, linsenförmige Körper,
zwischen denen zuweilen ein leicht streifiges Aussehen der
Zwischensubstanz erscheint. Hier tritt also, ohne dass das
Gewebe aufhört, Knorpel zu sein, ein Typus auf, den wir viel
regelmässiger in Bindegewebsformationen antreffen, und es kann
leicht daraus die Vorstellung erwachsen, als sei der Gelenk-
knorpel noch mit einer besonderen Membran überzogen. Dies
ist jedoch nicht der Fall, es legt sich keine Synovialhaut über
den Knorpel; die Grenze gegen das Gelenk hin ist überall
vom Knorpel selbst gebildet. Die Synovialhaut fängt erst da
an, wo der Knorpel aufhört, am Knochenrande. Andererseits sehen
wir, dass an gewissen Stellen der Knorpel direct übergeht in
Formen, wo die Zellen sternförmig werden, und wo die end-
liche Anastomose der Elemente sich vorbereitet; endlich trifft
man Stellen, wo man nicht mehr sagen kann, wo das eine
Element aufhört und das andere anfängt: die Elemente hän-
gen direct mit einander zusammen, ohne dass eine Scheidungs-
linie der Membranen zu erkennen wäre. Wenn ein solcher
Fall eintritt, so wird der bis dahin gleichmässige hyaline Knor-
pel ungleichmässig, streifig, und man hat ihn schon seit lan-
ger Zeit Faserknorpel genannt.

Von diesen Formen unterscheidet man eine dritte Form,
den sogenannten Netzknorpel, so an Ohr und Nase, wo die
Elemente rund sind, aber eine eigenthümliche Art von dicken,
steifen Fasern um sie herum liegt, deren Entstehung noch nicht
ganz erforscht ist, die aber vielleicht durch Metamorphose der
Intercellularsubstanz entstehen.

Mit diesen verschiedenen Typen, welche der Knorpel in
seinen verschiedenen Localitäten darbietet, sind alle die Ver-
schiedenheiten gegeben, welche die übrigen Gewebe der Binde-
substanz darbieten. Es gibt auch wahres Bindegewebe mit
runden, mit langen und sternförmigen Zellen. Ebenso haben
wir z. B. innerhalb des eigenthümlichen Gewebes, welches ich
Schleimgewebe genannt habe, runde Zellen in einer hyali-
nen, oder spindelförmige in einer streifigen, oder netzförmige

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[42/0064] Zweite Vorlesung. ganz regelmässig um die Gelenkflächen her. Je näher man bei der Durchforschung des Gelenkknorpels der freien Oberfläche kommt, (Fig. 22 a) um so kleiner werden die Zellen, und zuletzt sieht man nichts weiter, als kleine, flach, linsenförmige Körper, zwischen denen zuweilen ein leicht streifiges Aussehen der Zwischensubstanz erscheint. Hier tritt also, ohne dass das Gewebe aufhört, Knorpel zu sein, ein Typus auf, den wir viel regelmässiger in Bindegewebsformationen antreffen, und es kann leicht daraus die Vorstellung erwachsen, als sei der Gelenk- knorpel noch mit einer besonderen Membran überzogen. Dies ist jedoch nicht der Fall, es legt sich keine Synovialhaut über den Knorpel; die Grenze gegen das Gelenk hin ist überall vom Knorpel selbst gebildet. Die Synovialhaut fängt erst da an, wo der Knorpel aufhört, am Knochenrande. Andererseits sehen wir, dass an gewissen Stellen der Knorpel direct übergeht in Formen, wo die Zellen sternförmig werden, und wo die end- liche Anastomose der Elemente sich vorbereitet; endlich trifft man Stellen, wo man nicht mehr sagen kann, wo das eine Element aufhört und das andere anfängt: die Elemente hän- gen direct mit einander zusammen, ohne dass eine Scheidungs- linie der Membranen zu erkennen wäre. Wenn ein solcher Fall eintritt, so wird der bis dahin gleichmässige hyaline Knor- pel ungleichmässig, streifig, und man hat ihn schon seit lan- ger Zeit Faserknorpel genannt. Von diesen Formen unterscheidet man eine dritte Form, den sogenannten Netzknorpel, so an Ohr und Nase, wo die Elemente rund sind, aber eine eigenthümliche Art von dicken, steifen Fasern um sie herum liegt, deren Entstehung noch nicht ganz erforscht ist, die aber vielleicht durch Metamorphose der Intercellularsubstanz entstehen. Mit diesen verschiedenen Typen, welche der Knorpel in seinen verschiedenen Localitäten darbietet, sind alle die Ver- schiedenheiten gegeben, welche die übrigen Gewebe der Binde- substanz darbieten. Es gibt auch wahres Bindegewebe mit runden, mit langen und sternförmigen Zellen. Ebenso haben wir z. B. innerhalb des eigenthümlichen Gewebes, welches ich Schleimgewebe genannt habe, runde Zellen in einer hyali- nen, oder spindelförmige in einer streifigen, oder netzförmige

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/64>, abgerufen am 26.04.2024.