Alles ist auch im Überfluß auf den Märkten. Der Ärmste ißt gut und kann es. Mein Sommer ist hin: Vergnügen kann ich nicht haben. Ich nehme mich gränzenlos in Acht -- das muß man bei kaltem Fieber -- aber ich schreite auch fort in der Besserung. Biete mir nichts an, lieber Junge, ich habe genug. Aus dem Todesbette dirigirte ich doch noch eine ge- wisse Ökonomie. -- Lebe gesund! Und wenn ich nicht oft schreibe, wundre dich nicht. Es wird mir sauer. Antworte du! Adieu, Lieber. Das Leben ist gewiß eine Buße; eine Reinigung, wo Gott, aus Güte, auch Lockungen, auch Freu- den, zugelassen hat. Ich fühl's, es wird mir immer klarer. Sieh die Königin! Sie tanzte noch, als ich schon todringend keuchte. Gott sei uns gnädig! -- --
Sonnabend, den 28. Juli 1810.
-- Ich muß nun hier in Leid und Krankheit angebannt bleiben. Gott will es unmittelbar! -- Meine Geschichte ist meine Klage. Gott nur hört das Geschrei meines Innren. Seit gestern ist mir Ruhe von ihm geschickt. Ich bete, und reinige meine Seele. Ich bemühe mich, meinen Zorn, und Rache, die ich liebte, wenn auch nicht übte, zum Opfer zu bringen. -- Gentz, Marwitz, und der Horizont, thun mir weh. Aber auch dies bemühe ich mich in Unterwerfung anzunehmen. Gott ist mir gnädig darin. Es ist eine Sünde dergleichen auszusprechen: mein Herz zwingt mich: und lügen müßt' ich. schrieb' ich was anders.
Alles iſt auch im Überfluß auf den Märkten. Der Ärmſte ißt gut und kann es. Mein Sommer iſt hin: Vergnügen kann ich nicht haben. Ich nehme mich gränzenlos in Acht — das muß man bei kaltem Fieber — aber ich ſchreite auch fort in der Beſſerung. Biete mir nichts an, lieber Junge, ich habe genug. Aus dem Todesbette dirigirte ich doch noch eine ge- wiſſe Ökonomie. — Lebe geſund! Und wenn ich nicht oft ſchreibe, wundre dich nicht. Es wird mir ſauer. Antworte du! Adieu, Lieber. Das Leben iſt gewiß eine Buße; eine Reinigung, wo Gott, aus Güte, auch Lockungen, auch Freu- den, zugelaſſen hat. Ich fühl’s, es wird mir immer klarer. Sieh die Königin! Sie tanzte noch, als ich ſchon todringend keuchte. Gott ſei uns gnädig! — —
Sonnabend, den 28. Juli 1810.
— Ich muß nun hier in Leid und Krankheit angebannt bleiben. Gott will es unmittelbar! — Meine Geſchichte iſt meine Klage. Gott nur hört das Geſchrei meines Innren. Seit geſtern iſt mir Ruhe von ihm geſchickt. Ich bete, und reinige meine Seele. Ich bemühe mich, meinen Zorn, und Rache, die ich liebte, wenn auch nicht übte, zum Opfer zu bringen. — Gentz, Marwitz, und der Horizont, thun mir weh. Aber auch dies bemühe ich mich in Unterwerfung anzunehmen. Gott iſt mir gnädig darin. Es iſt eine Sünde dergleichen auszuſprechen: mein Herz zwingt mich: und lügen müßt’ ich. ſchrieb’ ich was anders.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0490"n="476"/>
Alles iſt auch im Überfluß auf den Märkten. Der Ärmſte ißt<lb/>
gut und kann es. Mein Sommer iſt hin: Vergnügen kann<lb/>
ich nicht haben. Ich nehme mich gränzenlos in Acht — das<lb/>
muß man bei kaltem Fieber — aber ich ſchreite auch fort in<lb/>
der Beſſerung. Biete mir nichts an, lieber Junge, ich habe<lb/>
genug. Aus dem Todesbette dirigirte ich doch noch eine ge-<lb/>
wiſſe Ökonomie. — Lebe <hirendition="#g">geſund</hi>! Und wenn ich nicht oft<lb/>ſchreibe, wundre dich nicht. Es wird mir ſauer. Antworte<lb/>
du! Adieu, Lieber. Das Leben iſt gewiß eine Buße; eine<lb/>
Reinigung, wo Gott, aus Güte, auch Lockungen, auch Freu-<lb/>
den, zugelaſſen hat. Ich fühl’s, es wird mir immer klarer.<lb/>
Sieh die Königin! Sie tanzte noch, als ich ſchon todringend<lb/>
keuchte. Gott ſei uns gnädig! ——</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Sonnabend, den 28. Juli 1810.</hi></dateline><lb/><p>— Ich muß nun hier in Leid und Krankheit angebannt<lb/>
bleiben. Gott will es unmittelbar! — Meine Geſchichte iſt<lb/>
meine Klage. Gott nur hört das Geſchrei meines Innren.<lb/>
Seit geſtern iſt mir Ruhe von ihm geſchickt. Ich bete, und<lb/>
reinige meine Seele. Ich bemühe mich, meinen Zorn, und<lb/>
Rache, die ich liebte, wenn auch nicht übte, zum Opfer zu<lb/>
bringen. — Gentz, Marwitz, und der Horizont, thun mir weh.<lb/>
Aber auch dies bemühe ich mich in Unterwerfung anzunehmen.<lb/>
Gott iſt mir gnädig darin. Es iſt eine Sünde dergleichen<lb/>
auszuſprechen: mein Herz zwingt mich: und lügen müßt’ ich.<lb/>ſchrieb’ ich was anders.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[476/0490]
Alles iſt auch im Überfluß auf den Märkten. Der Ärmſte ißt
gut und kann es. Mein Sommer iſt hin: Vergnügen kann
ich nicht haben. Ich nehme mich gränzenlos in Acht — das
muß man bei kaltem Fieber — aber ich ſchreite auch fort in
der Beſſerung. Biete mir nichts an, lieber Junge, ich habe
genug. Aus dem Todesbette dirigirte ich doch noch eine ge-
wiſſe Ökonomie. — Lebe geſund! Und wenn ich nicht oft
ſchreibe, wundre dich nicht. Es wird mir ſauer. Antworte
du! Adieu, Lieber. Das Leben iſt gewiß eine Buße; eine
Reinigung, wo Gott, aus Güte, auch Lockungen, auch Freu-
den, zugelaſſen hat. Ich fühl’s, es wird mir immer klarer.
Sieh die Königin! Sie tanzte noch, als ich ſchon todringend
keuchte. Gott ſei uns gnädig! — —
Sonnabend, den 28. Juli 1810.
— Ich muß nun hier in Leid und Krankheit angebannt
bleiben. Gott will es unmittelbar! — Meine Geſchichte iſt
meine Klage. Gott nur hört das Geſchrei meines Innren.
Seit geſtern iſt mir Ruhe von ihm geſchickt. Ich bete, und
reinige meine Seele. Ich bemühe mich, meinen Zorn, und
Rache, die ich liebte, wenn auch nicht übte, zum Opfer zu
bringen. — Gentz, Marwitz, und der Horizont, thun mir weh.
Aber auch dies bemühe ich mich in Unterwerfung anzunehmen.
Gott iſt mir gnädig darin. Es iſt eine Sünde dergleichen
auszuſprechen: mein Herz zwingt mich: und lügen müßt’ ich.
ſchrieb’ ich was anders.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/490>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.