brauchtet Ludwig etwas mit Gewalt; trotz seiner Lässigkeit und eurer Aufgebrachtheit. Jetzt kommt es auf nützen an!
Mama und Alle sind sehr wohl. Ich schrieb nur heute, damit auch ihr eine schnelle Antwort erhaltet: da ich doch sehe, daß es geht. Markus ist in Breslau. Adieu. Schreibt mir nur bald wieder!
R. L.
Sonntag Abend, den 14. September 1806.
Es giebt ein Farbenspiel -- ich will es so nennen, -- in unserer Brust, das so zart ist, daß, sobald wir es aussprechen wollen, es zur Lüge wird; ich sehe die Worte, wenn sie sich aus meinem Herzen gearbeitet haben, wie in der Luft vor mir schweben; und sie bilden eine Lüge; ich suche andere, die Zeit geht vorüber; und auch wären sie nicht besser geworden! Diese Scheu hält mich ab, zu sprechen. -- Eine Empfindung ist schön; so lange sie nicht zur Geschichte wird: mit dem Leben selbst ist es so! Zu leben, die volle Empfindung der Existenz: ist schön; und im Abhaspeln wie wochenartig, und daher schmerzhaft -- die hohe freie Seele soll Bedingungen ertragen. --
Montag, den 15. September 1806.
-- So "heiter" bin ich auch zuvor gewesen. Und ist ein wenig weniger Gleichgewicht jetzt in meinem Vergnügt- sein, so kommt es daher, daß ich mich stark bei Schwäche fühle; und mich gefaßt auf alles finde. Ich war indignirt, Sinn und Verstand noch verpfändet zu wissen, ohne Reiz;
brauchtet Ludwig etwas mit Gewalt; trotz ſeiner Läſſigkeit und eurer Aufgebrachtheit. Jetzt kommt es auf nützen an!
Mama und Alle ſind ſehr wohl. Ich ſchrieb nur heute, damit auch ihr eine ſchnelle Antwort erhaltet: da ich doch ſehe, daß es geht. Markus iſt in Breslau. Adieu. Schreibt mir nur bald wieder!
R. L.
Sonntag Abend, den 14. September 1806.
Es giebt ein Farbenſpiel — ich will es ſo nennen, — in unſerer Bruſt, das ſo zart iſt, daß, ſobald wir es ausſprechen wollen, es zur Lüge wird; ich ſehe die Worte, wenn ſie ſich aus meinem Herzen gearbeitet haben, wie in der Luft vor mir ſchweben; und ſie bilden eine Lüge; ich ſuche andere, die Zeit geht vorüber; und auch wären ſie nicht beſſer geworden! Dieſe Scheu hält mich ab, zu ſprechen. — Eine Empfindung iſt ſchön; ſo lange ſie nicht zur Geſchichte wird: mit dem Leben ſelbſt iſt es ſo! Zu leben, die volle Empfindung der Exiſtenz: iſt ſchön; und im Abhaspeln wie wochenartig, und daher ſchmerzhaft — die hohe freie Seele ſoll Bedingungen ertragen. —
Montag, den 15. September 1806.
— So „heiter“ bin ich auch zuvor geweſen. Und iſt ein wenig weniger Gleichgewicht jetzt in meinem Vergnügt- ſein, ſo kommt es daher, daß ich mich ſtark bei Schwäche fühle; und mich gefaßt auf alles finde. Ich war indignirt, Sinn und Verſtand noch verpfändet zu wiſſen, ohne Reiz;
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brauchtet Ludwig etwas mit Gewalt; trotz ſeiner Läſſigkeit
und eurer Aufgebrachtheit. Jetzt kommt es auf nützen an!
Mama und Alle ſind ſehr wohl. Ich ſchrieb nur heute,
damit auch ihr eine ſchnelle Antwort erhaltet: da ich doch
ſehe, daß es geht. Markus iſt in Breslau. Adieu. Schreibt
mir nur bald wieder!
R. L.
Sonntag Abend, den 14. September 1806.
Es giebt ein Farbenſpiel — ich will es ſo nennen, — in
unſerer Bruſt, das ſo zart iſt, daß, ſobald wir es ausſprechen
wollen, es zur Lüge wird; ich ſehe die Worte, wenn ſie ſich
aus meinem Herzen gearbeitet haben, wie in der Luft vor mir
ſchweben; und ſie bilden eine Lüge; ich ſuche andere, die Zeit
geht vorüber; und auch wären ſie nicht beſſer geworden!
Dieſe Scheu hält mich ab, zu ſprechen. — Eine Empfindung
iſt ſchön; ſo lange ſie nicht zur Geſchichte wird: mit dem
Leben ſelbſt iſt es ſo! Zu leben, die volle Empfindung der
Exiſtenz: iſt ſchön; und im Abhaspeln wie wochenartig, und
daher ſchmerzhaft — die hohe freie Seele ſoll Bedingungen
ertragen. —
Montag, den 15. September 1806.
— So „heiter“ bin ich auch zuvor geweſen. Und iſt
ein wenig weniger Gleichgewicht jetzt in meinem Vergnügt-
ſein, ſo kommt es daher, daß ich mich ſtark bei Schwäche
fühle; und mich gefaßt auf alles finde. Ich war indignirt,
Sinn und Verſtand noch verpfändet zu wiſſen, ohne Reiz;
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/312>, abgerufen am 20.11.2024.
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