Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ber Engel! Jedes Wort, was ich sehe, kostet mich einen
schweren Odemzug. "Gute Küche". Wenn sie nur für Sie
gut ist; ach wie vielerlei Sorgen hab' ich! -- Sie strengen sich
doch an, -- gute Pflege -- wie dankbar, wie beredt sind Sie
nicht gewiß dafür! -- Es bleibt doch immer ein fremdes Haus.
Nur bei mir dürften Sie keine Emotions haben. Ich wüßte
schon alles zu machen. Sie kennen mich wahrhaftig noch
nicht; praktisch. Was ist zu thun -- leiden, wie immer. Muß
Sie denn Ihr König zu einer bestimmten Zeit sprechen? Könn-
ten Sie nicht fordern, sich hier bei einem berühmten Arzte
und Freund kuriren zu wollen, und dann die Rede stehen
und jeden Auftrag fördern? Ach Brinckmann! ich fürchte
Ihre Leidenschaft in diesen Zeiten, wo man weder Geliebten
noch König, Vaterland oder Republick treu ist, es innerlich
religiös sein zu wollen, opfern Sie alles -- sich und uns,
auf. Leben Sie, oder sterben Sie! Handlen Sie nach Ihrem
Innersten: daher kommt nur Glück. Aber wissen Sie, daß
es mir nicht entgeht: "Verbiete du dem Seidenwurm zu
spinnen." Tasso.



An Gustav von Brinckmann, in Hamburg.


Lieber Brinckmann! denken Sie sich meinen Verdruß, wie
ich das Formular vom Gebrauch des Guajac gar nicht im
Bref finde: künftige Post sollen Sie's haben. Herz ist
grade heut im Thiergarten. Ich weiß nichts neues zu bitten!
-- Schreiben Sie nicht, will ich nur sagen; nicht mehr:

ber Engel! Jedes Wort, was ich ſehe, koſtet mich einen
ſchweren Odemzug. „Gute Küche“. Wenn ſie nur für Sie
gut iſt; ach wie vielerlei Sorgen hab’ ich! — Sie ſtrengen ſich
doch an, — gute Pflege — wie dankbar, wie beredt ſind Sie
nicht gewiß dafür! — Es bleibt doch immer ein fremdes Haus.
Nur bei mir dürften Sie keine Emotions haben. Ich wüßte
ſchon alles zu machen. Sie kennen mich wahrhaftig noch
nicht; praktiſch. Was iſt zu thun — leiden, wie immer. Muß
Sie denn Ihr König zu einer beſtimmten Zeit ſprechen? Könn-
ten Sie nicht fordern, ſich hier bei einem berühmten Arzte
und Freund kuriren zu wollen, und dann die Rede ſtehen
und jeden Auftrag fördern? Ach Brinckmann! ich fürchte
Ihre Leidenſchaft in dieſen Zeiten, wo man weder Geliebten
noch König, Vaterland oder Republick treu iſt, es innerlich
religiös ſein zu wollen, opfern Sie alles — ſich und uns,
auf. Leben Sie, oder ſterben Sie! Handlen Sie nach Ihrem
Innerſten: daher kommt nur Glück. Aber wiſſen Sie, daß
es mir nicht entgeht: „Verbiete du dem Seidenwurm zu
ſpinnen.“ Taſſo.



An Guſtav von Brinckmann, in Hamburg.


