Die Vorlesungen, welche ich hiermit dem weiteren ärztlichen Publicum vorlege, wurden im Anfange dieses Jahres vor einem grösseren Kreise von Col- legen, zumeist praktischen Aerzten Berlin's, in dem neuen pathologischen Institute der Universität ge- halten. Sie verfolgten hauptsächlich den Zweck, im Anschlusse an eine möglichst ausgedehnte Reihe von mikroskopischen Demonstrationen eine zusammenhän- gende Erläuterung derjenigen Erfahrungen zu geben, auf welchen gegenwärtig nach meiner Auffassung die biologische Doctrin zu begründen und aus welchen auch die pathologische Theorie zu gestalten ist. Sie sollten insbesondere in einer mehr geordneten Weise, als dies bisher geschehen war, eine Anschauung von der cellularen Natur aller Lebenserscheinungen, der physiologischen und pathologischen, der thierischen und pflanzlichen zu liefern versuchen, um gegenüber den einseitigen humoralen und neuristischen (solidaren) Neigungen, welche sich aus den Mythen des Alter- thums bis in unsere Zeit fortgeflanzt haben, die Ein- heit des Lebens in allem Organischen wieder dem Be- wusstsein näher zu bringen, und zugleich den ebenso einseitigen Deutungen einer grob-mechanischen und chemischen Richtung die feinere Mechanik und Chemie der Zelle entgegen zu halten.
Vorrede.
Die Vorlesungen, welche ich hiermit dem weiteren ärztlichen Publicum vorlege, wurden im Anfange dieses Jahres vor einem grösseren Kreise von Col- legen, zumeist praktischen Aerzten Berlin’s, in dem neuen pathologischen Institute der Universität ge- halten. Sie verfolgten hauptsächlich den Zweck, im Anschlusse an eine möglichst ausgedehnte Reihe von mikroskopischen Demonstrationen eine zusammenhän- gende Erläuterung derjenigen Erfahrungen zu geben, auf welchen gegenwärtig nach meiner Auffassung die biologische Doctrin zu begründen und aus welchen auch die pathologische Theorie zu gestalten ist. Sie sollten insbesondere in einer mehr geordneten Weise, als dies bisher geschehen war, eine Anschauung von der cellularen Natur aller Lebenserscheinungen, der physiologischen und pathologischen, der thierischen und pflanzlichen zu liefern versuchen, um gegenüber den einseitigen humoralen und neuristischen (solidaren) Neigungen, welche sich aus den Mythen des Alter- thums bis in unsere Zeit fortgeflanzt haben, die Ein- heit des Lebens in allem Organischen wieder dem Be- wusstsein näher zu bringen, und zugleich den ebenso einseitigen Deutungen einer grob-mechanischen und chemischen Richtung die feinere Mechanik und Chemie der Zelle entgegen zu halten.
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[[V]/0011]
Vorrede.
Die Vorlesungen, welche ich hiermit dem weiteren
ärztlichen Publicum vorlege, wurden im Anfange
dieses Jahres vor einem grösseren Kreise von Col-
legen, zumeist praktischen Aerzten Berlin’s, in dem
neuen pathologischen Institute der Universität ge-
halten. Sie verfolgten hauptsächlich den Zweck, im
Anschlusse an eine möglichst ausgedehnte Reihe von
mikroskopischen Demonstrationen eine zusammenhän-
gende Erläuterung derjenigen Erfahrungen zu geben,
auf welchen gegenwärtig nach meiner Auffassung die
biologische Doctrin zu begründen und aus welchen
auch die pathologische Theorie zu gestalten ist. Sie
sollten insbesondere in einer mehr geordneten Weise,
als dies bisher geschehen war, eine Anschauung von
der cellularen Natur aller Lebenserscheinungen, der
physiologischen und pathologischen, der thierischen
und pflanzlichen zu liefern versuchen, um gegenüber
den einseitigen humoralen und neuristischen (solidaren)
Neigungen, welche sich aus den Mythen des Alter-
thums bis in unsere Zeit fortgeflanzt haben, die Ein-
heit des Lebens in allem Organischen wieder dem Be-
wusstsein näher zu bringen, und zugleich den ebenso
einseitigen Deutungen einer grob-mechanischen und
chemischen Richtung die feinere Mechanik und Chemie
der Zelle entgegen zu halten.
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/11>, abgerufen am 21.12.2024.
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