Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr grade in Kleinigkeiten das Leben lieb: das sind grade die
unbenannten Hauptsachen. Machen Sie sich so viel Plaisir,
als Sie können, Ernestinchen, einer so sittlich lieben Tochter
kann man schon so zureden. Ich bleibe einmal Ihr Stangen-
halter. -- Adieu Kinder, ich sehne mich sehr, und sehr oft,
bei allen Gelegenheiten, nach euch, bald nach Einem bald
nach dem Andern, nach seinen Gelegenheiten. Küssen Sie den
blonden Ferdinand.



An Auguste Brede, in Stuttgart.

-- Sehen Sie, daß es nicht so blieb? Nur kein kleines,
verknittertes Schicksal, welches so seinen Gang ohne Titel und
Namen geht; das wird man nie los: wenn es uns aber so
Einmal derb um eine Ecke herumschleudert, und man nur den
Stoß fühlt, und gar nicht weiß wo man hinkommen kann:
so ist jenseits wieder Welt und Ereigniß; und liegen wir ja
da, so ist's ein namentlicher Unglücksfall; das Volk läuft zu-
sammen und hilft.

-- Ich bin trocken, und daher verdrießlich in der Seele;
mich melirt nichts auf, -- wie der Herzog von Weimar sagt. --
Es ist viel drüber zu sagen, drum muß ich schweigen. "Mit
mir ist's aus, mit mir hat's ein End, Husar muß ich werden
im Leibregiment!" hört' ich Einmal, in westphälischen Zeiten,
in rührender, lustiger Melodie einen Rekruten in Magdeburg
singen. Die Sonne schien hell auf ihn, in einem gedrängten

ihr grade in Kleinigkeiten das Leben lieb: das ſind grade die
unbenannten Hauptſachen. Machen Sie ſich ſo viel Plaiſir,
als Sie können, Erneſtinchen, einer ſo ſittlich lieben Tochter
kann man ſchon ſo zureden. Ich bleibe einmal Ihr Stangen-
halter. — Adieu Kinder, ich ſehne mich ſehr, und ſehr oft,
bei allen Gelegenheiten, nach euch, bald nach Einem bald
nach dem Andern, nach ſeinen Gelegenheiten. Küſſen Sie den
blonden Ferdinand.



An Auguſte Brede, in Stuttgart.

— Sehen Sie, daß es nicht ſo blieb? Nur kein kleines,
verknittertes Schickſal, welches ſo ſeinen Gang ohne Titel und
Namen geht; das wird man nie los: wenn es uns aber ſo
Einmal derb um eine Ecke herumſchleudert, und man nur den
Stoß fühlt, und gar nicht weiß wo man hinkommen kann:
ſo iſt jenſeits wieder Welt und Ereigniß; und liegen wir ja
da, ſo iſt’s ein namentlicher Unglücksfall; das Volk läuft zu-
ſammen und hilft.

