und ohne wirkliche Erscheinung, aus Krankhaftigkeit, Mangel, Stierheit. Kurz, ich freue mich etwas, daß auch nur ein bischen Vegetation auf einem Orte zu sehen ist, den ich seit fünf (und mehreren Jahren eigentlich --) als den Schauplatz von Verwüstungen kenne; von dem ich leben soll, mein Herz. Aber dieser kleine Bosheits-Trost, läßt und giebt er mir nicht auch den Rückblick auf ewige und erneute Trauer? Davon wollt' ich schweigen.
Mit dem Schicksal bin ich nicht "ausgesöhnter:" ich denke schon länger, es giebt keins. Es giebt ein Univer- sum, in dem entwicklen wir uns; und es ist ganz gleich, wel- ches Schicksal wir haben, wenn wir zu Sinne gekommen sind; die Entwickelung ist unser Schicksal. Kein Zahnweh! und der Rest sind wir alles selbst. --
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, den 17. September 1806.
Es ist schon stockfinstre Nacht, mit Licht und allem, und noch nicht gar lange, daß mir Ihr Brief überreicht wurde. Da es zum Kommen zu spät ist, so will ich Ihnen doch durch einige Zeilen, und wo möglich Punkt für Punkt, antworten. Ja, ich bitte Sie, liebe Freundin, denken Sie "an die weni- gen Wochen, da ich zufrieden mit Ihnen war." Nicht deß- halb, weil ich zufrieden mit Ihnen war, sondern, weil Sie vergnügt waren, mich in die Seele hinein freuten; weil jene Zeit Ihnen Bürge ist, daß Sie, daß man vergnügt sein kann, wenn man nicht körperliche Leiden hat; das andere Trauer
und ohne wirkliche Erſcheinung, aus Krankhaftigkeit, Mangel, Stierheit. Kurz, ich freue mich etwas, daß auch nur ein bischen Vegetation auf einem Orte zu ſehen iſt, den ich ſeit fünf (und mehreren Jahren eigentlich —) als den Schauplatz von Verwüſtungen kenne; von dem ich leben ſoll, mein Herz. Aber dieſer kleine Bosheits-Troſt, läßt und giebt er mir nicht auch den Rückblick auf ewige und erneute Trauer? Davon wollt’ ich ſchweigen.
Mit dem Schickſal bin ich nicht „ausgeſöhnter:“ ich denke ſchon länger, es giebt keins. Es giebt ein Univer- ſum, in dem entwicklen wir uns; und es iſt ganz gleich, wel- ches Schickſal wir haben, wenn wir zu Sinne gekommen ſind; die Entwickelung iſt unſer Schickſal. Kein Zahnweh! und der Reſt ſind wir alles ſelbſt. —
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, den 17. September 1806.
Es iſt ſchon ſtockfinſtre Nacht, mit Licht und allem, und noch nicht gar lange, daß mir Ihr Brief überreicht wurde. Da es zum Kommen zu ſpät iſt, ſo will ich Ihnen doch durch einige Zeilen, und wo möglich Punkt für Punkt, antworten. Ja, ich bitte Sie, liebe Freundin, denken Sie „an die weni- gen Wochen, da ich zufrieden mit Ihnen war.“ Nicht deß- halb, weil ich zufrieden mit Ihnen war, ſondern, weil Sie vergnügt waren, mich in die Seele hinein freuten; weil jene Zeit Ihnen Bürge iſt, daß Sie, daß man vergnügt ſein kann, wenn man nicht körperliche Leiden hat; das andere Trauer
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und ohne wirkliche Erſcheinung, aus Krankhaftigkeit,
Mangel, Stierheit. Kurz, ich freue mich etwas, daß auch
nur ein bischen Vegetation auf einem Orte zu ſehen iſt, den
ich ſeit fünf (und mehreren Jahren eigentlich —) als den
Schauplatz von Verwüſtungen kenne; von dem ich leben
ſoll, mein Herz. Aber dieſer kleine Bosheits-Troſt, läßt und
giebt er mir nicht auch den Rückblick auf ewige und erneute
Trauer? Davon wollt’ ich ſchweigen.
Mit dem Schickſal bin ich nicht „ausgeſöhnter:“ ich
denke ſchon länger, es giebt keins. Es giebt ein Univer-
ſum, in dem entwicklen wir uns; und es iſt ganz gleich, wel-
ches Schickſal wir haben, wenn wir zu Sinne gekommen ſind;
die Entwickelung iſt unſer Schickſal. Kein Zahnweh! und
der Reſt ſind wir alles ſelbſt. —
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, den 17. September 1806.
Es iſt ſchon ſtockfinſtre Nacht, mit Licht und allem, und
noch nicht gar lange, daß mir Ihr Brief überreicht wurde.
Da es zum Kommen zu ſpät iſt, ſo will ich Ihnen doch durch
einige Zeilen, und wo möglich Punkt für Punkt, antworten.
Ja, ich bitte Sie, liebe Freundin, denken Sie „an die weni-
gen Wochen, da ich zufrieden mit Ihnen war.“ Nicht deß-
halb, weil ich zufrieden mit Ihnen war, ſondern, weil Sie
vergnügt waren, mich in die Seele hinein freuten; weil jene
Zeit Ihnen Bürge iſt, daß Sie, daß man vergnügt ſein kann,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/313>, abgerufen am 20.11.2024.
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