-- Ich vergesse den Frieden nicht. Wie ein schweres Unglück erschreckt er mich, wenn ich ihn einen Augenblick ver- gessen habe. --
Berlin, den 28. Juli 1807.
Ich bin wie der Prinz in der Zauberflöte. Ich poche an alle Tempel, da ich nicht gestorben bin vom ersten Zurück- weisen. Und man kann nicht sagen, wie der kranke Ham- let: "Ist es edler, dulden, oder muthig dem Spiel ein Ende machen;" sondern, edel ist, eine Übersicht über seine eigene Natur und die Umstände, die uns umgeben, zu behalten; und mit Bewußtsein und Schmerz entbehren; und mit Bewußtsein im Genuß genießen; auf alles, und sogar auf eigene Rück- fälle, gefaßt sein; und an Entwickelung glauben.
Sonnabrnd, den 19. September 1807.
Was mir noch lieb ist: ist, daß ich mich kennen gelernt habe. Der letzte Beweis meiner Stehekraft soll mir ferner die- nen mich noch muthiger zu machen; muthig, durchaus Unwür- diges nicht an der Stelle von Glück zu dulden. Wer nur im Herzen lebt, und aus dem Herzen giebt, soll gar nicht schlechte Münzen annehmen. Aus der Welt hat mich Geburt gestoßen, Glück nicht eingelassen, oder herunter; ich halte mich ewig an meines Herzens Kraft und an was mein Geist mir zeigt. Dies ist der mir von der Natur angezeigte Kreis: und in dem bin ich mächtig und die Andern nichtig.
Wäre ich nur über gewaltsamen Tod, cachot, Operatio-
I. 21
— Ich vergeſſe den Frieden nicht. Wie ein ſchweres Unglück erſchreckt er mich, wenn ich ihn einen Augenblick ver- geſſen habe. —
Berlin, den 28. Juli 1807.
Ich bin wie der Prinz in der Zauberflöte. Ich poche an alle Tempel, da ich nicht geſtorben bin vom erſten Zurück- weiſen. Und man kann nicht ſagen, wie der kranke Ham- let: „Iſt es edler, dulden, oder muthig dem Spiel ein Ende machen;“ ſondern, edel iſt, eine Überſicht über ſeine eigene Natur und die Umſtände, die uns umgeben, zu behalten; und mit Bewußtſein und Schmerz entbehren; und mit Bewußtſein im Genuß genießen; auf alles, und ſogar auf eigene Rück- fälle, gefaßt ſein; und an Entwickelung glauben.
Sonnabrnd, den 19. September 1807.
Was mir noch lieb iſt: iſt, daß ich mich kennen gelernt habe. Der letzte Beweis meiner Stehekraft ſoll mir ferner die- nen mich noch muthiger zu machen; muthig, durchaus Unwür- diges nicht an der Stelle von Glück zu dulden. Wer nur im Herzen lebt, und aus dem Herzen giebt, ſoll gar nicht ſchlechte Münzen annehmen. Aus der Welt hat mich Geburt geſtoßen, Glück nicht eingelaſſen, oder herunter; ich halte mich ewig an meines Herzens Kraft und an was mein Geiſt mir zeigt. Dies iſt der mir von der Natur angezeigte Kreis: und in dem bin ich mächtig und die Andern nichtig.
Wäre ich nur über gewaltſamen Tod, cachot, Operatio-
I. 21
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0335"n="321"/>—<hirendition="#g">Ich vergeſſe den Frieden nicht</hi>. Wie ein ſchweres<lb/>
Unglück erſchreckt er mich, wenn ich ihn einen Augenblick ver-<lb/>
geſſen habe. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 28. Juli 1807.</hi></dateline><lb/><p>Ich bin wie der Prinz in der Zauberflöte. Ich poche an<lb/>
alle Tempel, da ich nicht geſtorben bin vom erſten Zurück-<lb/>
weiſen. Und man kann <hirendition="#g">nicht</hi>ſagen, wie der kranke Ham-<lb/>
let: „Iſt es edler, dulden, oder muthig dem Spiel ein Ende<lb/>
machen;“<hirendition="#g">ſondern</hi>, edel iſt, eine Überſicht über ſeine eigene<lb/>
Natur und die Umſtände, die uns umgeben, zu behalten; und<lb/>
mit Bewußtſein und Schmerz entbehren; und mit Bewußtſein<lb/>
im Genuß genießen; auf alles, und ſogar auf eigene Rück-<lb/>
fälle, gefaßt ſein; und an Entwickelung glauben.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Sonnabrnd, den 19. September 1807.</hi></dateline><lb/><p>Was mir noch lieb iſt: iſt, daß ich mich kennen gelernt<lb/>
habe. Der letzte Beweis meiner Stehekraft ſoll mir ferner die-<lb/>
nen mich noch muthiger zu machen; muthig, durchaus Unwür-<lb/>
diges nicht an der Stelle von Glück zu dulden. Wer nur im<lb/>
Herzen lebt, und aus dem Herzen giebt, <hirendition="#g">ſoll</hi> gar nicht ſchlechte<lb/>
Münzen annehmen. Aus der Welt hat mich Geburt geſtoßen,<lb/>
Glück nicht eingelaſſen, oder herunter; ich halte mich ewig an<lb/>
meines Herzens Kraft und an was mein Geiſt mir zeigt. Dies<lb/>
iſt der mir von der Natur angezeigte Kreis: und in dem bin<lb/><hirendition="#g">ich</hi> mächtig und die Andern nichtig.</p><lb/><p>Wäre ich nur über gewaltſamen Tod, <hirendition="#aq">cachot,</hi> Operatio-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I.</hi> 21</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[321/0335]
— Ich vergeſſe den Frieden nicht. Wie ein ſchweres
Unglück erſchreckt er mich, wenn ich ihn einen Augenblick ver-
geſſen habe. —
Berlin, den 28. Juli 1807.
Ich bin wie der Prinz in der Zauberflöte. Ich poche an
alle Tempel, da ich nicht geſtorben bin vom erſten Zurück-
weiſen. Und man kann nicht ſagen, wie der kranke Ham-
let: „Iſt es edler, dulden, oder muthig dem Spiel ein Ende
machen;“ ſondern, edel iſt, eine Überſicht über ſeine eigene
Natur und die Umſtände, die uns umgeben, zu behalten; und
mit Bewußtſein und Schmerz entbehren; und mit Bewußtſein
im Genuß genießen; auf alles, und ſogar auf eigene Rück-
fälle, gefaßt ſein; und an Entwickelung glauben.
Sonnabrnd, den 19. September 1807.
Was mir noch lieb iſt: iſt, daß ich mich kennen gelernt
habe. Der letzte Beweis meiner Stehekraft ſoll mir ferner die-
nen mich noch muthiger zu machen; muthig, durchaus Unwür-
diges nicht an der Stelle von Glück zu dulden. Wer nur im
Herzen lebt, und aus dem Herzen giebt, ſoll gar nicht ſchlechte
Münzen annehmen. Aus der Welt hat mich Geburt geſtoßen,
Glück nicht eingelaſſen, oder herunter; ich halte mich ewig an
meines Herzens Kraft und an was mein Geiſt mir zeigt. Dies
iſt der mir von der Natur angezeigte Kreis: und in dem bin
ich mächtig und die Andern nichtig.
Wäre ich nur über gewaltſamen Tod, cachot, Operatio-
I. 21
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/335>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.