mag es machen wie ich will, deutsch bleibt. Also die mindeste Illusion, die ich Ihnen nur machen konnte, ist mir Gold werth. So viel ist aber dabei wahr; ich schrieb es so schnell als dies hier, und sehr bewegt; wie immer. --
Anmerk. Einiges aus einem Briefe von Marwitz mag hier einzu- schalten sein: er schrieb aus Potsdam:
Dienstag, den 12. November 1811. 7 Uhr Abends.
Ich soll Sie immer wieder beruhigen wegen Ihrer volumes, schreiben Sie mir, liebe Rahel. So hören Sie denn, wie ich sie empfange. Ich lese sie drei- bis viermal hintereinander durch, manche Stellen noch viel öfter, lege sie dann weg, mit dem Gefübl eines Geizigen, der seinen Schatz wieder um ein raar tausend Thaler vermehrt sieht (das ist grade mein Fall; anders kann der Geizige seinen Schatz nicht fühlen, als ich in Einer Rücksicht Ihre Briefe), und dann laufe ich ein- oder mehrere Stunden im Zimmer umher, und lasse den Inhalt Ihrer Zeilen in mir nachklingen; antworten kann ich in dieser Stimmung nicht, denn ich bin zu agitirt, fühle zu sehr das Ganze, als daß ich an ein Einzelnes anknüpfen und mich darüber aussprechen könnte. Und nun beruhige ich Sie nie mehr von neuem. So haben Ihre Briefe immer auf mich gewirkt, so werden sie immer auf mich wirken. Senden Sie mir daher nur ja immer diese volumes, liebe Freundin; es können tausend Umstände kommen, um deret- willen ich nicht sogleich antworte (Sie haben mir ja auch auf drei Briefe von Töplitz nicht geantwortet), äußere Hindernisse, gestörte Stimmungen, aber seien Sie ein- für allemal überzeugt, daß darum nicht minder jedes Ihrer Worte mir zum innersten Herzen dringt, und dort verjagt, was von Unmuth oder Stumpfheit sich festgesetzt haben mag. Wie soll ich Ih- nen besonders für Ihre beiden letzten Briefe danken, für den unaussprech- lichen Reichthum tiefer innerer und lebendiger äußerer Dinge, mit dem Sie mich überschüttet haben. Ich will einiges beantworten.
Ja, liebe Freundin, Sie haben ein egoistisches Herz, aber ein solches, welches das Eole, Hohe, Kraftige, Wahre an sich ziehen und genießen will. Jeder Rechte hat einen solchen Egoismus, setzt sich als Mittelpunkt des Weltalls, aber wie wenigen Hochbegabten ward, seit die Erde steht, die Fülle des Herzens, "die Gerechtigkeit der Seele", die Penetration des Geistes verliehen, um ihn zu befriedigen wie Sie. Lassen Sie Rabels Herz zu Asche gesunken sein, das menschliche Herz schlägt weiter in Ihnen mit freieren, höheren Pulsen, abgewandt von allem Irdischen, und doch
mag es machen wie ich will, deutſch bleibt. Alſo die mindeſte Illuſion, die ich Ihnen nur machen konnte, iſt mir Gold werth. So viel iſt aber dabei wahr; ich ſchrieb es ſo ſchnell als dies hier, und ſehr bewegt; wie immer. —
Anmerk. Einiges aus einem Briefe von Marwitz mag hier einzu- ſchalten ſein: er ſchrieb aus Potsdam:
Dienstag, den 12. November 1811. 7 Uhr Abends.
Ich ſoll Sie immer wieder beruhigen wegen Ihrer volumes, ſchreiben Sie mir, liebe Rahel. So hören Sie denn, wie ich ſie empfange. Ich leſe ſie drei- bis viermal hintereinander durch, manche Stellen noch viel öfter, lege ſie dann weg, mit dem Gefübl eines Geizigen, der ſeinen Schatz wieder um ein raar tauſend Thaler vermehrt ſieht (das iſt grade mein Fall; anders kann der Geizige ſeinen Schatz nicht fühlen, als ich in Einer Rückſicht Ihre Briefe), und dann laufe ich ein- oder mehrere Stunden im Zimmer umher, und laſſe den Inhalt Ihrer Zeilen in mir nachklingen; antworten kann ich in dieſer Stimmung nicht, denn ich bin zu agitirt, fühle zu ſehr das Ganze, als daß ich an ein Einzelnes anknüpfen und mich darüber ausſprechen könnte. Und nun beruhige ich Sie nie mehr von neuem. So haben Ihre Briefe immer auf mich gewirkt, ſo werden ſie immer auf mich wirken. Senden Sie mir daher nur ja immer dieſe volumes, liebe Freundin; es können tauſend Umſtände kommen, um deret- willen ich nicht ſogleich antworte (Sie haben mir ja auch auf drei Briefe von Töplitz nicht geantwortet), äußere Hinderniſſe, geſtörte Stimmungen, aber ſeien Sie ein- für allemal überzeugt, daß darum nicht minder jedes Ihrer Worte mir zum innerſten Herzen dringt, und dort verjagt, was von Unmuth oder Stumpfheit ſich feſtgeſetzt haben mag. Wie ſoll ich Ih- nen beſonders für Ihre beiden letzten Briefe danken, für den unausſprech- lichen Reichthum tiefer innerer und lebendiger äußerer Dinge, mit dem Sie mich überſchüttet haben. Ich will einiges beantworten.
