Freunde, Nichten, Geschwister nicht verschmerzen! und beson- ders, wenn ich Schönes sah, und Mittheilungswerthes, mußte ich weinen, oder zum wenigsten mein Herz! So ist mein Le- ben, welches benannt werden kann. --
-- Die Gesellschaft hier ist nicht unfreundlich, nicht un- zufrieden mit mir: aber man sieht sich hier durchaus nicht häuslich, und wie in Norddeutschland, oder auch andern Hö- fen. Sondern gebeten, geputzt, mit Vielen. Dazu bin ich nicht jung, nicht gesund, und nicht reich genug. Hier ist ein Kleiderluxus wie am größten Hof; und überhaupt, wie jetzt allenthalben, bei der gespannten Finanznoth. Nun ich älter bin: nun soll ich die Dame vorstellen: nun alle Eitelkeit aus meinem Herzen gemerzt ist. Diese Klage par parenthese. -- Zu sparen weiß ich nur an mir selbst. Ungeneröse, und hart- herzig jetzt, kann ich mich nicht machen. Nun kein Wort mehr! Heute kommt Robert von Stuttgart, das freut mich; in wenigen Tagen Tettenborns von Mannheim, das freut mich auch. -- (Hier war ich lange unterbrochen von Fräulein Reden; diese Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter, ist mir hier ein großer Trost.) --
Karlsruhe, den 1. Mai 1817.
Phantasus. Von Tieck. Bd. 3. S. 518. "Wir haben also in Deutschland, sagte Manfred, treffliche Künstler gehabt, besitzen noch einige, und hoffentlich werden neue ent- stehn." Meinem theuern, vielgeliebten Tieck schreib' ich hier noch hinzu, daß wir jetzt noch in Mannheim zwei Meister besitzen, die, auf Flecks Weise, sonst unbedeutende Lustspiele
Freunde, Nichten, Geſchwiſter nicht verſchmerzen! und beſon- ders, wenn ich Schönes ſah, und Mittheilungswerthes, mußte ich weinen, oder zum wenigſten mein Herz! So iſt mein Le- ben, welches benannt werden kann. —
— Die Geſellſchaft hier iſt nicht unfreundlich, nicht un- zufrieden mit mir: aber man ſieht ſich hier durchaus nicht häuslich, und wie in Norddeutſchland, oder auch andern Hö- fen. Sondern gebeten, geputzt, mit Vielen. Dazu bin ich nicht jung, nicht geſund, und nicht reich genug. Hier iſt ein Kleiderluxus wie am größten Hof; und überhaupt, wie jetzt allenthalben, bei der geſpannten Finanznoth. Nun ich älter bin: nun ſoll ich die Dame vorſtellen: nun alle Eitelkeit aus meinem Herzen gemerzt iſt. Dieſe Klage par parenthèse. — Zu ſparen weiß ich nur an mir ſelbſt. Ungeneröſe, und hart- herzig jetzt, kann ich mich nicht machen. Nun kein Wort mehr! Heute kommt Robert von Stuttgart, das freut mich; in wenigen Tagen Tettenborns von Mannheim, das freut mich auch. — (Hier war ich lange unterbrochen von Fräulein Reden; dieſe Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter, iſt mir hier ein großer Troſt.) —
Karlsruhe, den 1. Mai 1817.
