spielt; viele sind nicht religiös, aber die es sind, beten und singen auch nur in Gedanken, und amüsiren sich, hab' ich be- merkt; wenn einer lustig wird, kniet er nieder und sieht das erste beste Bild an, welche jeden Fleck bedecken; kurz, für je- mand, der sich nicht wie wir amüsirt, ist nichts amüsanters als die katholische Religion; die Nonnen sind tolerant und sehr artig, sie ließen (nämlich die Äbtissin) viele Empfehlun- gen an den Onkel machen, und invitirten mich wieder; also wußten sie, wer ich bin. Unvermuthet hab' ich euch fast alles über diesen Katholizismus gesagt; ich schreibe en courrier, und glaube jeden Augenblick, man wird den Brief zur Post wegnehmen. -- Ihr habt recht geschwinde Nachricht von mir. Ich werde noch recht klug: und das Gebirge nun noch! Adieu.
R. L.
An M. Th. Robert, in Berlin.
Breslau, den 11. August 1794.
Wenn Biest und Konsorten nicht wären, hätt' ich mich gestern königlich amüsirt; ich bin ganz mit Breslau ausge- söhnt, so hübsch find' ich die meisten Gebäude, denn die Stadt wäre schön, wenn nicht manche Gebäude in den schö- nen Straßen störten, und manche Straßen in der schönen Stadt; die Gärten sind schön, die Menschen auf einem guten Ton, alle diese Gärten und Plätze für's Publikum eingerich- tet, diese Menschen zum Vergnügen gestimmt, und Equipagen sicht man weit über die Proportion als bei uns, die alle jagen, erstlich ist es Ton, zweitens haben sie einen Boden wie
ſpielt; viele ſind nicht religiös, aber die es ſind, beten und ſingen auch nur in Gedanken, und amüſiren ſich, hab’ ich be- merkt; wenn einer luſtig wird, kniet er nieder und ſieht das erſte beſte Bild an, welche jeden Fleck bedecken; kurz, für je- mand, der ſich nicht wie wir amüſirt, iſt nichts amüſanters als die katholiſche Religion; die Nonnen ſind tolerant und ſehr artig, ſie ließen (nämlich die Äbtiſſin) viele Empfehlun- gen an den Onkel machen, und invitirten mich wieder; alſo wußten ſie, wer ich bin. Unvermuthet hab’ ich euch faſt alles über dieſen Katholizismus geſagt; ich ſchreibe en courrier, und glaube jeden Augenblick, man wird den Brief zur Poſt wegnehmen. — Ihr habt recht geſchwinde Nachricht von mir. Ich werde noch recht klug: und das Gebirge nun noch! Adieu.
R. L.
An M. Th. Robert, in Berlin.
Breslau, den 11. Auguſt 1794.
Wenn Bieſt und Konſorten nicht wären, hätt’ ich mich geſtern königlich amüſirt; ich bin ganz mit Breslau ausge- ſöhnt, ſo hübſch find’ ich die meiſten Gebäude, denn die Stadt wäre ſchön, wenn nicht manche Gebäude in den ſchö- nen Straßen ſtörten, und manche Straßen in der ſchönen Stadt; die Gärten ſind ſchön, die Menſchen auf einem guten Ton, alle dieſe Gärten und Plätze für’s Publikum eingerich- tet, dieſe Menſchen zum Vergnügen geſtimmt, und Equipagen ſicht man weit über die Proportion als bei uns, die alle jagen, erſtlich iſt es Ton, zweitens haben ſie einen Boden wie
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ſpielt; viele ſind nicht religiös, aber die es ſind, beten und
ſingen auch nur in Gedanken, und amüſiren ſich, hab’ ich be-
merkt; wenn einer luſtig wird, kniet er nieder und ſieht das
erſte beſte Bild an, welche jeden Fleck bedecken; kurz, für je-
mand, der ſich nicht wie wir amüſirt, iſt nichts amüſanters
als die katholiſche Religion; die Nonnen ſind tolerant und
ſehr artig, ſie ließen (nämlich die Äbtiſſin) viele Empfehlun-
gen an den Onkel machen, und invitirten mich wieder; alſo
wußten ſie, wer ich bin. Unvermuthet hab’ ich euch faſt alles
über dieſen Katholizismus geſagt; ich ſchreibe en courrier,
und glaube jeden Augenblick, man wird den Brief zur Poſt
wegnehmen. — Ihr habt recht geſchwinde Nachricht von mir.
Ich werde noch recht klug: und das Gebirge nun noch! Adieu.
R. L.
An M. Th. Robert, in Berlin.
Breslau, den 11. Auguſt 1794.
Wenn Bieſt und Konſorten nicht wären, hätt’ ich mich
geſtern königlich amüſirt; ich bin ganz mit Breslau ausge-
ſöhnt, ſo hübſch find’ ich die meiſten Gebäude, denn die
Stadt wäre ſchön, wenn nicht manche Gebäude in den ſchö-
nen Straßen ſtörten, und manche Straßen in der ſchönen
Stadt; die Gärten ſind ſchön, die Menſchen auf einem guten
Ton, alle dieſe Gärten und Plätze für’s Publikum eingerich-
tet, dieſe Menſchen zum Vergnügen geſtimmt, und Equipagen
ſicht man weit über die Proportion als bei uns, die alle
jagen, erſtlich iſt es Ton, zweitens haben ſie einen Boden wie
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/100>, abgerufen am 20.11.2024.
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