Ja, liebe Freundin, Sie haben ein egoiſtiſches Herz, aber ein ſolches, welches das Eole, Hohe, Kraftige, Wahre an ſich ziehen und genießen will. Jeder Rechte hat einen ſolchen Egoismus, ſetzt ſich als Mittelpunkt des Weltalls, aber wie wenigen Hochbegabten ward, ſeit die Erde ſteht, die Fülle des Herzens, „die Gerechtigkeit der Seele“, die Penetration des Geiſtes verliehen, um ihn zu befriedigen wie Sie. Laſſen Sie Rabels Herz zu Aſche geſunken ſein, das menſchliche Herz ſchlägt weiter in Ihnen mit freieren, höheren Pulſen, abgewandt von allem Irdiſchen, und doch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0565"n="551"/>
mag es machen wie ich will, deutſch bleibt. Alſo die mindeſte<lb/>
Illuſion, die ich Ihnen nur machen konnte, iſt mir Gold werth.<lb/>
So viel iſt aber <hirendition="#g">dabei</hi> wahr; ich ſchrieb es ſo ſchnell als<lb/>
dies hier, und ſehr bewegt; wie immer. —</p><lb/><p><hirendition="#g">Anmerk</hi>. Einiges aus einem Briefe von Marwitz mag hier einzu-<lb/>ſchalten ſein: er ſchrieb aus Potsdam:</p></div><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Dienstag, den 12. November 1811. 7 Uhr Abends.</hi></dateline><lb/><p>Ich ſoll Sie immer wieder beruhigen wegen Ihrer <hirendition="#aq">volumes,</hi>ſchreiben<lb/>
Sie mir, liebe Rahel. So hören Sie denn, wie ich ſie empfange. Ich<lb/>
leſe ſie drei- bis viermal hintereinander durch, manche Stellen noch viel<lb/>
öfter, lege ſie dann weg, mit dem Gefübl eines Geizigen, der ſeinen Schatz<lb/>
wieder um ein raar tauſend Thaler vermehrt ſieht (das iſt grade mein<lb/>
Fall; anders kann der Geizige ſeinen Schatz nicht fühlen, als ich in Einer<lb/>
Rückſicht Ihre Briefe), und dann laufe ich ein- oder mehrere Stunden im<lb/>
Zimmer umher, und laſſe den Inhalt Ihrer Zeilen in mir nachklingen;<lb/>
antworten kann ich in dieſer Stimmung nicht, denn ich bin zu agitirt,<lb/>
fühle zu ſehr das Ganze, als daß ich an ein Einzelnes anknüpfen und<lb/>
mich darüber ausſprechen könnte. Und nun beruhige ich Sie nie mehr<lb/>
von neuem. So haben Ihre Briefe immer auf mich gewirkt, ſo werden<lb/>ſie immer auf mich wirken. Senden Sie mir daher nur ja immer dieſe<lb/><hirendition="#aq">volumes,</hi> liebe Freundin; es können tauſend Umſtände kommen, um deret-<lb/>
willen ich nicht ſogleich antworte (Sie haben mir ja auch auf drei Briefe<lb/>
von Töplitz nicht geantwortet), äußere Hinderniſſe, geſtörte Stimmungen,<lb/>
aber ſeien Sie ein- für allemal überzeugt, daß darum nicht minder jedes<lb/>
Ihrer Worte mir zum innerſten Herzen dringt, und dort verjagt, was<lb/>
von Unmuth oder Stumpfheit ſich feſtgeſetzt haben mag. Wie ſoll ich Ih-<lb/>
nen beſonders für Ihre beiden letzten Briefe danken, für den unausſprech-<lb/>
lichen Reichthum tiefer innerer und lebendiger äußerer Dinge, mit dem<lb/>
Sie mich überſchüttet haben. Ich will einiges beantworten.</p><lb/><p>Ja, liebe Freundin, Sie haben ein egoiſtiſches Herz, aber ein ſolches,<lb/>
welches das Eole, Hohe, Kraftige, Wahre an ſich ziehen und genießen will.<lb/>
Jeder Rechte hat einen <hirendition="#g">ſolchen</hi> Egoismus, ſetzt ſich als <hirendition="#g">Mittelpunkt</hi><lb/>
