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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.
durch Entzündung der Oberfläche ausgeschiedene Schicht plastischer
Lymphe. Die Thätigkeit, durch welche die hinfällige Haut entsteht,
ist geradezu eine entzündliche. Lobstein (l. c. p. 20.) geht zwar
ebenfalls in den Hunterschen Vergleich der Entzündung ein und sucht
ihn noch durch neue Beweise zu unterstützen, kommt jedoch auf
eine andere dagegen sprechende Differenz, als Hunter selbst, dass
nämlich die falschen Membranen in verschiedenen Individuen von
ungleicher, die Caduca aber immer von gleichartiger Beschaffenheit
sey. Wenn daher eine Analogie der Genese derselben mit der der
Entzündungshäute Statt finde, so sey doch noch etwas Eigenthüm-
liches und auf besondere Weise Gesetzliches in ihrer Entstehung
(S. 21.). Aehnlich scheint die Meinung von R. Wagner (l. c. S.
90. 91.) zu seyn, dass die durch die Begattung entstehende Auf-
regung der Gebärmutter, ein mit der Entzündung zu vergleichen-
der Zustand, die hinfällige Haut erzeuge, so wie die Ansicht Bocks
(l. c. p. 21.), welche er durch die in den falschen Membranen
nachgewiesenen Blut- und Lymphgefässe zu unterstützen sucht.
4. Lobstein's der unmittelbaren Beobachtung entnommene Ansicht
führt zu dem höheren Gesichtspunkte dass die decidua das Pro-
duct einer eigenthümlichen Thätigkeit der Gebärmutter sey, die
aber mehr oder minder entfernte Analoga in anderen Prozessen,
wie z. B. in dem der Entzündung, habe. Zu dieser geläuterten Auf-
fassung bekennen sich noch ausser ihm Einige, welche schon un-
ter der vorigen Abtheilung angeführt wurden, Burdach (Physiol.
II. S. 74-), E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 486), Breschet
(l. c. p. 95), Bischoff (l. c. S. 13.) u. A. Velpeau (Embryologie
p
. 6.) dagegen bemüht sich sogar durch Verschiedenheit der hi-
stiologischen Charaktere den Unterschied zwischen decidua und
plastischen Membranen nachzuweisen. Das Unrichtige seiner Mei-
nung ist schon oben angeführt worden.

b. Entstehung der Reflexa.

Wir müssen hier, wie überall, zwei wesentlich verschiedene
Dinge von einander unterscheiden, nämlich reelle Beobachtung und
Theorie der Erklärung. Thatsache ist es, dass innerhalb der
decidua vera und zwischen dieser und dem Chorion eine andere
Membran eingeschlossen ist, welche das Ei von allen Seiten um-
giebt, und welche decidua reflexa genannt wird. An der Um-
gebung der Placenta stossen wahre und umgeschlagene hinfällige Haut

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V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.
durch Entzündung der Oberfläche ausgeschiedene Schicht plastischer
Lymphe. Die Thätigkeit, durch welche die hinfällige Haut entsteht,
ist geradezu eine entzündliche. Lobstein (l. c. p. 20.) geht zwar
ebenfalls in den Hunterschen Vergleich der Entzündung ein und sucht
ihn noch durch neue Beweise zu unterstützen, kommt jedoch auf
eine andere dagegen sprechende Differenz, als Hunter selbst, daſs
nämlich die falschen Membranen in verschiedenen Individuen von
ungleicher, die Caduca aber immer von gleichartiger Beschaffenheit
sey. Wenn daher eine Analogie der Genese derselben mit der der
Entzündungshäute Statt finde, so sey doch noch etwas Eigenthüm-
liches und auf besondere Weise Gesetzliches in ihrer Entstehung
(S. 21.). Aehnlich scheint die Meinung von R. Wagner (l. c. S.
90. 91.) zu seyn, daſs die durch die Begattung entstehende Auf-
regung der Gebärmutter, ein mit der Entzündung zu vergleichen-
der Zustand, die hinfällige Haut erzeuge, so wie die Ansicht Bocks
(l. c. p. 21.), welche er durch die in den falschen Membranen
nachgewiesenen Blut- und Lymphgefäſse zu unterstützen sucht.
4. Lobstein’s der unmittelbaren Beobachtung entnommene Ansicht
führt zu dem höheren Gesichtspunkte daſs die decidua das Pro-
duct einer eigenthümlichen Thätigkeit der Gebärmutter sey, die
aber mehr oder minder entfernte Analoga in anderen Prozessen,
wie z. B. in dem der Entzündung, habe. Zu dieser geläuterten Auf-
fassung bekennen sich noch auſser ihm Einige, welche schon un-
ter der vorigen Abtheilung angeführt wurden, Burdach (Physiol.
II. S. 74-), E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 486), Breschet
(l. c. p. 95), Bischoff (l. c. S. 13.) u. A. Velpeau (Embryologie
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. 6.) dagegen bemüht sich sogar durch Verschiedenheit der hi-
stiologischen Charaktere den Unterschied zwischen decidua und
plastischen Membranen nachzuweisen. Das Unrichtige seiner Mei-
nung ist schon oben angeführt worden.