Lieber Brinckmann! denken Sie ſich meinen Verdruß, wie
ich das Formular vom Gebrauch des Guajac gar nicht im
Bref finde: künftige Poſt ſollen Sie’s haben. Herz iſt
grade heut im Thiergarten. Ich weiß nichts neues zu bitten!
Schreiben Sie nicht, will ich nur ſagen; nicht mehr:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0216" n="202"/>
ber Engel! Jedes Wort, was ich &#x017F;ehe, ko&#x017F;tet mich einen<lb/>
&#x017F;chweren Odemzug. &#x201E;Gute Küche&#x201C;. Wenn &#x017F;ie nur für <hi rendition="#g">Sie</hi><lb/>
gut i&#x017F;t; ach wie vielerlei Sorgen hab&#x2019; ich! &#x2014; Sie &#x017F;trengen &#x017F;ich<lb/>
doch an, &#x2014; gute Pflege &#x2014; wie dankbar, wie beredt &#x017F;ind Sie<lb/>
nicht gewiß dafür! &#x2014; Es bleibt doch immer ein fremdes Haus.<lb/>
Nur bei mir dürften Sie keine Emotions haben. Ich wüßte<lb/>
&#x017F;chon <hi rendition="#g">alles</hi> zu machen. Sie kennen mich wahrhaftig noch<lb/>
nicht; prakti&#x017F;ch. Was i&#x017F;t zu thun &#x2014; leiden, wie immer. Muß<lb/>
Sie denn Ihr König zu einer be&#x017F;timmten Zeit &#x017F;prechen? Könn-<lb/>
ten Sie nicht <hi rendition="#g">fordern</hi>, &#x017F;ich hier bei einem berühmten Arzte<lb/>
und Freund kuriren zu wollen, und dann die Rede &#x017F;tehen<lb/>
und jeden Auftrag fördern? Ach Brinckmann! ich fürchte<lb/>
Ihre Leiden&#x017F;chaft in die&#x017F;en Zeiten, wo man weder Geliebten<lb/>
noch König, Vaterland oder Republick treu i&#x017F;t, es innerlich<lb/>
religiös &#x017F;ein zu wollen, opfern Sie <hi rendition="#g">alles</hi> &#x2014; &#x017F;ich und uns,<lb/>
auf. Leben Sie, oder &#x017F;terben Sie! Handlen Sie nach Ihrem<lb/>
Inner&#x017F;ten: <hi rendition="#g">daher</hi> kommt nur Glück. Aber wi&#x017F;&#x017F;en Sie, daß<lb/>
es <hi rendition="#g">mir</hi> nicht entgeht: &#x201E;Verbiete du dem Seidenwurm zu<lb/>
&#x017F;pinnen.&#x201C; Ta&#x017F;&#x017F;o.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Gu&#x017F;tav von Brinckmann, in Hamburg.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Berlin, Juli 1800.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Lieber Brinckmann! denken Sie &#x017F;ich meinen Verdruß, wie<lb/>
ich das Formular vom Gebrauch des Guajac gar nicht im<lb/>
Bref <hi rendition="#g">finde</hi>: künftige Po&#x017F;t &#x017F;ollen Sie&#x2019;s haben. <hi rendition="#g">Herz</hi> i&#x017F;t<lb/>
grade heut im Thiergarten. Ich weiß nichts neues zu bitten!<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#g">Schreiben</hi> Sie nicht, will ich nur &#x017F;agen; nicht mehr:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0216] ber Engel! Jedes Wort, was ich ſehe, koſtet mich einen ſchweren Odemzug. „Gute Küche“. Wenn ſie nur für Sie gut iſt; ach wie vielerlei Sorgen hab’ ich! — Sie ſtrengen ſich doch an, — gute Pflege — wie dankbar, wie beredt ſind Sie nicht gewiß dafür! — Es bleibt doch immer ein fremdes Haus. Nur bei mir dürften Sie keine Emotions haben. Ich wüßte ſchon alles zu machen. Sie kennen mich wahrhaftig noch nicht; praktiſch. Was iſt zu thun — leiden, wie immer. Muß Sie denn Ihr König zu einer beſtimmten Zeit ſprechen? Könn- ten Sie nicht fordern, ſich hier bei einem berühmten Arzte und Freund kuriren zu wollen, und dann die Rede ſtehen und jeden Auftrag fördern? Ach Brinckmann! ich fürchte Ihre Leidenſchaft in dieſen Zeiten, wo man weder Geliebten noch König, Vaterland oder Republick treu iſt, es innerlich religiös ſein zu wollen, opfern Sie alles — ſich und uns, auf. Leben Sie, oder ſterben Sie! Handlen Sie nach Ihrem Innerſten: daher kommt nur Glück. Aber wiſſen Sie, daß es mir nicht entgeht: „Verbiete du dem Seidenwurm zu ſpinnen.“ Taſſo. An Guſtav von Brinckmann, in Hamburg. Berlin, Juli 1800. Lieber Brinckmann! denken Sie ſich meinen Verdruß, wie ich das Formular vom Gebrauch des Guajac gar nicht im Bref finde: künftige Poſt ſollen Sie’s haben. Herz iſt grade heut im Thiergarten. Ich weiß nichts neues zu bitten! — Schreiben Sie nicht, will ich nur ſagen; nicht mehr:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/216
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/216>, abgerufen am 20.11.2024.