des Weltalls, aber wie wenigen Hochbegabten ward, ſeit die Erde ſteht,<lb/><hirendition="#g">die</hi> Fülle des Herzens, „<hirendition="#g">die</hi> Gerechtigkeit der Seele“, <hirendition="#g">die</hi> Penetration<lb/>
des Geiſtes verliehen, um ihn zu befriedigen wie Sie. Laſſen Sie Rabels<lb/>
Herz zu Aſche geſunken ſein, das menſchliche Herz ſchlägt weiter in Ihnen<lb/>
mit freieren, höheren Pulſen, abgewandt von allem Irdiſchen, und doch<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[551/0565]
mag es machen wie ich will, deutſch bleibt. Alſo die mindeſte
Illuſion, die ich Ihnen nur machen konnte, iſt mir Gold werth.
So viel iſt aber dabei wahr; ich ſchrieb es ſo ſchnell als
dies hier, und ſehr bewegt; wie immer. —
Anmerk. Einiges aus einem Briefe von Marwitz mag hier einzu-
ſchalten ſein: er ſchrieb aus Potsdam:
Dienstag, den 12. November 1811. 7 Uhr Abends.
Ich ſoll Sie immer wieder beruhigen wegen Ihrer volumes, ſchreiben
Sie mir, liebe Rahel. So hören Sie denn, wie ich ſie empfange. Ich
leſe ſie drei- bis viermal hintereinander durch, manche Stellen noch viel
öfter, lege ſie dann weg, mit dem Gefübl eines Geizigen, der ſeinen Schatz
wieder um ein raar tauſend Thaler vermehrt ſieht (das iſt grade mein
Fall; anders kann der Geizige ſeinen Schatz nicht fühlen, als ich in Einer
Rückſicht Ihre Briefe), und dann laufe ich ein- oder mehrere Stunden im
Zimmer umher, und laſſe den Inhalt Ihrer Zeilen in mir nachklingen;
antworten kann ich in dieſer Stimmung nicht, denn ich bin zu agitirt,
fühle zu ſehr das Ganze, als daß ich an ein Einzelnes anknüpfen und
mich darüber ausſprechen könnte. Und nun beruhige ich Sie nie mehr
von neuem. So haben Ihre Briefe immer auf mich gewirkt, ſo werden
ſie immer auf mich wirken. Senden Sie mir daher nur ja immer dieſe
volumes, liebe Freundin; es können tauſend Umſtände kommen, um deret-
willen ich nicht ſogleich antworte (Sie haben mir ja auch auf drei Briefe
von Töplitz nicht geantwortet), äußere Hinderniſſe, geſtörte Stimmungen,
aber ſeien Sie ein- für allemal überzeugt, daß darum nicht minder jedes
Ihrer Worte mir zum innerſten Herzen dringt, und dort verjagt, was
von Unmuth oder Stumpfheit ſich feſtgeſetzt haben mag. Wie ſoll ich Ih-
nen beſonders für Ihre beiden letzten Briefe danken, für den unausſprech-
lichen Reichthum tiefer innerer und lebendiger äußerer Dinge, mit dem
Sie mich überſchüttet haben. Ich will einiges beantworten.
Ja, liebe Freundin, Sie haben ein egoiſtiſches Herz, aber ein ſolches,
welches das Eole, Hohe, Kraftige, Wahre an ſich ziehen und genießen will.
Jeder Rechte hat einen ſolchen Egoismus, ſetzt ſich als Mittelpunkt
des Weltalls, aber wie wenigen Hochbegabten ward, ſeit die Erde ſteht,
die Fülle des Herzens, „die Gerechtigkeit der Seele“, die Penetration
des Geiſtes verliehen, um ihn zu befriedigen wie Sie. Laſſen Sie Rabels
Herz zu Aſche geſunken ſein, das menſchliche Herz ſchlägt weiter in Ihnen
mit freieren, höheren Pulſen, abgewandt von allem Irdiſchen, und doch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/565>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.