Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Nicht ganz gesund. Il prend les armes, on va a Potsdam pour
etudier, comme il s'est exprime.
Grüße ja Beethovens und
unsern liebsten Oliva! B'hüt ihn Gott! Adieu, Liebster!
Wenn ich so etwas aufbreche, was du gewickelt hast! ein
Schmerz und eine Liebe!

Adieu. --


An Varnhagen, in Prag.


Mein wahrer einziger Freund, vor einer halben Stunde
erhielt ich erst deinen Brief, obgleich er schon gestern Abend
hier war, wegen dem Sonntags zugeschlossenen Komtoir. Alle
deine Gemüthsbewegungen gaben auch meinem dieselben!
Thränen waren zwischen mir und dem Briefe. Fasse dich,
mein Freund. Denn höre. Bei Naturen, wie die meinige,
geht kein ernstes Denken, kein Empfinden, kein ernstes Wol-
len, keine ernste Liebe wie ein Schatten vorbei! Bist du, wie
ich es sehe und weiß, ganz von meinem Dasein durchglüht
und erfüllt, so werde auch ich in deiner Nähe glücklich sein,
und dich zu Schutz und Umgang wählen können. Ich fühlte
es vor deinem Briefe. Wir sehen uns gewiß bald. Dies sei
dein Trost; ich will es und du willst es. Quäle mich nicht
mit Kleinigkeiten, und wir können ein edles und schönes Le-
ben führen. Findet sich gar und gar kein Mittel, so kommst
du unterdeß ohne Mittel, und es muß sich nachher eines
finden. Diesen Fall setz' ich, wenn du es nicht aushältst, und
die Trennung dich zu sehr mordet. Erst lasse mich nur nach

Hause

Nicht ganz geſund. Il prend les armes, on va à Potsdam pour
étudier, comme il s’est exprimé.
Grüße ja Beethovens und
unſern liebſten Oliva! B’hüt ihn Gott! Adieu, Liebſter!
Wenn ich ſo etwas aufbreche, was du gewickelt haſt! ein
Schmerz und eine Liebe!

Adieu. —


An Varnhagen, in Prag.


Mein wahrer einziger Freund, vor einer halben Stunde
erhielt ich erſt deinen Brief, obgleich er ſchon geſtern Abend
hier war, wegen dem Sonntags zugeſchloſſenen Komtoir. Alle
deine Gemüthsbewegungen gaben auch meinem dieſelben!
Thränen waren zwiſchen mir und dem Briefe. Faſſe dich,
mein Freund. Denn höre. Bei Naturen, wie die meinige,
geht kein ernſtes Denken, kein Empfinden, kein ernſtes Wol-
len, keine ernſte Liebe wie ein Schatten vorbei! Biſt du, wie
ich es ſehe und weiß, ganz von meinem Daſein durchglüht
und erfüllt, ſo werde auch ich in deiner Nähe glücklich ſein,
und dich zu Schutz und Umgang wählen können. Ich fühlte
es vor deinem Briefe. Wir ſehen uns gewiß bald. Dies ſei
dein Troſt; ich will es und du willſt es. Quäle mich nicht
mit Kleinigkeiten, und wir können ein edles und ſchönes Le-
ben führen. Findet ſich gar und gar kein Mittel, ſo kommſt
du unterdeß ohne Mittel, und es muß ſich nachher eines
finden. Dieſen Fall ſetz’ ich, wenn du es nicht aushältſt, und
die Trennung dich zu ſehr mordet. Erſt laſſe mich nur nach

Hauſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0542" n="528"/>
Nicht ganz ge&#x017F;und. <hi rendition="#aq">Il prend les armes, on va à Potsdam pour<lb/><hi rendition="#g">étudier</hi>, comme il s&#x2019;est exprimé.</hi> Grüße ja Beethovens und<lb/>
un&#x017F;ern lieb&#x017F;ten <hi rendition="#g">Oliva</hi>! B&#x2019;hüt ihn Gott! Adieu, Lieb&#x017F;ter!<lb/>
Wenn ich &#x017F;o etwas aufbreche, was du gewickelt ha&#x017F;t! ein<lb/>
Schmerz und eine <hi rendition="#g">Liebe</hi>!</p>
          <closer>
            <salute>Adieu. &#x2014;</salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Varnhagen, in Prag.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Dresden, Montag Vormittag den 23. September 1811.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Mein wahrer einziger Freund, vor einer halben Stunde<lb/>
erhielt ich er&#x017F;t deinen Brief, obgleich er &#x017F;chon ge&#x017F;tern Abend<lb/>
hier war, wegen dem Sonntags zuge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Komtoir. Alle<lb/>
deine Gemüthsbewegungen gaben auch meinem die&#x017F;elben!<lb/>
Thränen waren zwi&#x017F;chen mir und dem Briefe. Fa&#x017F;&#x017F;e dich,<lb/>
mein Freund. Denn höre. Bei Naturen, wie die meinige,<lb/>
geht kein ern&#x017F;tes Denken, kein Empfinden, kein ern&#x017F;tes Wol-<lb/>
len, keine ern&#x017F;te Liebe wie ein Schatten vorbei! Bi&#x017F;t du, wie<lb/>
ich es &#x017F;ehe und weiß, ganz von meinem Da&#x017F;ein durchglüht<lb/>
und erfüllt, &#x017F;o werde auch ich in deiner Nähe glücklich &#x017F;ein,<lb/>
und dich zu Schutz und Umgang wählen können. Ich fühlte<lb/>
es <hi rendition="#g">vor</hi> deinem Briefe. Wir &#x017F;ehen uns gewiß bald. Dies &#x017F;ei<lb/>
dein Tro&#x017F;t; ich will es und du will&#x017F;t es. Quäle mich nicht<lb/>
mit Kleinigkeiten, und wir können ein edles und &#x017F;chönes Le-<lb/>
ben führen. Findet &#x017F;ich gar und gar kein <hi rendition="#g">Mittel</hi>, &#x017F;o komm&#x017F;t<lb/>
du unterdeß ohne Mittel, und es muß &#x017F;ich nachher eines<lb/>
finden. Die&#x017F;en Fall &#x017F;etz&#x2019; ich, wenn du es nicht aushält&#x017F;t, und<lb/>
die Trennung dich zu &#x017F;ehr mordet. Er&#x017F;t la&#x017F;&#x017F;e mich nur nach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Hau&#x017F;e</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[528/0542] Nicht ganz geſund. Il prend les armes, on va à Potsdam pour étudier, comme il s’est exprimé. Grüße ja Beethovens und unſern liebſten Oliva! B’hüt ihn Gott! Adieu, Liebſter! Wenn ich ſo etwas aufbreche, was du gewickelt haſt! ein Schmerz und eine Liebe! Adieu. — An Varnhagen, in Prag. Dresden, Montag Vormittag den 23. September 1811. Mein wahrer einziger Freund, vor einer halben Stunde erhielt ich erſt deinen Brief, obgleich er ſchon geſtern Abend hier war, wegen dem Sonntags zugeſchloſſenen Komtoir. Alle deine Gemüthsbewegungen gaben auch meinem dieſelben! Thränen waren zwiſchen mir und dem Briefe. Faſſe dich, mein Freund. Denn höre. Bei Naturen, wie die meinige, geht kein ernſtes Denken, kein Empfinden, kein ernſtes Wol- len, keine ernſte Liebe wie ein Schatten vorbei! Biſt du, wie ich es ſehe und weiß, ganz von meinem Daſein durchglüht und erfüllt, ſo werde auch ich in deiner Nähe glücklich ſein, und dich zu Schutz und Umgang wählen können. Ich fühlte es vor deinem Briefe. Wir ſehen uns gewiß bald. Dies ſei dein Troſt; ich will es und du willſt es. Quäle mich nicht mit Kleinigkeiten, und wir können ein edles und ſchönes Le- ben führen. Findet ſich gar und gar kein Mittel, ſo kommſt du unterdeß ohne Mittel, und es muß ſich nachher eines finden. Dieſen Fall ſetz’ ich, wenn du es nicht aushältſt, und die Trennung dich zu ſehr mordet. Erſt laſſe mich nur nach Hauſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/542
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/542>, abgerufen am 20.11.2024.