β. Entstehung der Reflexa.

Wir müssen hier, wie überall, zwei wesentlich verschiedene
Dinge von einander unterscheiden, nämlich reelle Beobachtung und
Theorie der Erklärung. Thatsache ist es, daſs innerhalb der
decidua vera und zwischen dieser und dem Chorion eine andere
Membran eingeschlossen ist, welche das Ei von allen Seiten um-
giebt, und welche decidua reflexa genannt wird. An der Um-
gebung der Placenta stoſsen wahre und umgeschlagene hinfällige Haut

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[65/0093] V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk. durch Entzündung der Oberfläche ausgeschiedene Schicht plastischer Lymphe. Die Thätigkeit, durch welche die hinfällige Haut entsteht, ist geradezu eine entzündliche. Lobstein (l. c. p. 20.) geht zwar ebenfalls in den Hunterschen Vergleich der Entzündung ein und sucht ihn noch durch neue Beweise zu unterstützen, kommt jedoch auf eine andere dagegen sprechende Differenz, als Hunter selbst, daſs nämlich die falschen Membranen in verschiedenen Individuen von ungleicher, die Caduca aber immer von gleichartiger Beschaffenheit sey. Wenn daher eine Analogie der Genese derselben mit der der Entzündungshäute Statt finde, so sey doch noch etwas Eigenthüm- liches und auf besondere Weise Gesetzliches in ihrer Entstehung (S. 21.). Aehnlich scheint die Meinung von R. Wagner (l. c. S. 90. 91.) zu seyn, daſs die durch die Begattung entstehende Auf- regung der Gebärmutter, ein mit der Entzündung zu vergleichen- der Zustand, die hinfällige Haut erzeuge, so wie die Ansicht Bocks (l. c. p. 21.), welche er durch die in den falschen Membranen nachgewiesenen Blut- und Lymphgefäſse zu unterstützen sucht. 4. Lobstein’s der unmittelbaren Beobachtung entnommene Ansicht führt zu dem höheren Gesichtspunkte daſs die decidua das Pro- duct einer eigenthümlichen Thätigkeit der Gebärmutter sey, die aber mehr oder minder entfernte Analoga in anderen Prozessen, wie z. B. in dem der Entzündung, habe. Zu dieser geläuterten Auf- fassung bekennen sich noch auſser ihm Einige, welche schon un- ter der vorigen Abtheilung angeführt wurden, Burdach (Physiol. II. S. 74-), E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 486), Breschet (l. c. p. 95), Bischoff (l. c. S. 13.) u. A. Velpeau (Embryologie p. 6.) dagegen bemüht sich sogar durch Verschiedenheit der hi- stiologischen Charaktere den Unterschied zwischen decidua und plastischen Membranen nachzuweisen. Das Unrichtige seiner Mei- nung ist schon oben angeführt worden. β. Entstehung der Reflexa. Wir müssen hier, wie überall, zwei wesentlich verschiedene Dinge von einander unterscheiden, nämlich reelle Beobachtung und Theorie der Erklärung. Thatsache ist es, daſs innerhalb der decidua vera und zwischen dieser und dem Chorion eine andere Membran eingeschlossen ist, welche das Ei von allen Seiten um- giebt, und welche decidua reflexa genannt wird. An der Um- gebung der Placenta stoſsen wahre und umgeschlagene hinfällige Haut 5

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/93>, abgerufen am 22.12.2024.