Phantaſus. Von Tieck. Bd. 3. S. 518. „Wir haben alſo in Deutſchland, ſagte Manfred, treffliche Künſtler gehabt, beſitzen noch einige, und hoffentlich werden neue ent- ſtehn.“ Meinem theuern, vielgeliebten Tieck ſchreib’ ich hier noch hinzu, daß wir jetzt noch in Mannheim zwei Meiſter beſitzen, die, auf Flecks Weiſe, ſonſt unbedeutende Luſtſpiele
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0465"n="457"/>
Freunde, Nichten, Geſchwiſter nicht verſchmerzen! und beſon-<lb/>
ders, wenn ich Schönes ſah, und Mittheilungswerthes, mußte<lb/>
ich weinen, oder zum wenigſten mein Herz! So iſt mein Le-<lb/>
ben, welches benannt werden kann. —</p><lb/><p>— Die Geſellſchaft hier iſt nicht unfreundlich, nicht un-<lb/>
zufrieden mit mir: aber man ſieht ſich hier durchaus nicht<lb/>
häuslich, und wie in Norddeutſchland, oder auch andern Hö-<lb/>
fen. Sondern gebeten, <hirendition="#g">geputzt</hi>, mit Vielen. Dazu bin ich<lb/>
nicht jung, nicht geſund, und nicht reich genug. Hier iſt ein<lb/>
Kleiderluxus wie am größten Hof; und überhaupt, wie jetzt<lb/>
allenthalben, <hirendition="#g">bei</hi> der geſpannten Finanznoth. Nun ich älter<lb/>
bin: nun ſoll ich die Dame vorſtellen: nun <hirendition="#g">alle</hi> Eitelkeit aus<lb/>
meinem Herzen <hirendition="#g">gemerzt</hi> iſt. Dieſe Klage <hirendition="#aq">par parenthèse.</hi>—<lb/>
Zu ſparen weiß ich nur an mir ſelbſt. Ungeneröſe, und hart-<lb/>
herzig jetzt, kann ich mich nicht machen. Nun kein Wort<lb/>
mehr! Heute kommt Robert von Stuttgart, das freut mich;<lb/>
in wenigen Tagen Tettenborns von Mannheim, das freut<lb/>
mich auch. — (Hier war ich lange unterbrochen von Fräulein<lb/>
Reden; dieſe Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter, iſt mir<lb/>
hier ein großer Troſt.) —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Karlsruhe, den 1. Mai 1817.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#g">Phantaſus. Von Tieck. Bd</hi>. 3. S. 518. „Wir<lb/>
haben alſo in Deutſchland, ſagte Manfred, treffliche Künſtler<lb/>
gehabt, beſitzen noch einige, und hoffentlich werden neue ent-<lb/>ſtehn.“ Meinem theuern, vielgeliebten Tieck ſchreib’ ich hier<lb/>
noch hinzu, daß wir jetzt noch in Mannheim zwei Meiſter<lb/>
beſitzen, die, auf Flecks Weiſe, ſonſt unbedeutende Luſtſpiele<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[457/0465]
Freunde, Nichten, Geſchwiſter nicht verſchmerzen! und beſon-
ders, wenn ich Schönes ſah, und Mittheilungswerthes, mußte
ich weinen, oder zum wenigſten mein Herz! So iſt mein Le-
ben, welches benannt werden kann. —
— Die Geſellſchaft hier iſt nicht unfreundlich, nicht un-
zufrieden mit mir: aber man ſieht ſich hier durchaus nicht
häuslich, und wie in Norddeutſchland, oder auch andern Hö-
fen. Sondern gebeten, geputzt, mit Vielen. Dazu bin ich
nicht jung, nicht geſund, und nicht reich genug. Hier iſt ein
Kleiderluxus wie am größten Hof; und überhaupt, wie jetzt
allenthalben, bei der geſpannten Finanznoth. Nun ich älter
bin: nun ſoll ich die Dame vorſtellen: nun alle Eitelkeit aus
meinem Herzen gemerzt iſt. Dieſe Klage par parenthèse. —
Zu ſparen weiß ich nur an mir ſelbſt. Ungeneröſe, und hart-
herzig jetzt, kann ich mich nicht machen. Nun kein Wort
mehr! Heute kommt Robert von Stuttgart, das freut mich;
in wenigen Tagen Tettenborns von Mannheim, das freut
mich auch. — (Hier war ich lange unterbrochen von Fräulein
Reden; dieſe Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter, iſt mir
hier ein großer Troſt.) —
Karlsruhe, den 1. Mai 1817.
Phantaſus. Von Tieck. Bd. 3. S. 518. „Wir
haben alſo in Deutſchland, ſagte Manfred, treffliche Künſtler
gehabt, beſitzen noch einige, und hoffentlich werden neue ent-
ſtehn.“ Meinem theuern, vielgeliebten Tieck ſchreib’ ich hier
noch hinzu, daß wir jetzt noch in Mannheim zwei Meiſter
beſitzen, die, auf Flecks Weiſe, ſonſt unbedeutende Luſtſpiele
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/465>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.