Hans und Rose ganz sehen.) Einliegenden Brief an Burgs- dorf liest du Richtern, siegelst ihn gleich zu, und schickst ihn gleich ab, es liegt Burgsdorf und mir sehr viel daran. Du sprichst nie! von dem Brief, und sagst Richtern dasselbe. Ich lass' ihn ihm lesen, weil ich ihn grad schrieb, als seiner kam, und ich leicht von mir nichts Bessers sagen könnte: wenigstens in der Geschwindigkeit, und unter Kinderlärm, Nähterin, Vi- siten, Geldbezahlen, und so etwas, geschrieben, daß der ganze Brief beinah eine Ellipse ist; so möcht' er das nur nicht kraß nehmen, was ich von Geheimrath Meyers Vorurtheilen schrieb; sondern ich meine nur, daß die Judenmeinung überhaupt den Tinten der andern Meinungen Schatten und Farben liehe, und plumpe Lügen über mich glaubhaft anstriche: und mehr dergleichen Lücken in meinem Briefe. Adieu. Grüße deinen Mann und deine Mutter recht sehr von mir; aber sprich nicht von mir! Übermorgen schreib' ich nach Hause. Humboldts grüßen dich: sie besonders, weil du ihre Augen sonst lobtest. Grüß Brinckmann. --
An Rose, in Berlin.
Paris, den 18. Januar 1801.
Es ist beinah 7 Abends, ich bin ganz allein, (eine Strümpfe stopfende Line rechne ich nicht.) Es regnet. Meine Seele läßt sich heute vielleicht -- was sag' ich vielleicht, gewiß -- weniger beschreiben als je. Das sei aber gesagt! -- daß ich heute gegen -- wie soll ich es nennen? -- alles was mir begegnet ist, eine Unversöhnlichkeit hege, die, wenn sie nicht auf dem
Hans und Roſe ganz ſehen.) Einliegenden Brief an Burgs- dorf lieſt du Richtern, ſiegelſt ihn gleich zu, und ſchickſt ihn gleich ab, es liegt Burgsdorf und mir ſehr viel daran. Du ſprichſt nie! von dem Brief, und ſagſt Richtern daſſelbe. Ich laſſ’ ihn ihm leſen, weil ich ihn grad ſchrieb, als ſeiner kam, und ich leicht von mir nichts Beſſers ſagen könnte: wenigſtens in der Geſchwindigkeit, und unter Kinderlärm, Nähterin, Vi- ſiten, Geldbezahlen, und ſo etwas, geſchrieben, daß der ganze Brief beinah eine Ellipſe iſt; ſo möcht’ er das nur nicht kraß nehmen, was ich von Geheimrath Meyers Vorurtheilen ſchrieb; ſondern ich meine nur, daß die Judenmeinung überhaupt den Tinten der andern Meinungen Schatten und Farben liehe, und plumpe Lügen über mich glaubhaft anſtriche: und mehr dergleichen Lücken in meinem Briefe. Adieu. Grüße deinen Mann und deine Mutter recht ſehr von mir; aber ſprich nicht von mir! Übermorgen ſchreib’ ich nach Hauſe. Humboldts grüßen dich: ſie beſonders, weil du ihre Augen ſonſt lobteſt. Grüß Brinckmann. —
An Roſe, in Berlin.
Paris, den 18. Januar 1801.
Es iſt beinah 7 Abends, ich bin ganz allein, (eine Strümpfe ſtopfende Line rechne ich nicht.) Es regnet. Meine Seele läßt ſich heute vielleicht — was ſag’ ich vielleicht, gewiß — weniger beſchreiben als je. Das ſei aber geſagt! — daß ich heute gegen — wie ſoll ich es nennen? — alles was mir begegnet iſt, eine Unverſöhnlichkeit hege, die, wenn ſie nicht auf dem
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Hans und Roſe ganz ſehen.) Einliegenden Brief an Burgs-
dorf lieſt du Richtern, ſiegelſt ihn gleich zu, und ſchickſt ihn
gleich ab, es liegt Burgsdorf und mir ſehr viel daran. Du
ſprichſt nie! von dem Brief, und ſagſt Richtern daſſelbe. Ich
laſſ’ ihn ihm leſen, weil ich ihn grad ſchrieb, als ſeiner kam,
und ich leicht von mir nichts Beſſers ſagen könnte: wenigſtens
in der Geſchwindigkeit, und unter Kinderlärm, Nähterin, Vi-
ſiten, Geldbezahlen, und ſo etwas, geſchrieben, daß der ganze
Brief beinah eine Ellipſe iſt; ſo möcht’ er das nur nicht kraß
nehmen, was ich von Geheimrath Meyers Vorurtheilen ſchrieb;
ſondern ich meine nur, daß die Judenmeinung überhaupt den
Tinten der andern Meinungen Schatten und Farben liehe,
und plumpe Lügen über mich glaubhaft anſtriche: und mehr
dergleichen Lücken in meinem Briefe. Adieu. Grüße deinen
Mann und deine Mutter recht ſehr von mir; aber ſprich nicht
von mir! Übermorgen ſchreib’ ich nach Hauſe. Humboldts
grüßen dich: ſie beſonders, weil du ihre Augen ſonſt lobteſt.
Grüß Brinckmann. —
An Roſe, in Berlin.
Paris, den 18. Januar 1801.
Es iſt beinah 7 Abends, ich bin ganz allein, (eine Strümpfe
ſtopfende Line rechne ich nicht.) Es regnet. Meine Seele läßt
ſich heute vielleicht — was ſag’ ich vielleicht, gewiß — weniger
beſchreiben als je. Das ſei aber geſagt! — daß ich heute
gegen — wie ſoll ich es nennen? — alles was mir begegnet
iſt, eine Unverſöhnlichkeit hege, die, wenn ſie nicht auf dem
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/236>, abgerufen am 30.12.2024.
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