— Ich bin trocken, und daher verdrießlich in der Seele;
mich melirt nichts auf, — wie der Herzog von Weimar ſagt. —
Es iſt viel drüber zu ſagen, drum muß ich ſchweigen. „Mit
mir iſt’s aus, mit mir hat’s ein End, Huſar muß ich werden
im Leibregiment!“ hört’ ich Einmal, in weſtphäliſchen Zeiten,
in rührender, luſtiger Melodie einen Rekruten in Magdeburg
ſingen. Die Sonne ſchien hell auf ihn, in einem gedrängten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0527" n="519"/>
ihr grade in Kleinigkeiten das Leben lieb: das &#x017F;ind grade die<lb/>
unbenannten Haupt&#x017F;achen. Machen Sie &#x017F;ich &#x017F;o viel Plai&#x017F;ir,<lb/>
als Sie können, Erne&#x017F;tinchen, einer &#x017F;o &#x017F;ittlich lieben Tochter<lb/>
kann man &#x017F;chon &#x017F;o zureden. Ich bleibe einmal Ihr Stangen-<lb/>
halter. &#x2014; Adieu Kinder, ich &#x017F;ehne mich &#x017F;ehr, und <hi rendition="#g">&#x017F;ehr</hi> oft,<lb/>
bei allen Gelegenheiten, nach euch, bald nach Einem bald<lb/>
nach dem Andern, nach &#x017F;einen Gelegenheiten. Kü&#x017F;&#x017F;en Sie den<lb/>
blonden Ferdinand.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Augu&#x017F;te Brede, in Stuttgart.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Karlsruhe, den 5. Januar 1818.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x2014; Sehen Sie, daß es nicht &#x017F;o blieb? Nur kein kleines,<lb/>
verknittertes Schick&#x017F;al, welches &#x017F;o &#x017F;einen Gang ohne Titel und<lb/>
Namen geht; das wird man nie los: wenn es uns aber &#x017F;o<lb/>
Einmal derb um eine Ecke herum&#x017F;chleudert, und man nur den<lb/>
Stoß fühlt, und gar nicht weiß wo man hinkommen kann:<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t jen&#x017F;eits wieder Welt und Ereigniß; und liegen wir ja<lb/>
da, &#x017F;o i&#x017F;t&#x2019;s ein namentlicher Unglücksfall; das Volk läuft zu-<lb/>
&#x017F;ammen und hilft.</p><lb/>
            <p>&#x2014; Ich bin trocken, und daher verdrießlich in der Seele;<lb/>
mich melirt nichts auf, &#x2014; wie der Herzog von Weimar &#x017F;agt. &#x2014;<lb/>
Es i&#x017F;t viel drüber zu &#x017F;agen, drum muß ich &#x017F;chweigen. &#x201E;Mit<lb/>
mir i&#x017F;t&#x2019;s aus, mit mir hat&#x2019;s ein End, Hu&#x017F;ar muß ich werden<lb/>
im Leibregiment!&#x201C; hört&#x2019; ich Einmal, in we&#x017F;tphäli&#x017F;chen Zeiten,<lb/>
in rührender, lu&#x017F;tiger Melodie einen Rekruten in Magdeburg<lb/>
&#x017F;ingen. Die Sonne &#x017F;chien hell auf ihn, in einem gedrängten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[519/0527] ihr grade in Kleinigkeiten das Leben lieb: das ſind grade die unbenannten Hauptſachen. Machen Sie ſich ſo viel Plaiſir, als Sie können, Erneſtinchen, einer ſo ſittlich lieben Tochter kann man ſchon ſo zureden. Ich bleibe einmal Ihr Stangen- halter. — Adieu Kinder, ich ſehne mich ſehr, und ſehr oft, bei allen Gelegenheiten, nach euch, bald nach Einem bald nach dem Andern, nach ſeinen Gelegenheiten. Küſſen Sie den blonden Ferdinand. An Auguſte Brede, in Stuttgart. Karlsruhe, den 5. Januar 1818. — Sehen Sie, daß es nicht ſo blieb? Nur kein kleines, verknittertes Schickſal, welches ſo ſeinen Gang ohne Titel und Namen geht; das wird man nie los: wenn es uns aber ſo Einmal derb um eine Ecke herumſchleudert, und man nur den Stoß fühlt, und gar nicht weiß wo man hinkommen kann: ſo iſt jenſeits wieder Welt und Ereigniß; und liegen wir ja da, ſo iſt’s ein namentlicher Unglücksfall; das Volk läuft zu- ſammen und hilft. — Ich bin trocken, und daher verdrießlich in der Seele; mich melirt nichts auf, — wie der Herzog von Weimar ſagt. — Es iſt viel drüber zu ſagen, drum muß ich ſchweigen. „Mit mir iſt’s aus, mit mir hat’s ein End, Huſar muß ich werden im Leibregiment!“ hört’ ich Einmal, in weſtphäliſchen Zeiten, in rührender, luſtiger Melodie einen Rekruten in Magdeburg ſingen. Die Sonne ſchien hell auf ihn, in einem gedrängten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/527
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/527>, abgerufen am 21.11.2024.