Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

geht, werden beide Battants aufgemacht. Schrecklicher Dis-
kurs; und drei Stunden bei Tisch. Was mich rettet, ist die
große Unterrichtung des Kriegsraths, der Schlesien, nicht al-
lein theoretisch, sondern auch praktisch, und nicht allein prak-
tisch, sondern auch wie ein unterrichteter Mann bis auf jeden
Nagel kennt, und es mittheilt, und weil er sieht, daß ich auf-
merksam zuhöre, mir mittheilt: ich wünschte immer, Begriffe
vom Landwesen zu haben, ich bekomme sie durch diesen Mann
so ziemlichermaßen, auch von der Landesverfassung. Ihr
wißt, ich habe das Talent, auch wenn ich in übler Situation,
so viel herauszuziehen, als nur möglich, also thu' ich's.


Ich hab' es doch so weit gebracht, daß wir diesen Mittag
von Falkenhain um 2 Uhr abreisten, und vier Meilen bis hier-
her machten; morgen fahren wir acht Meilen bis Breslau
hinein. Wir hatten das angenehmste Wetter von der Welt,
nach einer kleinen Stunde kamen wir endlich aus dem Ge-
birge in's Land herunter; das war kein kleiner Genuß für
mich -- die schöne Welt einmal wieder en gros zu sehen.
Denn Gebirge sei so schön es will, und gefalle mir auch noch
so gut, indem ich's sehe, wenn ich in's Land komme, wird mir
doch wohl. Wir hatten vier Löwen von Pferden vom Kriegs-
rath bis hierher, und ich amüsirte mich sehr mit diesen vier
Meilen; ich sprach kein Wort, und sogar Konsorten waren
erschöpft nach ihrer Art. -- Bei unsrer Wirthin (wie in jedem
schlesischen Wirthshaus) ist ein Fortepiano, worauf ein Junge
von eilf Jahren recht artig spielte, und seine Schwester von
zwölf Jahr auch, ich ließ sie spielen, und bat mir die Erlaub-

geht, werden beide Battants aufgemacht. Schrecklicher Dis-
kurs; und drei Stunden bei Tiſch. Was mich rettet, iſt die
große Unterrichtung des Kriegsraths, der Schleſien, nicht al-
lein theoretiſch, ſondern auch praktiſch, und nicht allein prak-
tiſch, ſondern auch wie ein unterrichteter Mann bis auf jeden
Nagel kennt, und es mittheilt, und weil er ſieht, daß ich auf-
merkſam zuhöre, mir mittheilt: ich wünſchte immer, Begriffe
vom Landweſen zu haben, ich bekomme ſie durch dieſen Mann
ſo ziemlichermaßen, auch von der Landesverfaſſung. Ihr
wißt, ich habe das Talent, auch wenn ich in übler Situation,
ſo viel herauszuziehen, als nur möglich, alſo thu’ ich’s.


