Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

men. Grüßen Sie alles! Moritz muß mir mehr schreiben!
jede Zeile amüsirt mich, dann schreibe ich wieder und auch
amüsant. Ihre R. R. Frau von Sparre tausend Schönes!



An Frau von Grotthuß, in Dresden.


Arme liebe theure Freundin! Und in welchem Zustand
traf dein Brief mich! Auch heute werde ich dir nur in den
kürzest abgebrochnen Perioden das Nothwendigste schreiben.
Wisse also kurz! Ich bin nach tausend Noth, Angst, Krän-
kungen
, Mühe und Sorgen, endlich den 9. Mai 1813.
aus Berlin dem Landsturm entflohn; ohne Schutz. Kam den
vierten Tag nach Breslau, wo ich vier Tage blieb, und von
dort nach Reinerz getrieben wurde, von dort wieder weg mußte,
und direkt hierher fuhr; die Gräfin Pachta war zwanzig
Meilen von hier auf einem Gute, und antwortete mir also
nach Reinerz, nur als ich schon weg war: als ich die letzte
Post von hier war, mit ganz Preußen, erfuhr ich, daß man
hier kein Unterkommen fände, und sah es auch schon unter-
wegs. Ich schickte dem Grafen Bentheim einen Boten hier-
her, und sprach ihn um seinen Schutz an, -- meine Seele
hatte sich schon längst an diese Flucht denkend nur auf ihn
verlassen --, er verlieh ihn mir ganz, und ich stieg bei einer
Freundin von ihm ab. Diese beiden waren für mich wie
Geschwister. Alle alte Freunde nichts. Auch hier erlebte
ich noch große Angst, große Noth. Und die größten Evene-

men. Grüßen Sie alles! Moritz muß mir mehr ſchreiben!
jede Zeile amüſirt mich, dann ſchreibe ich wieder und auch
amüſant. Ihre R. R. Frau von Sparre tauſend Schönes!



An Frau von Grotthuß, in Dresden.


