lich sieht, daß Dore wirklich meinte, ich bringe sie. Ein Göt- terbalg! --
Ich lese keine Zeitung mehr: die großen Neuigkeiten er- fahr' ich doch: die Gesinnungen kenn' ich! Eine Mühle, die klappert, ist mir lieber.
Den 11. Juli.
-- Ich bin aber nicht unwohl, und viel gesünder als in Wien. Sehr lustig; und die Unterhaltung des ganzen Hau- ses und all seiner Gäste, in deren Gegenwart es nur möglich ist mit der Sprache zu präludiren! Mein ganzes Thun, Dasein und Äußern amüsirt ununterbrochen, bis zum Lachen und Denken. Und das bloß, weil ich wahrhaft, und selbst- meinend bin. Das geht bis auf meine Gebärden. Ich bin die Einzige, die da meint. Auch hab' ich vorgestern, bei nicht leerem Gastzimmer, laut die französische Nation vertheidigen dürfen, mit dem größten Erfolg: die Grafen waren ganz zu- frieden: und lächelten der Neuheit, die sie sich nicht selbst aus- zudenken brauchten; unsere flammende Wirthin sagte, als ich schwieg, beifallsvoll: "Reden Sie immerweg! wir wollen Alle lieber zuhören und schweigen!" Mir wieder ein Beweis, mit welchem Erfolg Männer im Amt, reden und handlen kön- nen, wenn sie rechtschaffen genug sind, und besonders eine Meinung haben: die am meisten fehlt. Ich sprach wider die eines jeden in dem Saal. Aber durch keine Persönlichkeit noch Eitelkeit bewogen: die Sache wie sie ist, war für mich; un- widerlegbar; und ich opferte sogar das Wohlgefallen an dem, was ich vortragen und behaupten konnte, entschlossen denen auf, für die ich sprechen wollte. Sie hatten nämlich Alle in
lich ſieht, daß Dore wirklich meinte, ich bringe ſie. Ein Göt- terbalg! —
Ich leſe keine Zeitung mehr: die großen Neuigkeiten er- fahr’ ich doch: die Geſinnungen kenn’ ich! Eine Mühle, die klappert, iſt mir lieber.
Den 11. Juli.
— Ich bin aber nicht unwohl, und viel geſünder als in Wien. Sehr luſtig; und die Unterhaltung des ganzen Hau- ſes und all ſeiner Gäſte, in deren Gegenwart es nur möglich iſt mit der Sprache zu präludiren! Mein ganzes Thun, Daſein und Äußern amüſirt ununterbrochen, bis zum Lachen und Denken. Und das bloß, weil ich wahrhaft, und ſelbſt- meinend bin. Das geht bis auf meine Gebärden. Ich bin die Einzige, die da meint. Auch hab’ ich vorgeſtern, bei nicht leerem Gaſtzimmer, laut die franzöſiſche Nation vertheidigen dürfen, mit dem größten Erfolg: die Grafen waren ganz zu- frieden: und lächelten der Neuheit, die ſie ſich nicht ſelbſt aus- zudenken brauchten; unſere flammende Wirthin ſagte, als ich ſchwieg, beifallsvoll: „Reden Sie immerweg! wir wollen Alle lieber zuhören und ſchweigen!“ Mir wieder ein Beweis, mit welchem Erfolg Männer im Amt, reden und handlen kön- nen, wenn ſie rechtſchaffen genug ſind, und beſonders eine Meinung haben: die am meiſten fehlt. Ich ſprach wider die eines jeden in dem Saal. Aber durch keine Perſönlichkeit noch Eitelkeit bewogen: die Sache wie ſie iſt, war für mich; un- widerlegbar; und ich opferte ſogar das Wohlgefallen an dem, was ich vortragen und behaupten konnte, entſchloſſen denen auf, für die ich ſprechen wollte. Sie hatten nämlich Alle in
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lich ſieht, daß Dore wirklich meinte, ich bringe ſie. Ein Göt-
terbalg! —
Ich leſe keine Zeitung mehr: die großen Neuigkeiten er-
fahr’ ich doch: die Geſinnungen kenn’ ich! Eine Mühle, die
klappert, iſt mir lieber.
Den 11. Juli.
— Ich bin aber nicht unwohl, und viel geſünder als in
Wien. Sehr luſtig; und die Unterhaltung des ganzen Hau-
ſes und all ſeiner Gäſte, in deren Gegenwart es nur möglich
iſt mit der Sprache zu präludiren! Mein ganzes Thun,
Daſein und Äußern amüſirt ununterbrochen, bis zum Lachen
und Denken. Und das bloß, weil ich wahrhaft, und ſelbſt-
meinend bin. Das geht bis auf meine Gebärden. Ich bin die
Einzige, die da meint. Auch hab’ ich vorgeſtern, bei nicht
leerem Gaſtzimmer, laut die franzöſiſche Nation vertheidigen
dürfen, mit dem größten Erfolg: die Grafen waren ganz zu-
frieden: und lächelten der Neuheit, die ſie ſich nicht ſelbſt aus-
zudenken brauchten; unſere flammende Wirthin ſagte, als
ich ſchwieg, beifallsvoll: „Reden Sie immerweg! wir wollen
Alle lieber zuhören und ſchweigen!“ Mir wieder ein Beweis,
mit welchem Erfolg Männer im Amt, reden und handlen kön-
nen, wenn ſie rechtſchaffen genug ſind, und beſonders eine
Meinung haben: die am meiſten fehlt. Ich ſprach wider die
eines jeden in dem Saal. Aber durch keine Perſönlichkeit noch
Eitelkeit bewogen: die Sache wie ſie iſt, war für mich; un-
widerlegbar; und ich opferte ſogar das Wohlgefallen an dem,
was ich vortragen und behaupten konnte, entſchloſſen denen
auf, für die ich ſprechen wollte. Sie hatten nämlich Alle in
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/316>, abgerufen am 21.12.2024.
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