wahrt sie nicht, aber dergleichen Phrasen und Perioden mit dicker Dinte, bleiben unbescheiden. Vieles davon wünsche ich wieder zu Ihrer Kenntniß! Andrerseits schiene es mir auch wieder zu präparirt, und wie eine Toilette, wenn ich es bes- ser zu machen suchte; mir war so als ich schrieb; und Sie nehmen es als gesprochene Worte hin: da ist viel erlaubt. Warum bin ich entfernt von Ihnen? Schlechtes erzeugt Schlechtes. (Hier störte mich mein Schuster, und dann F., der zwei Tage in Potsdam war, und den ich aber nun doch employirte, mir diese Kritzelfeder zu schneiden: jetzt steht er neben mir, und schneidet ein Kouvert.) Ich habe mir jetzt an- gewöhnt, abends nach dem Thiergarten zu Markus zu gehen; es sind viel Blumen und Blüthen und schöne Bäume da, hinten geht es nach dem Felde, ich bringe mit wen ich will. Das Asyl ist artig genug. Jedoch geh' ich auch leicht nach andern Orten. Der Wald ist göttlich! -- wunderbar schön. So dünkt mich hatten sich Laub, Zweige, Blätter, Scheine und Farben nie. Alles so zauberartig! Und wahrhaftig, ich befinde mich doch nicht so prächtig. -- Mad. Herz hat mir sehr freundlich und natürlich von Dresden geschrieben; in wel- chem sie unter dem Namen "M. der Koloß" nach Ihnen fragt. H'n aber wie ein Kind pflegen möchte! --
Anmerk. Zum bessern Verständnisse der Stimmungen und Ansich- ten, welche durch die ganze Zeitlage überwiegend bedingt waren, wird es nöthig, hier aus den Briefen von Marwitz einiges mitzutheilen.
Friedersdorf, Sonntag den 19. Mai 1811.
Goldene, göttliche Worte, liebe Rahel: "Leben, lieben, studiren, flei- ßig sein, heirathen, wenn s so kommt, jede Kleinigkeit recht und lebendig machen, dies ist immer gelebt, und dies wehrt niemand." Ja ich weiß
wahrt ſie nicht, aber dergleichen Phraſen und Perioden mit dicker Dinte, bleiben unbeſcheiden. Vieles davon wünſche ich wieder zu Ihrer Kenntniß! Andrerſeits ſchiene es mir auch wieder zu präparirt, und wie eine Toilette, wenn ich es beſ- ſer zu machen ſuchte; mir war ſo als ich ſchrieb; und Sie nehmen es als geſprochene Worte hin: da iſt viel erlaubt. Warum bin ich entfernt von Ihnen? Schlechtes erzeugt Schlechtes. (Hier ſtörte mich mein Schuſter, und dann F., der zwei Tage in Potsdam war, und den ich aber nun doch employirte, mir dieſe Kritzelfeder zu ſchneiden: jetzt ſteht er neben mir, und ſchneidet ein Kouvert.) Ich habe mir jetzt an- gewöhnt, abends nach dem Thiergarten zu Markus zu gehen; es ſind viel Blumen und Blüthen und ſchöne Bäume da, hinten geht es nach dem Felde, ich bringe mit wen ich will. Das Aſyl iſt artig genug. Jedoch geh’ ich auch leicht nach andern Orten. Der Wald iſt göttlich! — wunderbar ſchön. So dünkt mich hatten ſich Laub, Zweige, Blätter, Scheine und Farben nie. Alles ſo zauberartig! Und wahrhaftig, ich befinde mich doch nicht ſo prächtig. — Mad. Herz hat mir ſehr freundlich und natürlich von Dresden geſchrieben; in wel- chem ſie unter dem Namen „M. der Koloß“ nach Ihnen fragt. H’n aber wie ein Kind pflegen möchte! —
Anmerk. Zum beſſern Verſtändniſſe der Stimmungen und Anſich- ten, welche durch die ganze Zeitlage überwiegend bedingt waren, wird es nöthig, hier aus den Briefen von Marwitz einiges mitzutheilen.
Friedersdorf, Sonntag den 19. Mai 1811.
Goldene, göttliche Worte, liebe Rahel: „Leben, lieben, ſtudiren, flei- ßig ſein, heirathen, wenn s ſo kommt, jede Kleinigkeit recht und lebendig machen, dies iſt immer gelebt, und dies wehrt niemand.“ Ja ich weiß
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wahrt ſie nicht, aber dergleichen Phraſen und Perioden mit
dicker Dinte, bleiben unbeſcheiden. Vieles davon wünſche ich
wieder zu Ihrer Kenntniß! Andrerſeits ſchiene es mir auch
wieder zu präparirt, und wie eine Toilette, wenn ich es beſ-
ſer zu machen ſuchte; mir war ſo als ich ſchrieb; und Sie
nehmen es als geſprochene Worte hin: da iſt viel erlaubt.
Warum bin ich entfernt von Ihnen? Schlechtes erzeugt
Schlechtes. (Hier ſtörte mich mein Schuſter, und dann F.,
der zwei Tage in Potsdam war, und den ich aber nun doch
employirte, mir dieſe Kritzelfeder zu ſchneiden: jetzt ſteht er
neben mir, und ſchneidet ein Kouvert.) Ich habe mir jetzt an-
gewöhnt, abends nach dem Thiergarten zu Markus zu gehen;
es ſind viel Blumen und Blüthen und ſchöne Bäume da,
hinten geht es nach dem Felde, ich bringe mit wen ich will.
Das Aſyl iſt artig genug. Jedoch geh’ ich auch leicht nach
andern Orten. Der Wald iſt göttlich! — wunderbar ſchön.
So dünkt mich hatten ſich Laub, Zweige, Blätter, Scheine
und Farben nie. Alles ſo zauberartig! Und wahrhaftig, ich
befinde mich doch nicht ſo prächtig. — Mad. Herz hat mir
ſehr freundlich und natürlich von Dresden geſchrieben; in wel-
chem ſie unter dem Namen „M. der Koloß“ nach Ihnen
fragt. H’n aber wie ein Kind pflegen möchte! —
Anmerk. Zum beſſern Verſtändniſſe der Stimmungen und Anſich-
ten, welche durch die ganze Zeitlage überwiegend bedingt waren, wird es
nöthig, hier aus den Briefen von Marwitz einiges mitzutheilen.
Friedersdorf, Sonntag den 19. Mai 1811.
Goldene, göttliche Worte, liebe Rahel: „Leben, lieben, ſtudiren, flei-
ßig ſein, heirathen, wenn s ſo kommt, jede Kleinigkeit recht und lebendig
machen, dies iſt immer gelebt, und dies wehrt niemand.“ Ja ich weiß
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/521>, abgerufen am 20.11.2024.
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