Sie es wissen ist viel: das kommt wieder nur vom richtigen Denken; meine Krankheit ist's, also muß ich die schäd- lichen Effekte wohl kennen, bei Ihnen ist es reines Denken. Daran laborir' ich eben; darin möcht' ich mich ändern. Ver- geblich! ich suche mein Glück nicht in Ruhe, ohne Ruhe kann ich aber schlechterdings nicht glücklich sein, und kann ich nicht glücklich sein, so muß ich doch ruhig sein. Leben Sie wohl! Antwort!
Nehmen Sie diesen Brief nicht zu ernst; ich hätte ganz anders schreiben können, dabei es eben so wäre. Die vielen Kleckse sind für mich so sehr schokant als für Sie: aber in ganz Berlin schenkt und schneidet mir kein Mensch eine Feder; mit gekauften kann ich nicht schreiben; schneiden kann ich keine; ich will's mir aber von der Unzelmann lehren lassen, die es sehr gut kann.
Diesmal wissen Sie gewiß nicht, was in dem Briefe steht, eh' Sie ihn erbrechen.
An Gustav von Brinckmann.
Berlin, den 5. Februar 1795.
Mit einemmale will ich Sie wenigstens über mich ganz einig machen. Je suis tout aussi malade, tout aussi bete, et amou .... -- je ne peux pas ecrire ce mot -- jugez, si je suis affairee. Aber .... -- ich schweige. Wenn Sie sich, si vous ne vous moquez pas; so ist das der ascendant, den ich über Sie habe. Ich verberge Ihnen meine beterie, wenn ich schwach bin bleib' ich im Bette: und das giebt mir
Sie es wiſſen iſt viel: das kommt wieder nur vom richtigen Denken; meine Krankheit iſt’s, alſo muß ich die ſchäd- lichen Effekte wohl kennen, bei Ihnen iſt es reines Denken. Daran laborir’ ich eben; darin möcht’ ich mich ändern. Ver- geblich! ich ſuche mein Glück nicht in Ruhe, ohne Ruhe kann ich aber ſchlechterdings nicht glücklich ſein, und kann ich nicht glücklich ſein, ſo muß ich doch ruhig ſein. Leben Sie wohl! Antwort!
Nehmen Sie dieſen Brief nicht zu ernſt; ich hätte ganz anders ſchreiben können, dabei es eben ſo wäre. Die vielen Kleckſe ſind für mich ſo ſehr ſchokant als für Sie: aber in ganz Berlin ſchenkt und ſchneidet mir kein Menſch eine Feder; mit gekauften kann ich nicht ſchreiben; ſchneiden kann ich keine; ich will’s mir aber von der Unzelmann lehren laſſen, die es ſehr gut kann.
Diesmal wiſſen Sie gewiß nicht, was in dem Briefe ſteht, eh’ Sie ihn erbrechen.
An Guſtav von Brinckmann.
Berlin, den 5. Februar 1795.
Mit einemmale will ich Sie wenigſtens über mich ganz einig machen. Je suis tout aussi malade, tout aussi bête, et amou .... — je ne peux pas écrire ce mot — jugez, si je suis affairée. Aber .... — ich ſchweige. Wenn Sie ſich, si vous ne vous moquez pas; ſo iſt das der ascendant, den ich über Sie habe. Ich verberge Ihnen meine bêterie, wenn ich ſchwach bin bleib’ ich im Bette: und das giebt mir
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Sie es wiſſen iſt viel: das kommt wieder nur vom richtigen
Denken; meine Krankheit iſt’s, alſo muß ich die ſchäd-
lichen Effekte wohl kennen, bei Ihnen iſt es reines Denken.
Daran laborir’ ich eben; darin möcht’ ich mich ändern. Ver-
geblich! ich ſuche mein Glück nicht in Ruhe, ohne Ruhe kann
ich aber ſchlechterdings nicht glücklich ſein, und kann ich nicht
glücklich ſein, ſo muß ich doch ruhig ſein. Leben Sie wohl!
Antwort!
Nehmen Sie dieſen Brief nicht zu ernſt; ich hätte ganz
anders ſchreiben können, dabei es eben ſo wäre. Die vielen
Kleckſe ſind für mich ſo ſehr ſchokant als für Sie: aber in
ganz Berlin ſchenkt und ſchneidet mir kein Menſch eine Feder;
mit gekauften kann ich nicht ſchreiben; ſchneiden kann ich
keine; ich will’s mir aber von der Unzelmann lehren laſſen,
die es ſehr gut kann.
Diesmal wiſſen Sie gewiß nicht, was in dem Briefe ſteht,
eh’ Sie ihn erbrechen.
An Guſtav von Brinckmann.
Berlin, den 5. Februar 1795.
Mit einemmale will ich Sie wenigſtens über mich
ganz einig machen. Je suis tout aussi malade, tout aussi bête,
et amou .... — je ne peux pas écrire ce mot — jugez, si
je suis affairée. Aber .... — ich ſchweige. Wenn Sie
ſich, si vous ne vous moquez pas; ſo iſt das der ascendant,
den ich über Sie habe. Ich verberge Ihnen meine bêterie,
wenn ich ſchwach bin bleib’ ich im Bette: und das giebt mir
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/141>, abgerufen am 20.11.2024.
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