macht sie unedel so viel an ihr ist. So mit dem Schönsten bis jetzt. Drum weiter!
Sommer 1825.
Freiheit haben, ist nur das, was wir nothwendig gebrau- chen, um das sein zu können, was wir eigentlich sein sollten; und zu haben, was wir eigentlich haben sollten. Dies ist daran genau zu wissen, wenn wir uns besinnen, was wir uns ganz im Grunde wünschen; und bedenken, woran, und wo- durch wir verhindert sind. An diese Betrachtung schließt sich gleich die über den Grund aller Lüge an. Der erste Mangel an Freiheit besteht darin, daß wir nicht sagen dürfen, was wir wünschen, und was uns fehlt. Im heimlichen Gebet sa- gen wir es unserm Gott: oder er weiß es ohnedies; in der Welt aber lügen, oder wenigstens verheimlichen wir. Daran schließt sich wieder der Gedanke: daß nur der unser Freund sein kann, dem wir uns ganz zeigen dürfen: und, daß, wenn einer belogen wird, er selbst daran schuld ist: verdient einer auch jedes Zutrauen, so muß er auch noch die Gabe haben, es einzuflößen, es hervorzulocken. Lieben können wir nur den, der dies vermag. Er verbirgt, er verdoppelt unsre Exi- stenz. Tiefstes Bedürfniß aller Geselligkeit. Zweck und Grund der Sprache. --
III. 14
macht ſie unedel ſo viel an ihr iſt. So mit dem Schönſten bis jetzt. Drum weiter!
Sommer 1825.
Freiheit haben, iſt nur das, was wir nothwendig gebrau- chen, um das ſein zu können, was wir eigentlich ſein ſollten; und zu haben, was wir eigentlich haben ſollten. Dies iſt daran genau zu wiſſen, wenn wir uns beſinnen, was wir uns ganz im Grunde wünſchen; und bedenken, woran, und wo- durch wir verhindert ſind. An dieſe Betrachtung ſchließt ſich gleich die über den Grund aller Lüge an. Der erſte Mangel an Freiheit beſteht darin, daß wir nicht ſagen dürfen, was wir wünſchen, und was uns fehlt. Im heimlichen Gebet ſa- gen wir es unſerm Gott: oder er weiß es ohnedies; in der Welt aber lügen, oder wenigſtens verheimlichen wir. Daran ſchließt ſich wieder der Gedanke: daß nur der unſer Freund ſein kann, dem wir uns ganz zeigen dürfen: und, daß, wenn einer belogen wird, er ſelbſt daran ſchuld iſt: verdient einer auch jedes Zutrauen, ſo muß er auch noch die Gabe haben, es einzuflößen, es hervorzulocken. Lieben können wir nur den, der dies vermag. Er verbirgt, er verdoppelt unſre Exi- ſtenz. Tiefſtes Bedürfniß aller Geſelligkeit. Zweck und Grund der Sprache. —
III. 14
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macht ſie unedel ſo viel an ihr iſt. So mit dem Schönſten
bis jetzt. Drum weiter!
Sommer 1825.
Freiheit haben, iſt nur das, was wir nothwendig gebrau-
chen, um das ſein zu können, was wir eigentlich ſein ſollten;
und zu haben, was wir eigentlich haben ſollten. Dies iſt
daran genau zu wiſſen, wenn wir uns beſinnen, was wir uns
ganz im Grunde wünſchen; und bedenken, woran, und wo-
durch wir verhindert ſind. An dieſe Betrachtung ſchließt ſich
gleich die über den Grund aller Lüge an. Der erſte Mangel
an Freiheit beſteht darin, daß wir nicht ſagen dürfen, was
wir wünſchen, und was uns fehlt. Im heimlichen Gebet ſa-
gen wir es unſerm Gott: oder er weiß es ohnedies; in der
Welt aber lügen, oder wenigſtens verheimlichen wir. Daran
ſchließt ſich wieder der Gedanke: daß nur der unſer Freund
ſein kann, dem wir uns ganz zeigen dürfen: und, daß, wenn
einer belogen wird, er ſelbſt daran ſchuld iſt: verdient einer
auch jedes Zutrauen, ſo muß er auch noch die Gabe haben,
es einzuflößen, es hervorzulocken. Lieben können wir nur
den, der dies vermag. Er verbirgt, er verdoppelt unſre Exi-
ſtenz. Tiefſtes Bedürfniß aller Geſelligkeit. Zweck und Grund
der Sprache. —
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/217>, abgerufen am 22.12.2024.
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