Robert ist noch nicht da. Varnhagen grüßt dich sehr. Ich umarme dich herzlich.
Deine treue R.
Karlsruhe, Mittwoch den 28. Mai 1817.
Kühlstes, unaufhörliches Regenwetter.
-- So lange man noch auf derselben Erdkugel lebt, und sich nach einander erkundigen kann, will ich es auch thun; da ich ohnehin gesonnen bin, mich nur zum Verklagtwerden, aber nicht zum Klagen, am jüngsten Tage zu stellen! -- Miß- verstehen Sie mich auch nicht! dies geschieht nicht aus Groß- muth, aber aus Überdruß: Ekel; ich mag die alten Höllen- geschichten und Erinnrungsempfindungen, nicht noch Einmal durchgehen, auch mache ich mir aus keinem Rechtkriegen mehr etwas, was mir nicht mehr dienen kann, außer zum Recht; so hatte ich's hier auch schon; und alles, was zu alt ist, zu lange dauert, gefällt mir nicht mehr. Also will ich mich nur stellen, wo ich's vermeiden kann, -- und den Himmel -- oder ein Künftiges -- als Himmel ansehen, und annehmen. --
-- Sehr gerne ging auch ich seit Jahren nach Karlsbad; aber ich kann nichts. Gewiß meine Schuld: es läßt sich nicht vereinigen, Andern alles recht zu machen, und auch sich selbst. Ich kann eher die Grimassen meines eignen Herzens aushalten, als die der Personen, mit denen ich zu thun habe: wenn sie sie auch für mich aushalten wollen!
1817.
-- Gerne lasse ich mich beurtheilen; schon als Kind wünscht' ich mir oft den jüngsten Tag nah, damit alles Un-
recht
Robert iſt noch nicht da. Varnhagen grüßt dich ſehr. Ich umarme dich herzlich.
Deine treue R.
Karlsruhe, Mittwoch den 28. Mai 1817.
Kühlſtes, unaufhörliches Regenwetter.
— So lange man noch auf derſelben Erdkugel lebt, und ſich nach einander erkundigen kann, will ich es auch thun; da ich ohnehin geſonnen bin, mich nur zum Verklagtwerden, aber nicht zum Klagen, am jüngſten Tage zu ſtellen! — Miß- verſtehen Sie mich auch nicht! dies geſchieht nicht aus Groß- muth, aber aus Überdruß: Ekel; ich mag die alten Höllen- geſchichten und Erinnrungsempfindungen, nicht noch Einmal durchgehen, auch mache ich mir aus keinem Rechtkriegen mehr etwas, was mir nicht mehr dienen kann, außer zum Recht; ſo hatte ich’s hier auch ſchon; und alles, was zu alt iſt, zu lange dauert, gefällt mir nicht mehr. Alſo will ich mich nur ſtellen, wo ich’s vermeiden kann, — und den Himmel — oder ein Künftiges — als Himmel anſehen, und annehmen. —
— Sehr gerne ging auch ich ſeit Jahren nach Karlsbad; aber ich kann nichts. Gewiß meine Schuld: es läßt ſich nicht vereinigen, Andern alles recht zu machen, und auch ſich ſelbſt. Ich kann eher die Grimaſſen meines eignen Herzens aushalten, als die der Perſonen, mit denen ich zu thun habe: wenn ſie ſie auch für mich aushalten wollen!
1817.
— Gerne laſſe ich mich beurtheilen; ſchon als Kind wünſcht’ ich mir oft den jüngſten Tag nah, damit alles Un-
recht
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Robert iſt noch nicht da. Varnhagen grüßt dich ſehr. Ich
umarme dich herzlich.
Deine treue R.
Karlsruhe, Mittwoch den 28. Mai 1817.
Kühlſtes, unaufhörliches Regenwetter.
— So lange man noch auf derſelben Erdkugel lebt, und
ſich nach einander erkundigen kann, will ich es auch thun;
da ich ohnehin geſonnen bin, mich nur zum Verklagtwerden,
aber nicht zum Klagen, am jüngſten Tage zu ſtellen! — Miß-
verſtehen Sie mich auch nicht! dies geſchieht nicht aus Groß-
muth, aber aus Überdruß: Ekel; ich mag die alten Höllen-
geſchichten und Erinnrungsempfindungen, nicht noch Einmal
durchgehen, auch mache ich mir aus keinem Rechtkriegen mehr
etwas, was mir nicht mehr dienen kann, außer zum Recht;
ſo hatte ich’s hier auch ſchon; und alles, was zu alt iſt, zu
lange dauert, gefällt mir nicht mehr. Alſo will ich mich nur
ſtellen, wo ich’s vermeiden kann, — und den Himmel — oder
ein Künftiges — als Himmel anſehen, und annehmen. —
— Sehr gerne ging auch ich ſeit Jahren nach Karlsbad;
aber ich kann nichts. Gewiß meine Schuld: es läßt ſich
nicht vereinigen, Andern alles recht zu machen, und auch ſich
ſelbſt. Ich kann eher die Grimaſſen meines eignen Herzens
aushalten, als die der Perſonen, mit denen ich zu thun habe:
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1817.
— Gerne laſſe ich mich beurtheilen; ſchon als Kind
wünſcht’ ich mir oft den jüngſten Tag nah, damit alles Un-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/472>, abgerufen am 21.11.2024.
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