mir immer ein Räthsel, nie läßt er ihn satt werden von im- mer in der Tiefe gefundener Wahrheit, hinauf muß er wieder, und kosten an jede Verwirrung, die sie deckt. Wie Frau von Stael arbeitet er mit den besten Dingen und Worten, erhitzt umher: und kunststill, gebetstill, unschuldsstill werden sie nie. Das erhitzt mich so bei ihnen. Steffens muß ich aber doch ehrlich nennen. Aber seine Lektüren sind ihm, was ihr, der Frau von Stael, ihre Salons sind.
Lesen Sie auch eine kleine Broschüre sur la notion du temps von Francois Baader, und sehen, was man, und in wel- chem Französisch, dem russischen Minister du culte zumuthet. Das hat der arme Saint-Martin nicht gedacht! S. 21. ist eine herrliche Stelle von ihm angeführt.
Wäre es Sommer, wir in einem Blumenthal, eine italiä- nische Oper nicht weit, schöne großen Kirchen nah, hübsche Menschen um uns, wir sprächen von andern Dingen! Adieu! Grüßen Sie tausendmal Mad. Lindner! Auch Mad. Brede. Liebe, Blumen, Musik; Luft, Wald, Feld, Sommer, Vögel- sang: und Intriguen, die sich darauf beziehen, wenn es denn welche sein sollen! Adieu, adieu.
Ihre R.
Von hier ist nichts zu schreiben; also ist mein Brief sehr viel: denn aus dem Ärmel schüttlen ist eine schwere Kunst.
An Friedrich August von Stägemann, in Berlin.
Karlsruhe, den 31. December 1818.
Ich hoffe die Ihrigen sind längst von ihren Üblen und Unpäßlichkeiten geheilt, da es nun schon etwas lange her ist,
und
mir immer ein Räthſel, nie läßt er ihn ſatt werden von im- mer in der Tiefe gefundener Wahrheit, hinauf muß er wieder, und koſten an jede Verwirrung, die ſie deckt. Wie Frau von Staël arbeitet er mit den beſten Dingen und Worten, erhitzt umher: und kunſtſtill, gebetſtill, unſchuldsſtill werden ſie nie. Das erhitzt mich ſo bei ihnen. Steffens muß ich aber doch ehrlich nennen. Aber ſeine Lektüren ſind ihm, was ihr, der Frau von Staël, ihre Salons ſind.
Leſen Sie auch eine kleine Broſchüre sur la notion du temps von François Baader, und ſehen, was man, und in wel- chem Franzöſiſch, dem ruſſiſchen Miniſter du culte zumuthet. Das hat der arme Saint-Martin nicht gedacht! S. 21. iſt eine herrliche Stelle von ihm angeführt.
Wäre es Sommer, wir in einem Blumenthal, eine italiä- niſche Oper nicht weit, ſchöne großen Kirchen nah, hübſche Menſchen um uns, wir ſprächen von andern Dingen! Adieu! Grüßen Sie tauſendmal Mad. Lindner! Auch Mad. Brede. Liebe, Blumen, Muſik; Luft, Wald, Feld, Sommer, Vögel- ſang: und Intriguen, die ſich darauf beziehen, wenn es denn welche ſein ſollen! Adieu, adieu.
Ihre R.
Von hier iſt nichts zu ſchreiben; alſo iſt mein Brief ſehr viel: denn aus dem Ärmel ſchüttlen iſt eine ſchwere Kunſt.
An Friedrich Auguſt von Stägemann, in Berlin.
Karlsruhe, den 31. December 1818.
Ich hoffe die Ihrigen ſind längſt von ihren Üblen und Unpäßlichkeiten geheilt, da es nun ſchon etwas lange her iſt,
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mir immer ein Räthſel, nie läßt er ihn ſatt werden von im-
mer in der Tiefe gefundener Wahrheit, hinauf muß er wieder,
und koſten an jede Verwirrung, die ſie deckt. Wie Frau von
Staël arbeitet er mit den beſten Dingen und Worten, erhitzt
umher: und kunſtſtill, gebetſtill, unſchuldsſtill werden ſie nie.
Das erhitzt mich ſo bei ihnen. Steffens muß ich aber doch
ehrlich nennen. Aber ſeine Lektüren ſind ihm, was ihr, der
Frau von Staël, ihre Salons ſind.
Leſen Sie auch eine kleine Broſchüre sur la notion du
temps von François Baader, und ſehen, was man, und in wel-
chem Franzöſiſch, dem ruſſiſchen Miniſter du culte zumuthet.
Das hat der arme Saint-Martin nicht gedacht! S. 21. iſt
eine herrliche Stelle von ihm angeführt.
Wäre es Sommer, wir in einem Blumenthal, eine italiä-
niſche Oper nicht weit, ſchöne großen Kirchen nah, hübſche
Menſchen um uns, wir ſprächen von andern Dingen! Adieu!
Grüßen Sie tauſendmal Mad. Lindner! Auch Mad. Brede.
Liebe, Blumen, Muſik; Luft, Wald, Feld, Sommer, Vögel-
ſang: und Intriguen, die ſich darauf beziehen, wenn es
denn welche ſein ſollen! Adieu, adieu.
Ihre R.
Von hier iſt nichts zu ſchreiben; alſo iſt mein Brief ſehr
viel: denn aus dem Ärmel ſchüttlen iſt eine ſchwere Kunſt.
An Friedrich Auguſt von Stägemann, in Berlin.
Karlsruhe, den 31. December 1818.
Ich hoffe die Ihrigen ſind längſt von ihren Üblen und
Unpäßlichkeiten geheilt, da es nun ſchon etwas lange her iſt,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/568>, abgerufen am 21.11.2024.
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