Arme liebe theure Freundin! Und in welchem Zuſtand
traf dein Brief mich! Auch heute werde ich dir nur in den
kürzeſt abgebrochnen Perioden das Nothwendigſte ſchreiben.
Wiſſe alſo kurz! Ich bin nach tauſend Noth, Angſt, Krän-
kungen
, Mühe und Sorgen, endlich den 9. Mai 1813.
aus Berlin dem Landſturm entflohn; ohne Schutz. Kam den
vierten Tag nach Breslau, wo ich vier Tage blieb, und von
dort nach Reinerz getrieben wurde, von dort wieder weg mußte,
und direkt hierher fuhr; die Gräfin Pachta war zwanzig
Meilen von hier auf einem Gute, und antwortete mir alſo
nach Reinerz, nur als ich ſchon weg war: als ich die letzte
Poſt von hier war, mit ganz Preußen, erfuhr ich, daß man
hier kein Unterkommen fände, und ſah es auch ſchon unter-
wegs. Ich ſchickte dem Grafen Bentheim einen Boten hier-
her, und ſprach ihn um ſeinen Schutz an, — meine Seele
hatte ſich ſchon längſt an dieſe Flucht denkend nur auf ihn
verlaſſen —, er verlieh ihn mir ganz, und ich ſtieg bei einer
Freundin von ihm ab. Dieſe beiden waren für mich wie
Geſchwiſter. Alle alte Freunde nichts. Auch hier erlebte
ich noch große Angſt, große Noth. Und die größten Evene-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0174" n="166"/>
men. Grüßen Sie alles! Moritz muß mir <hi rendition="#g">mehr</hi> &#x017F;chreiben!<lb/>
jede Zeile amü&#x017F;irt mich, dann &#x017F;chreibe ich wieder und auch<lb/>
amü&#x017F;ant. Ihre R. R. Frau von Sparre tau&#x017F;end Schönes!</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Frau von Grotthuß, in Dresden.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Prag, den 2. Februar 1814.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Arme liebe theure Freundin! Und in welchem Zu&#x017F;tand<lb/>
traf dein Brief <hi rendition="#g">mich</hi>! Auch heute werde ich dir nur in den<lb/>
kürze&#x017F;t abgebrochnen Perioden das Nothwendig&#x017F;te &#x017F;chreiben.<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;e al&#x017F;o kurz! Ich bin nach tau&#x017F;end Noth, Ang&#x017F;t, <hi rendition="#g">Krän-<lb/>
kungen</hi>, Mühe und <hi rendition="#g">Sorgen</hi>, endlich den 9. Mai 1813.<lb/>
aus Berlin dem Land&#x017F;turm entflohn; ohne Schutz. Kam den<lb/>
vierten Tag nach Breslau, wo ich vier Tage blieb, und von<lb/>
dort nach Reinerz getrieben wurde, von dort wieder weg mußte,<lb/>
und direkt hierher fuhr; die Gräfin Pachta war zwanzig<lb/>
Meilen von hier auf einem Gute, und antwortete mir al&#x017F;o<lb/>
nach Reinerz, nur als ich &#x017F;chon weg war: als ich die letzte<lb/>
Po&#x017F;t von hier war, mit ganz Preußen, erfuhr ich, daß man<lb/>
hier kein Unterkommen fände, und &#x017F;ah es auch &#x017F;chon unter-<lb/>
wegs. Ich &#x017F;chickte dem Grafen Bentheim einen Boten hier-<lb/>
her, und &#x017F;prach ihn um &#x017F;einen Schutz an, &#x2014; meine <hi rendition="#g">Seele</hi><lb/>
hatte &#x017F;ich &#x017F;chon läng&#x017F;t an die&#x017F;e Flucht denkend <hi rendition="#g">nur</hi> auf ihn<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en &#x2014;, er verlieh ihn mir ganz, und ich &#x017F;tieg bei einer<lb/>
Freundin von ihm ab. Die&#x017F;e beiden waren für mich wie<lb/>
Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter. <hi rendition="#g">Alle</hi> alte Freunde <hi rendition="#g">nichts</hi>. Auch hier erlebte<lb/>
ich noch große Ang&#x017F;t, große Noth. Und die größten Evene-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0174] men. Grüßen Sie alles! Moritz muß mir mehr ſchreiben! jede Zeile amüſirt mich, dann ſchreibe ich wieder und auch amüſant. Ihre R. R. Frau von Sparre tauſend Schönes! An Frau von Grotthuß, in Dresden. Prag, den 2. Februar 1814. Arme liebe theure Freundin! Und in welchem Zuſtand traf dein Brief mich! Auch heute werde ich dir nur in den kürzeſt abgebrochnen Perioden das Nothwendigſte ſchreiben. Wiſſe alſo kurz! Ich bin nach tauſend Noth, Angſt, Krän- kungen, Mühe und Sorgen, endlich den 9. Mai 1813. aus Berlin dem Landſturm entflohn; ohne Schutz. Kam den vierten Tag nach Breslau, wo ich vier Tage blieb, und von dort nach Reinerz getrieben wurde, von dort wieder weg mußte, und direkt hierher fuhr; die Gräfin Pachta war zwanzig Meilen von hier auf einem Gute, und antwortete mir alſo nach Reinerz, nur als ich ſchon weg war: als ich die letzte Poſt von hier war, mit ganz Preußen, erfuhr ich, daß man hier kein Unterkommen fände, und ſah es auch ſchon unter- wegs. Ich ſchickte dem Grafen Bentheim einen Boten hier- her, und ſprach ihn um ſeinen Schutz an, — meine Seele hatte ſich ſchon längſt an dieſe Flucht denkend nur auf ihn verlaſſen —, er verlieh ihn mir ganz, und ich ſtieg bei einer Freundin von ihm ab. Dieſe beiden waren für mich wie Geſchwiſter. Alle alte Freunde nichts. Auch hier erlebte ich noch große Angſt, große Noth. Und die größten Evene-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/174
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/174>, abgerufen am 21.12.2024.