Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Beiträge zur Poesie, mit besonderer Hinweisung auf
Goethe. Von Johann Peter Eckermann.
Stuttgart, bei Cotta, 1824.

Von diesem Buche müssen wir ein Wort sagen.
Der Verfasser hat eine gelassene, ruhige Einsicht in
die Poesie und Kritik, und ist ein feiner, kundiger
Leser der Goethe'schen Schriften, zu deren Verständ¬
niß und Würdigung er nach seiner Weise redlich bei¬
trägt. Mit den klassischen Alten scheint er wohlver¬
traut, wenigstens hinlänglich, um durch ihren Geist
die Scheu empfangen zu haben, ihren großen Ge¬
staltungen nicht mit modernem Dünkel abentheuerliche
Phantasmen unterzuschieben. Unter den Neuern ist
ihm wie billig Shakspeare hochgeehrt, unter den Neue¬
sten unser geist- und lebensvoller Jean Paul Richter.
Uns haben diese wohlgemeinten Blätter mehr zugesagt,
als manche der gerühmten, aber doch nur fastidiosen
Wunderlichkeiten, die über Goethe in kritischen Bänden
an den Tag gekommen sind. Ohne Anspruch auf blen¬
dende Blitzschläge oder gewaltiges Wetterleuchten in
seinem asthetischen Bemühen, giebt Herr Eckermann
meist nur einfache Sätze, gleichsam die Elemente des
Dichter-Verständnisses, stillkräftige Wahrheiten, verkannt
oft genug und außer Acht gesetzt, aber dennoch festbe¬

Beitraͤge zur Poeſie, mit beſonderer Hinweiſung auf
Goethe. Von Johann Peter Eckermann.
Stuttgart, bei Cotta, 1824.

