zen keinen Antheil nehmen, wo man wie von seiner Existenz überzeugt ist, daß man nicht helfen kann, und also auch gar keinen Trost finden kann, da bleibt einem doch nichts, als Antheil, den man sich nicht erwehren kann, und der also nichts verdient. Was sagen Sie zu meiner moralisch-philosophisch- ennuyanten Abhandlung? Sie ist mir wirklich mir selbst so rausgeplatzt, und soll gar für Sie nicht sein, schenken Sie sie mir. Sie haben wohl gar keine Gesellschaft? -- und die wäre Ihnen grad sehr gut, dabei könnten Sie gradesitzen, und brauchten sich nicht tödtlich zu ennuyiren; beim Schrei- ben und Lesen sitzen Sie krumm und echauffiren sich; oder sind Sie lieber allein, wenn Sie krank sind? Ich bin so. Wenn nicht ein förmliches "Es schickt sich" in der Welt her- umliefe und den Ton angäbe, so wäre ich jetzt bei Ihnen und früge Sie das, und ich würde gleich sehen, ob ich Sie ennu- yöre, und da liefe ich weg. So ist's -- einer nach dem an- dern purzelt auf die Welt; ändert nichts drin, wenigstens nichts, was er gern will, und geht wieder ab. Ist die Be- merkung traurig, trivial, oder alt, -- wahr ist sie, buchstäb- lich wahr, und ihre Ewigkeit macht ihre Wahrheit aus, drum ist sie traurig, alt und trivial. Adieu. Machen Sie sich nur nicht zu schwach. Essen Sie wo möglich etwas.
An David Veit, in Göttingen.
Berlin, den 18. Februar 1794.
-- Ich darf Ihnen doch etwas erzählen? -- denn mein Brief wird wieder recht lang. Diesen Mittag bei Tische nahm
5 *
zen keinen Antheil nehmen, wo man wie von ſeiner Exiſtenz überzeugt iſt, daß man nicht helfen kann, und alſo auch gar keinen Troſt finden kann, da bleibt einem doch nichts, als Antheil, den man ſich nicht erwehren kann, und der alſo nichts verdient. Was ſagen Sie zu meiner moraliſch-philoſophiſch- ennuyanten Abhandlung? Sie iſt mir wirklich mir ſelbſt ſo rausgeplatzt, und ſoll gar für Sie nicht ſein, ſchenken Sie ſie mir. Sie haben wohl gar keine Geſellſchaft? — und die wäre Ihnen grad ſehr gut, dabei könnten Sie gradeſitzen, und brauchten ſich nicht tödtlich zu ennuyiren; beim Schrei- ben und Leſen ſitzen Sie krumm und echauffiren ſich; oder ſind Sie lieber allein, wenn Sie krank ſind? Ich bin ſo. Wenn nicht ein förmliches „Es ſchickt ſich“ in der Welt her- umliefe und den Ton angäbe, ſo wäre ich jetzt bei Ihnen und früge Sie das, und ich würde gleich ſehen, ob ich Sie ennu- yöre, und da liefe ich weg. So iſt’s — einer nach dem an- dern purzelt auf die Welt; ändert nichts drin, wenigſtens nichts, was er gern will, und geht wieder ab. Iſt die Be- merkung traurig, trivial, oder alt, — wahr iſt ſie, buchſtäb- lich wahr, und ihre Ewigkeit macht ihre Wahrheit aus, drum iſt ſie traurig, alt und trivial. Adieu. Machen Sie ſich nur nicht zu ſchwach. Eſſen Sie wo möglich etwas.
An David Veit, in Göttingen.
Berlin, den 18. Februar 1794.
— Ich darf Ihnen doch etwas erzählen? — denn mein Brief wird wieder recht lang. Dieſen Mittag bei Tiſche nahm
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zen keinen Antheil nehmen, wo man wie von ſeiner Exiſtenz
überzeugt iſt, daß man nicht helfen kann, und alſo auch gar
keinen Troſt finden kann, da bleibt einem doch nichts, als
Antheil, den man ſich nicht erwehren kann, und der alſo nichts
verdient. Was ſagen Sie zu meiner moraliſch-philoſophiſch-
ennuyanten Abhandlung? Sie iſt mir wirklich mir ſelbſt ſo
rausgeplatzt, und ſoll gar für Sie nicht ſein, ſchenken Sie ſie
mir. Sie haben wohl gar keine Geſellſchaft? — und die
wäre Ihnen grad ſehr gut, dabei könnten Sie gradeſitzen,
und brauchten ſich nicht tödtlich zu ennuyiren; beim Schrei-
ben und Leſen ſitzen Sie krumm und echauffiren ſich; oder
ſind Sie lieber allein, wenn Sie krank ſind? Ich bin ſo.
Wenn nicht ein förmliches „Es ſchickt ſich“ in der Welt her-
umliefe und den Ton angäbe, ſo wäre ich jetzt bei Ihnen und
früge Sie das, und ich würde gleich ſehen, ob ich Sie ennu-
yöre, und da liefe ich weg. So iſt’s — einer nach dem an-
dern purzelt auf die Welt; ändert nichts drin, wenigſtens
nichts, was er gern will, und geht wieder ab. Iſt die Be-
merkung traurig, trivial, oder alt, — wahr iſt ſie, buchſtäb-
lich wahr, und ihre Ewigkeit macht ihre Wahrheit aus, drum
iſt ſie traurig, alt und trivial. Adieu. Machen Sie ſich nur
nicht zu ſchwach. Eſſen Sie wo möglich etwas.
An David Veit, in Göttingen.
Berlin, den 18. Februar 1794.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/81>, abgerufen am 20.11.2024.
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