Gebet und Gelübde muß so etwas aus der Seele strömen; dann wird man nicht alle Mythologien der Welt spuken las- sen, sondern vom Nächsten, was vorgeht und geschehen muß, für alles Volk, welches wenig weiß, aber immer versteht was recht ist, wenn man's ihm ausspricht, verständlich, eindring- lich und nützlich sein. Dies wollte doch Frau von ** gewiß: und wie weit entlief sie den Kraftmitteln zu diesem Zwecke! -- Als im Anfang durch einige Herren der Stadt bei mir zuerst ersonnen war, daß Frauen hier ein Lazareth stiften soll- ten, wozu wir dreißig Vorsteherinnen aus allen Ständen und Religionen gewählt hatten, welche die Prinzessinnen um ihr Präsidium bitten sollten, faßte ich das ab, was diese dreißig in die Zeitungen sollten setzen lassen. Zwar nur den Anfang von vier Seiten, wie die hier sind; Graf Eglöffstein, Mar- witz und Ludwig und ich arbeiteten es dann bei mir um: dies war anders. Ich schicke dir diesen Anfang nächstens. Heute ist mein Kopf zu erhitzt, ihn abzuschreiben. Ein Kon- seil von Herren hat eine Änderung hineingebracht, die mir nicht gefällt. Geld kommt aber viel zusammen. --
An Varnhagen, in Hamburg.
Berlin, den 20. April 1813.
Dienstag Morgen 11 Uhr, bei kühlem stürmischen Wetter, welches, ich fürchte, den Blüthen schadet, die schon heraus sind; obgleich nicht die meisten.
-- Diesen Morgen muß ich noch nach Hemden laufen, die Markus giebt: ich muß es, weil ich mich keine Mühe.
Gebet und Gelübde muß ſo etwas aus der Seele ſtrömen; dann wird man nicht alle Mythologien der Welt ſpuken laſ- ſen, ſondern vom Nächſten, was vorgeht und geſchehen muß, für alles Volk, welches wenig weiß, aber immer verſteht was recht iſt, wenn man’s ihm ausſpricht, verſtändlich, eindring- lich und nützlich ſein. Dies wollte doch Frau von ** gewiß: und wie weit entlief ſie den Kraftmitteln zu dieſem Zwecke! — Als im Anfang durch einige Herren der Stadt bei mir zuerſt erſonnen war, daß Frauen hier ein Lazareth ſtiften ſoll- ten, wozu wir dreißig Vorſteherinnen aus allen Ständen und Religionen gewählt hatten, welche die Prinzeſſinnen um ihr Präſidium bitten ſollten, faßte ich das ab, was dieſe dreißig in die Zeitungen ſollten ſetzen laſſen. Zwar nur den Anfang von vier Seiten, wie die hier ſind; Graf Eglöffſtein, Mar- witz und Ludwig und ich arbeiteten es dann bei mir um: dies war anders. Ich ſchicke dir dieſen Anfang nächſtens. Heute iſt mein Kopf zu erhitzt, ihn abzuſchreiben. Ein Kon- ſeil von Herren hat eine Änderung hineingebracht, die mir nicht gefällt. Geld kommt aber viel zuſammen. —
An Varnhagen, in Hamburg.
Berlin, den 20. April 1813.
Dienstag Morgen 11 Uhr, bei kühlem ſtürmiſchen Wetter, welches, ich fürchte, den Blüthen ſchadet, die ſchon heraus ſind; obgleich nicht die meiſten.