Von dieſem Buche muͤſſen wir ein Wort ſagen.
Der Verfaſſer hat eine gelaſſene, ruhige Einſicht in
die Poeſie und Kritik, und iſt ein feiner, kundiger
Leſer der Goethe'ſchen Schriften, zu deren Verſtaͤnd¬
niß und Wuͤrdigung er nach ſeiner Weiſe redlich bei¬
traͤgt. Mit den klaſſiſchen Alten ſcheint er wohlver¬
traut, wenigſtens hinlaͤnglich, um durch ihren Geiſt
die Scheu empfangen zu haben, ihren großen Ge¬
ſtaltungen nicht mit modernem Duͤnkel abentheuerliche
Phantasmen unterzuſchieben. Unter den Neuern iſt
ihm wie billig Shakſpeare hochgeehrt, unter den Neue¬
ſten unſer geiſt- und lebensvoller Jean Paul Richter.
Uns haben dieſe wohlgemeinten Blaͤtter mehr zugeſagt,
als manche der geruͤhmten, aber doch nur faſtidioſen
Wunderlichkeiten, die uͤber Goethe in kritiſchen Baͤnden
an den Tag gekommen ſind. Ohne Anſpruch auf blen¬
dende Blitzſchlaͤge oder gewaltiges Wetterleuchten in
ſeinem aſthetiſchen Bemuͤhen, giebt Herr Eckermann
meiſt nur einfache Saͤtze, gleichſam die Elemente des
Dichter-Verſtaͤndniſſes, ſtillkraͤftige Wahrheiten, verkannt
oft genug und außer Acht geſetzt, aber dennoch feſtbe¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0372" n="358"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Beitra&#x0364;ge zur Poe&#x017F;ie, mit be&#x017F;onderer Hinwei&#x017F;ung auf<lb/>
Goethe. Von <hi rendition="#g">Johann Peter Eckermann</hi>.<lb/>
Stuttgart, bei Cotta, <hi rendition="#b">1824</hi>.<lb/></head>
          <p>Von die&#x017F;em Buche mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir ein Wort &#x017F;agen.<lb/>
Der Verfa&#x017F;&#x017F;er hat eine gela&#x017F;&#x017F;ene, ruhige Ein&#x017F;icht in<lb/>
die Poe&#x017F;ie und Kritik, und i&#x017F;t ein feiner, kundiger<lb/>
Le&#x017F;er der Goethe'&#x017F;chen Schriften, zu deren Ver&#x017F;ta&#x0364;nd¬<lb/>
niß und Wu&#x0364;rdigung er nach &#x017F;einer Wei&#x017F;e redlich bei¬<lb/>
tra&#x0364;gt. Mit den kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Alten &#x017F;cheint er wohlver¬<lb/>
traut, wenig&#x017F;tens hinla&#x0364;nglich, um durch ihren Gei&#x017F;t<lb/>
die Scheu empfangen zu haben, ihren großen Ge¬<lb/>
&#x017F;taltungen nicht mit modernem Du&#x0364;nkel abentheuerliche<lb/>
Phantasmen unterzu&#x017F;chieben. Unter den Neuern i&#x017F;t<lb/>
ihm wie billig Shak&#x017F;peare hochgeehrt, unter den Neue¬<lb/>
&#x017F;ten un&#x017F;er gei&#x017F;t- und lebensvoller Jean Paul Richter.<lb/>
Uns haben die&#x017F;e wohlgemeinten Bla&#x0364;tter mehr zuge&#x017F;agt,<lb/>
als manche der geru&#x0364;hmten, aber doch nur fa&#x017F;tidio&#x017F;en<lb/>
Wunderlichkeiten, die u&#x0364;ber Goethe in kriti&#x017F;chen Ba&#x0364;nden<lb/>
an den Tag gekommen &#x017F;ind. Ohne An&#x017F;pruch auf blen¬<lb/>
dende Blitz&#x017F;chla&#x0364;ge oder gewaltiges Wetterleuchten in<lb/>
&#x017F;einem a&#x017F;theti&#x017F;chen Bemu&#x0364;hen, giebt Herr Eckermann<lb/>
mei&#x017F;t nur einfache Sa&#x0364;tze, gleich&#x017F;am die Elemente des<lb/>
Dichter-Ver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es, &#x017F;tillkra&#x0364;ftige Wahrheiten, verkannt<lb/>
oft genug und außer Acht ge&#x017F;etzt, aber dennoch fe&#x017F;tbe¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0372] Beitraͤge zur Poeſie, mit beſonderer Hinweiſung auf Goethe. Von Johann Peter Eckermann. Stuttgart, bei Cotta, 1824. Von dieſem Buche muͤſſen wir ein Wort ſagen. Der Verfaſſer hat eine gelaſſene, ruhige Einſicht in die Poeſie und Kritik, und iſt ein feiner, kundiger Leſer der Goethe'ſchen Schriften, zu deren Verſtaͤnd¬ niß und Wuͤrdigung er nach ſeiner Weiſe redlich bei¬ traͤgt. Mit den klaſſiſchen Alten ſcheint er wohlver¬ traut, wenigſtens hinlaͤnglich, um durch ihren Geiſt die Scheu empfangen zu haben, ihren großen Ge¬ ſtaltungen nicht mit modernem Duͤnkel abentheuerliche Phantasmen unterzuſchieben. Unter den Neuern iſt ihm wie billig Shakſpeare hochgeehrt, unter den Neue¬ ſten unſer geiſt- und lebensvoller Jean Paul Richter. Uns haben dieſe wohlgemeinten Blaͤtter mehr zugeſagt, als manche der geruͤhmten, aber doch nur faſtidioſen Wunderlichkeiten, die uͤber Goethe in kritiſchen Baͤnden an den Tag gekommen ſind. Ohne Anſpruch auf blen¬ dende Blitzſchlaͤge oder gewaltiges Wetterleuchten in ſeinem aſthetiſchen Bemuͤhen, giebt Herr Eckermann meiſt nur einfache Saͤtze, gleichſam die Elemente des Dichter-Verſtaͤndniſſes, ſtillkraͤftige Wahrheiten, verkannt oft genug und außer Acht geſetzt, aber dennoch feſtbe¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/372
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/372>, abgerufen am 21.12.2024.