Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

noch Verstand und Wort-Imagination genug hat! -- Wie
solche Menschen reisen: solche reiche Leute aus der Gesellschaft;
solche Litteratorinnen; die Französisch wissen, und denen man's
allenthalben entgegenspricht! Die Arme! Nichts hat sie ge-
sehn, und gehört, und vernommen. --



An M. Th. Robert, in Berlin.


Vorgestern las ich in dem Wiener Beobachter Tauenziens
ganzen Einzug in Magdeburg im größten Detail; -- ich
weinte nicht, ich erstickte fast; schluchzte und schrie; und weine
wieder. Gott nur weiß, wie ich um Magdeburg bat: und ob
ich je eine niederbeugendere Kränkung für mich selbst empfun-
den habe, als bei dem Verlust dieser Provinz, die uns als
Reichsfürst mit dem gebildeten Strom Europa's in Verbindung
setzte. Ich meine nicht den Rhein: sondern den Strom von
Verständniß, Bildung, und sittlichen Gedanken, der mitten
durch Europa strömt; (und manches ausspülen, wegreißen muß,
wird, kann: und gethan hat.) -- --

Wenn dir die Reise nützlich war, muß ich mich noch mehr
freuen! Sage mir aber nun auch ein wenig deutlicher -- du
wirst einsehen, wie sehr es mich interessiren muß --, ob du
von eingegangenen Interessen Moritz seine Auslagen für un-
sere Masse, oder durch Kapitalien bezahlt hast (zu welcher
Zahlung ich in jedem Fall gratulire); und ob du dir auch
in gleichem Maße abbezahlt hast. Es kann mir nicht gleich-

noch Verſtand und Wort-Imagination genug hat! — Wie
ſolche Menſchen reiſen: ſolche reiche Leute aus der Geſellſchaft;
ſolche Litteratorinnen; die Franzöſiſch wiſſen, und denen man’s
allenthalben entgegenſpricht! Die Arme! Nichts hat ſie ge-
ſehn, und gehört, und vernommen. —



An M. Th. Robert, in Berlin.


Vorgeſtern las ich in dem Wiener Beobachter Tauenziens
ganzen Einzug in Magdeburg im größten Detail; — ich
weinte nicht, ich erſtickte faſt; ſchluchzte und ſchrie; und weine
wieder. Gott nur weiß, wie ich um Magdeburg bat: und ob
ich je eine niederbeugendere Kränkung für mich ſelbſt empfun-
den habe, als bei dem Verluſt dieſer Provinz, die uns als
Reichsfürſt mit dem gebildeten Strom Europa’s in Verbindung
ſetzte. Ich meine nicht den Rhein: ſondern den Strom von
Verſtändniß, Bildung, und ſittlichen Gedanken, der mitten
durch Europa ſtrömt; (und manches ausſpülen, wegreißen muß,
wird, kann: und gethan hat.) — —