— Dieſen Morgen muß ich noch nach Hemden laufen, die Markus giebt: ich muß es, weil ich mich keine Mühe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0098"n="90"/>
Gebet und Gelübde muß ſo etwas aus der Seele ſtrömen;<lb/>
dann wird man nicht alle Mythologien der Welt ſpuken laſ-<lb/>ſen, ſondern vom Nächſten, was vorgeht und geſchehen muß,<lb/>
für alles Volk, welches wenig weiß, aber immer verſteht was<lb/>
recht iſt, wenn man’s ihm ausſpricht, verſtändlich, eindring-<lb/>
lich und nützlich ſein. Dies wollte doch Frau von ** gewiß:<lb/>
und wie weit entlief ſie den Kraftmitteln zu dieſem Zwecke!<lb/>— Als im Anfang durch einige Herren der Stadt bei mir<lb/>
zuerſt erſonnen war, daß Frauen hier ein Lazareth ſtiften ſoll-<lb/>
ten, wozu wir dreißig Vorſteherinnen aus allen Ständen und<lb/>
Religionen gewählt hatten, welche die Prinzeſſinnen um ihr<lb/>
Präſidium bitten ſollten, faßte ich das ab, was dieſe dreißig<lb/>
in die Zeitungen ſollten ſetzen laſſen. Zwar nur den Anfang<lb/>
von vier Seiten, wie die hier ſind; Graf Eglöffſtein, Mar-<lb/>
witz und Ludwig und ich arbeiteten es dann bei mir um:<lb/>
dies war anders. Ich ſchicke dir dieſen Anfang <hirendition="#g">nächſtens</hi>.<lb/>
Heute iſt mein Kopf zu erhitzt, ihn abzuſchreiben. Ein Kon-<lb/>ſeil von Herren hat eine Änderung hineingebracht, die mir<lb/>
nicht gefällt. Geld kommt aber viel zuſammen. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#et">An Varnhagen, in Hamburg.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 20. April 1813.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#et">Dienstag Morgen 11 Uhr, bei kühlem ſtürmiſchen Wetter,<lb/>
welches, ich fürchte, den Blüthen ſchadet, die ſchon<lb/>
heraus ſind; obgleich nicht die meiſten.</hi></p><lb/><p>— Dieſen Morgen muß ich noch nach Hemden laufen,<lb/>
die Markus giebt: <hirendition="#g">ich</hi> muß es, weil ich mich keine Mühe.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[90/0098]
Gebet und Gelübde muß ſo etwas aus der Seele ſtrömen;
dann wird man nicht alle Mythologien der Welt ſpuken laſ-
ſen, ſondern vom Nächſten, was vorgeht und geſchehen muß,
für alles Volk, welches wenig weiß, aber immer verſteht was
recht iſt, wenn man’s ihm ausſpricht, verſtändlich, eindring-
lich und nützlich ſein. Dies wollte doch Frau von ** gewiß:
und wie weit entlief ſie den Kraftmitteln zu dieſem Zwecke!
— Als im Anfang durch einige Herren der Stadt bei mir
zuerſt erſonnen war, daß Frauen hier ein Lazareth ſtiften ſoll-
ten, wozu wir dreißig Vorſteherinnen aus allen Ständen und
Religionen gewählt hatten, welche die Prinzeſſinnen um ihr
Präſidium bitten ſollten, faßte ich das ab, was dieſe dreißig
in die Zeitungen ſollten ſetzen laſſen. Zwar nur den Anfang
von vier Seiten, wie die hier ſind; Graf Eglöffſtein, Mar-
witz und Ludwig und ich arbeiteten es dann bei mir um:
dies war anders. Ich ſchicke dir dieſen Anfang nächſtens.
Heute iſt mein Kopf zu erhitzt, ihn abzuſchreiben. Ein Kon-
ſeil von Herren hat eine Änderung hineingebracht, die mir
nicht gefällt. Geld kommt aber viel zuſammen. —
An Varnhagen, in Hamburg.
Berlin, den 20. April 1813.
Dienstag Morgen 11 Uhr, bei kühlem ſtürmiſchen Wetter,
welches, ich fürchte, den Blüthen ſchadet, die ſchon
heraus ſind; obgleich nicht die meiſten.
— Dieſen Morgen muß ich noch nach Hemden laufen,
die Markus giebt: ich muß es, weil ich mich keine Mühe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/98>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.