Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

zu bringen. Was wird sie bringen? Ich schlief nicht; der
Abend war hübsch. Ich aber nicht.



An Varnhagen, in Berlin.


Gestern, als wir aus dem Helenenthal nach Hause kamen,
fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don-
nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag warst du in
Töplitz. Du dachtest bei allem an mich. Ich gestern, in dem
barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen seinen Augen-
spielen, an dich! O! eine solche Wohnung, wie es da ganz
städtisch und bequem giebt, in Ruhe und Beschäftigung, muß
eine Seligkeit sein. Doch bin ich sehr zufrieden, dies alles
hier auf so eine heitere bequeme Art zu genießen. -- Wir
gingen gleich nach dem Ankommen in den Götterstegen umher,
wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein-
bäche schritt, Dudelsäcke spielten, Sängerinnen zu Harfen jo-
delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge
zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshause Kaffee,
Ich sah nur die Gegenstände. Die Gesellschaft gut und un-
befangen, und ihre ganze Prätension nur an das Thal. Die
Damen außer sich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von
Arnstein noch tausendmal besser, als in der Stadt; auch nicht
der entfernteste Gedanke von Prätension an ihre hausgenössi-
schen Gäste, die die völligste Freiheit und nur das Gute ge-
nießen, was das bequeme Haus mit sich bringt mit seinen

zu bringen. Was wird ſie bringen? Ich ſchlief nicht; der
Abend war hübſch. Ich aber nicht.



An Varnhagen, in Berlin.


Geſtern, als wir aus dem Helenenthal nach Hauſe kamen,
fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don-
nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag warſt du in
Töplitz. Du dachteſt bei allem an mich. Ich geſtern, in dem
barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen ſeinen Augen-
ſpielen, an dich! O! eine ſolche Wohnung, wie es da ganz
ſtädtiſch und bequem giebt, in Ruhe und Beſchäftigung, muß
eine Seligkeit ſein. Doch bin ich ſehr zufrieden, dies alles
hier auf ſo eine heitere bequeme Art zu genießen. — Wir
gingen gleich nach dem Ankommen in den Götterſtegen umher,
wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein-
bäche ſchritt, Dudelſäcke ſpielten, Sängerinnen zu Harfen jo-
delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge
zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshauſe Kaffee,
Ich ſah nur die Gegenſtände. Die Geſellſchaft gut und un-
befangen, und ihre ganze Prätenſion nur an das Thal. Die
Damen außer ſich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von
Arnſtein noch tauſendmal beſſer, als in der Stadt; auch nicht
der entfernteſte Gedanke von Prätenſion an ihre hausgenöſſi-
ſchen Gäſte, die die völligſte Freiheit und nur das Gute ge-
nießen, was das bequeme Haus mit ſich bringt mit ſeinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0303" n="295"/>
zu bringen. Was wird <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> bringen? Ich &#x017F;chlief nicht; der<lb/>
Abend war hüb&#x017F;ch. Ich aber nicht.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Varnhagen, in Berlin.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Baden bei Wien, den 20. Juni 1815.<lb/>
Morgeno halb 11. Heißes Wetter.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern, als wir aus dem Helenenthal nach Hau&#x017F;e kamen,<lb/>
fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don-<lb/>
nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag war&#x017F;t du in<lb/>
Töplitz. Du dachte&#x017F;t bei allem an mich. Ich ge&#x017F;tern, in dem<lb/>
barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen &#x017F;einen Augen-<lb/>
&#x017F;pielen, an <hi rendition="#g">dich</hi>! O! eine &#x017F;olche Wohnung, wie es da ganz<lb/>
&#x017F;tädti&#x017F;ch und bequem giebt, in Ruhe und Be&#x017F;chäftigung, muß<lb/>
eine Seligkeit &#x017F;ein. Doch bin ich &#x017F;ehr zufrieden, dies alles<lb/>
hier auf &#x017F;o eine heitere bequeme Art zu genießen. &#x2014; Wir<lb/>
gingen gleich nach dem Ankommen in den Götter&#x017F;tegen umher,<lb/>
wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein-<lb/>
bäche &#x017F;chritt, Dudel&#x017F;äcke &#x017F;pielten, Sängerinnen zu Harfen jo-<lb/>
delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge<lb/>
zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshau&#x017F;e Kaffee,<lb/>
Ich &#x017F;ah nur die Gegen&#x017F;tände. Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gut und un-<lb/>
befangen, und ihre ganze Präten&#x017F;ion nur an das Thal. Die<lb/>
Damen außer &#x017F;ich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von<lb/>
Arn&#x017F;tein noch tau&#x017F;endmal be&#x017F;&#x017F;er, als in der Stadt; auch nicht<lb/>
der entfernte&#x017F;te Gedanke von Präten&#x017F;ion an ihre hausgenö&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Gä&#x017F;te, die die völlig&#x017F;te Freiheit und nur das Gute ge-<lb/>
nießen, was das bequeme Haus mit &#x017F;ich bringt mit &#x017F;einen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0303] zu bringen. Was wird ſie bringen? Ich ſchlief nicht; der Abend war hübſch. Ich aber nicht. An Varnhagen, in Berlin. Baden bei Wien, den 20. Juni 1815. Morgeno halb 11. Heißes Wetter. Geſtern, als wir aus dem Helenenthal nach Hauſe kamen, fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don- nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag warſt du in Töplitz. Du dachteſt bei allem an mich. Ich geſtern, in dem barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen ſeinen Augen- ſpielen, an dich! O! eine ſolche Wohnung, wie es da ganz ſtädtiſch und bequem giebt, in Ruhe und Beſchäftigung, muß eine Seligkeit ſein. Doch bin ich ſehr zufrieden, dies alles hier auf ſo eine heitere bequeme Art zu genießen. — Wir gingen gleich nach dem Ankommen in den Götterſtegen umher, wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein- bäche ſchritt, Dudelſäcke ſpielten, Sängerinnen zu Harfen jo- delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshauſe Kaffee, Ich ſah nur die Gegenſtände. Die Geſellſchaft gut und un- befangen, und ihre ganze Prätenſion nur an das Thal. Die Damen außer ſich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von Arnſtein noch tauſendmal beſſer, als in der Stadt; auch nicht der entfernteſte Gedanke von Prätenſion an ihre hausgenöſſi- ſchen Gäſte, die die völligſte Freiheit und nur das Gute ge- nießen, was das bequeme Haus mit ſich bringt mit ſeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/303
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/303>, abgerufen am 21.11.2024.