Es ist recht und billig und klug und gut, wenn ich Ihnen schreibe, wenn ich mich auch nicht für das Buch gehörig be- danken kann; erkenntlich werd' ich mich doch gewiß für Sie zeigen, indem ich nur so schreibe. Was ist interessanter als ein neuer Mensch!? also Hr. von Burgsdorf zuerst. Ich danke Ihnen; für die Idee, mir seine Bekanntschaft machen zu wol- len. Sagen Sie ihm, wir kennten uns schon. Goethe wäre der Vereinigungspunkt für alles was Mensch heißen kann, und will; ich hoffte aber, unsre nähere Bekanntschaft würde sich noch weiter zu meinem Vergnügen, und gewiß mit kei- ner Unannehmlichkeit für ihn ausbreiten. Ich kenne aber Burgsdorf übrigens; und weiß von seinen Freundschaften u. s. w. -- Erwarten Sie sich nur die unzusammenhängendsten Fragen, und ja keinen Brief. -- Es schreibt mir niemand. Denn ich soll immer die Beste bleiben, ich mag's so schlecht machen, als ich will. Weil ich aus Grundsatz, aus Regime, aus Plan -- einmal nicht schreibe, so schreiben sie mir Alle wieder nicht. So machen sie mir's immer: sie thun, was ich mit Ursache thue, ohne Ursache: und aller Tadel fällt auf mich zurück; und alle Vertheidigungen bleiben sie rüstig ge- nug zu behalten, und zu gebrauchen. Glauben Sie nicht, daß ich mir übrigens etwas daraus mache; denn was könnte ich erfahren. Die Zwei, die mir allenfalls was schreiben könnten, schreiben mir nie; Jettchen und die Veit: und alles andre -- von Geschichten, Interesse, Verstand, und alles was mir
ange-
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Töplitz, Auguſt 1795.
Es iſt recht und billig und klug und gut, wenn ich Ihnen ſchreibe, wenn ich mich auch nicht für das Buch gehörig be- danken kann; erkenntlich werd’ ich mich doch gewiß für Sie zeigen, indem ich nur ſo ſchreibe. Was iſt intereſſanter als ein neuer Menſch!? alſo Hr. von Burgsdorf zuerſt. Ich danke Ihnen; für die Idee, mir ſeine Bekanntſchaft machen zu wol- len. Sagen Sie ihm, wir kennten uns ſchon. Goethe wäre der Vereinigungspunkt für alles was Menſch heißen kann, und will; ich hoffte aber, unſre nähere Bekanntſchaft würde ſich noch weiter zu meinem Vergnügen, und gewiß mit kei- ner Unannehmlichkeit für ihn ausbreiten. Ich kenne aber Burgsdorf übrigens; und weiß von ſeinen Freundſchaften u. ſ. w. — Erwarten Sie ſich nur die unzuſammenhängendſten Fragen, und ja keinen Brief. — Es ſchreibt mir niemand. Denn ich ſoll immer die Beſte bleiben, ich mag’s ſo ſchlecht machen, als ich will. Weil ich aus Grundſatz, aus Regime, aus Plan — einmal nicht ſchreibe, ſo ſchreiben ſie mir Alle wieder nicht. So machen ſie mir’s immer: ſie thun, was ich mit Urſache thue, ohne Urſache: und aller Tadel fällt auf mich zurück; und alle Vertheidigungen bleiben ſie rüſtig ge- nug zu behalten, und zu gebrauchen. Glauben Sie nicht, daß ich mir übrigens etwas daraus mache; denn was könnte ich erfahren. Die Zwei, die mir allenfalls was ſchreiben könnten, ſchreiben mir nie; Jettchen und die Veit: und alles andre — von Geſchichten, Intereſſe, Verſtand, und alles was mir
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[144/0158]
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Töplitz, Auguſt 1795.
Es iſt recht und billig und klug und gut, wenn ich Ihnen
ſchreibe, wenn ich mich auch nicht für das Buch gehörig be-
danken kann; erkenntlich werd’ ich mich doch gewiß für Sie
zeigen, indem ich nur ſo ſchreibe. Was iſt intereſſanter als
ein neuer Menſch!? alſo Hr. von Burgsdorf zuerſt. Ich danke
Ihnen; für die Idee, mir ſeine Bekanntſchaft machen zu wol-
len. Sagen Sie ihm, wir kennten uns ſchon. Goethe wäre
der Vereinigungspunkt für alles was Menſch heißen kann,
und will; ich hoffte aber, unſre nähere Bekanntſchaft würde
ſich noch weiter zu meinem Vergnügen, und gewiß mit kei-
ner Unannehmlichkeit für ihn ausbreiten. Ich kenne aber
Burgsdorf übrigens; und weiß von ſeinen Freundſchaften u.
ſ. w. — Erwarten Sie ſich nur die unzuſammenhängendſten
Fragen, und ja keinen Brief. — Es ſchreibt mir niemand.
Denn ich ſoll immer die Beſte bleiben, ich mag’s ſo ſchlecht
machen, als ich will. Weil ich aus Grundſatz, aus Regime,
aus Plan — einmal nicht ſchreibe, ſo ſchreiben ſie mir Alle
wieder nicht. So machen ſie mir’s immer: ſie thun, was ich
mit Urſache thue, ohne Urſache: und aller Tadel fällt auf
mich zurück; und alle Vertheidigungen bleiben ſie rüſtig ge-
nug zu behalten, und zu gebrauchen. Glauben Sie nicht, daß
ich mir übrigens etwas daraus mache; denn was könnte ich
erfahren. Die Zwei, die mir allenfalls was ſchreiben könnten,
ſchreiben mir nie; Jettchen und die Veit: und alles andre —
von Geſchichten, Intereſſe, Verſtand, und alles was mir
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/158>, abgerufen am 20.11.2024.
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