Wenn dir die Reiſe nützlich war, muß ich mich noch mehr
freuen! Sage mir aber nun auch ein wenig deutlicher — du
wirſt einſehen, wie ſehr es mich intereſſiren muß —, ob du
von eingegangenen Intereſſen Moritz ſeine Auslagen für un-
ſere Maſſe, oder durch Kapitalien bezahlt haſt (zu welcher
Zahlung ich in jedem Fall gratulire); und ob du dir auch
in gleichem Maße abbezahlt haſt. Es kann mir nicht gleich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="219"/>
noch Ver&#x017F;tand und Wort-Imagination <hi rendition="#g">genug</hi> hat! &#x2014; Wie<lb/>
&#x017F;olche Men&#x017F;chen rei&#x017F;en: &#x017F;olche reiche Leute aus der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft;<lb/>
&#x017F;olche Litteratorinnen; die Franzö&#x017F;i&#x017F;ch wi&#x017F;&#x017F;en, und denen man&#x2019;s<lb/>
allenthalben entgegen&#x017F;pricht! Die Arme! Nichts hat &#x017F;ie ge-<lb/>
&#x017F;ehn, und gehört, und vernommen. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An M. Th. Robert, in Berlin.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Prag, Montag Vormittag den 13 Juni 1814.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Vorge&#x017F;tern las ich in dem Wiener Beobachter Tauenziens<lb/>
ganzen Einzug in Magdeburg im <hi rendition="#g">größten</hi> Detail; &#x2014; ich<lb/>
weinte nicht, ich er&#x017F;tickte fa&#x017F;t; &#x017F;chluchzte und &#x017F;chrie; und weine<lb/>
wieder. Gott nur weiß, wie ich um Magdeburg bat: und ob<lb/>
ich je eine niederbeugendere Kränkung für mich &#x017F;elb&#x017F;t empfun-<lb/>
den habe, als bei dem Verlu&#x017F;t <hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi> Provinz, die uns als<lb/>
Reichsfür&#x017F;t mit dem gebildeten Strom Europa&#x2019;s in Verbindung<lb/>
&#x017F;etzte. Ich meine nicht den Rhein: &#x017F;ondern den Strom von<lb/>
Ver&#x017F;tändniß, Bildung, und &#x017F;ittlichen Gedanken, der mitten<lb/>
durch Europa &#x017F;trömt; (und manches aus&#x017F;pülen, wegreißen muß,<lb/>
wird, kann: und gethan hat.) &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wenn dir die Rei&#x017F;e nützlich war, muß ich mich noch mehr<lb/>
freuen! Sage mir aber nun auch ein wenig deutlicher &#x2014; du<lb/>
wir&#x017F;t ein&#x017F;ehen, wie &#x017F;ehr es mich intere&#x017F;&#x017F;iren muß &#x2014;, ob du<lb/>
von eingegangenen Intere&#x017F;&#x017F;en Moritz &#x017F;eine Auslagen für un-<lb/>
&#x017F;ere Ma&#x017F;&#x017F;e, oder durch Kapitalien bezahlt ha&#x017F;t (zu welcher<lb/>
Zahlung ich in <hi rendition="#g">jedem</hi> Fall gratulire); und ob du dir <hi rendition="#g">auch</hi><lb/>
in gleichem Maße abbezahlt ha&#x017F;t. Es kann mir nicht gleich-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0227] noch Verſtand und Wort-Imagination genug hat! — Wie ſolche Menſchen reiſen: ſolche reiche Leute aus der Geſellſchaft; ſolche Litteratorinnen; die Franzöſiſch wiſſen, und denen man’s allenthalben entgegenſpricht! Die Arme! Nichts hat ſie ge- ſehn, und gehört, und vernommen. — An M. Th. Robert, in Berlin. Prag, Montag Vormittag den 13 Juni 1814. Vorgeſtern las ich in dem Wiener Beobachter Tauenziens ganzen Einzug in Magdeburg im größten Detail; — ich weinte nicht, ich erſtickte faſt; ſchluchzte und ſchrie; und weine wieder. Gott nur weiß, wie ich um Magdeburg bat: und ob ich je eine niederbeugendere Kränkung für mich ſelbſt empfun- den habe, als bei dem Verluſt dieſer Provinz, die uns als Reichsfürſt mit dem gebildeten Strom Europa’s in Verbindung ſetzte. Ich meine nicht den Rhein: ſondern den Strom von Verſtändniß, Bildung, und ſittlichen Gedanken, der mitten durch Europa ſtrömt; (und manches ausſpülen, wegreißen muß, wird, kann: und gethan hat.) — — Wenn dir die Reiſe nützlich war, muß ich mich noch mehr freuen! Sage mir aber nun auch ein wenig deutlicher — du wirſt einſehen, wie ſehr es mich intereſſiren muß —, ob du von eingegangenen Intereſſen Moritz ſeine Auslagen für un- ſere Maſſe, oder durch Kapitalien bezahlt haſt (zu welcher Zahlung ich in jedem Fall gratulire); und ob du dir auch in gleichem Maße abbezahlt haſt. Es kann mir nicht gleich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/227
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/227>, abgerufen am 21.12.2024.