Ich hab’ es doch ſo weit gebracht, daß wir dieſen Mittag
von Falkenhain um 2 Uhr abreiſten, und vier Meilen bis hier-
her machten; morgen fahren wir acht Meilen bis Breslau
hinein. Wir hatten das angenehmſte Wetter von der Welt,
nach einer kleinen Stunde kamen wir endlich aus dem Ge-
birge in’s Land herunter; das war kein kleiner Genuß für
mich — die ſchöne Welt einmal wieder en gros zu ſehen.
Denn Gebirge ſei ſo ſchön es will, und gefalle mir auch noch
ſo gut, indem ich’s ſehe, wenn ich in’s Land komme, wird mir
doch wohl. Wir hatten vier Löwen von Pferden vom Kriegs-
rath bis hierher, und ich amüſirte mich ſehr mit dieſen vier
Meilen; ich ſprach kein Wort, und ſogar Konſorten waren
erſchöpft nach ihrer Art. — Bei unſrer Wirthin (wie in jedem
ſchleſiſchen Wirthshaus) iſt ein Fortepiano, worauf ein Junge
von eilf Jahren recht artig ſpielte, und ſeine Schweſter von
zwölf Jahr auch, ich ließ ſie ſpielen, und bat mir die Erlaub-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0109" n="95"/>
geht, werden beide Battants aufgemacht. Schrecklicher Dis-<lb/>
kurs; und drei Stunden bei Ti&#x017F;ch. Was mich rettet, i&#x017F;t die<lb/>
große Unterrichtung des Kriegsraths, der Schle&#x017F;ien, nicht al-<lb/>
lein theoreti&#x017F;ch, &#x017F;ondern auch prakti&#x017F;ch, und nicht allein prak-<lb/>
ti&#x017F;ch, &#x017F;ondern auch wie ein unterrichteter Mann bis auf jeden<lb/>
Nagel kennt, und es mittheilt, und weil er &#x017F;ieht, daß ich auf-<lb/>
merk&#x017F;am zuhöre, mir mittheilt: ich wün&#x017F;chte immer, Begriffe<lb/>
vom Landwe&#x017F;en zu haben, ich bekomme &#x017F;ie durch die&#x017F;en Mann<lb/>
&#x017F;o ziemlichermaßen, auch von der Landesverfa&#x017F;&#x017F;ung. Ihr<lb/>
wißt, ich habe das Talent, auch wenn ich in übler Situation,<lb/>
&#x017F;o viel herauszuziehen, als nur möglich, al&#x017F;o thu&#x2019; ich&#x2019;s.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Liegnitz, den 24. Augu&#x017F;t.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Ich hab&#x2019; es doch &#x017F;o weit gebracht, daß wir die&#x017F;en Mittag<lb/>
von Falkenhain um 2 Uhr abrei&#x017F;ten, und vier Meilen bis hier-<lb/>
her machten; morgen fahren wir acht Meilen bis Breslau<lb/>
hinein. Wir hatten das <hi rendition="#g">angenehm&#x017F;te</hi> Wetter von der Welt,<lb/>
nach einer kleinen Stunde kamen wir endlich aus dem Ge-<lb/>
birge in&#x2019;s Land herunter; das war kein kleiner Genuß für<lb/>
mich &#x2014; die &#x017F;chöne Welt einmal wieder <hi rendition="#aq">en gros</hi> zu &#x017F;ehen.<lb/>
Denn Gebirge &#x017F;ei &#x017F;o &#x017F;chön es will, und gefalle mir auch noch<lb/>
&#x017F;o gut, indem ich&#x2019;s &#x017F;ehe, wenn ich in&#x2019;s Land komme, wird mir<lb/>
doch wohl. Wir hatten vier Löwen von Pferden vom Kriegs-<lb/>
rath bis hierher, und ich amü&#x017F;irte mich &#x017F;ehr mit die&#x017F;en vier<lb/>
Meilen; ich &#x017F;prach kein Wort, und &#x017F;ogar Kon&#x017F;orten waren<lb/>
er&#x017F;chöpft nach ihrer Art. &#x2014; Bei un&#x017F;rer Wirthin (wie in jedem<lb/>
&#x017F;chle&#x017F;i&#x017F;chen Wirthshaus) i&#x017F;t ein Fortepiano, worauf ein Junge<lb/>
von eilf Jahren recht artig &#x017F;pielte, und &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter von<lb/>
zwölf Jahr auch, ich ließ &#x017F;ie &#x017F;pielen, und bat mir die Erlaub-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0109] geht, werden beide Battants aufgemacht. Schrecklicher Dis- kurs; und drei Stunden bei Tiſch. Was mich rettet, iſt die große Unterrichtung des Kriegsraths, der Schleſien, nicht al- lein theoretiſch, ſondern auch praktiſch, und nicht allein prak- tiſch, ſondern auch wie ein unterrichteter Mann bis auf jeden Nagel kennt, und es mittheilt, und weil er ſieht, daß ich auf- merkſam zuhöre, mir mittheilt: ich wünſchte immer, Begriffe vom Landweſen zu haben, ich bekomme ſie durch dieſen Mann ſo ziemlichermaßen, auch von der Landesverfaſſung. Ihr wißt, ich habe das Talent, auch wenn ich in übler Situation, ſo viel herauszuziehen, als nur möglich, alſo thu’ ich’s. Liegnitz, den 24. Auguſt. Ich hab’ es doch ſo weit gebracht, daß wir dieſen Mittag von Falkenhain um 2 Uhr abreiſten, und vier Meilen bis hier- her machten; morgen fahren wir acht Meilen bis Breslau hinein. Wir hatten das angenehmſte Wetter von der Welt, nach einer kleinen Stunde kamen wir endlich aus dem Ge- birge in’s Land herunter; das war kein kleiner Genuß für mich — die ſchöne Welt einmal wieder en gros zu ſehen. Denn Gebirge ſei ſo ſchön es will, und gefalle mir auch noch ſo gut, indem ich’s ſehe, wenn ich in’s Land komme, wird mir doch wohl. Wir hatten vier Löwen von Pferden vom Kriegs- rath bis hierher, und ich amüſirte mich ſehr mit dieſen vier Meilen; ich ſprach kein Wort, und ſogar Konſorten waren erſchöpft nach ihrer Art. — Bei unſrer Wirthin (wie in jedem ſchleſiſchen Wirthshaus) iſt ein Fortepiano, worauf ein Junge von eilf Jahren recht artig ſpielte, und ſeine Schweſter von zwölf Jahr auch, ich ließ ſie ſpielen, und bat mir die Erlaub-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/109
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/109>, abgerufen am 20.11.2024.