die decidua ohne Organisation sey. Sie ist nicht unorganisch, sondern unorganisirt, wie der Zahnschmelz, der Schleim u. dgl. Sie ist ohne Blutgefässe, ohne bestimmte Fasern, vielmehr eine einfache Lage eines ausgeschwitzten Stoffes. Endlich hat Bischoff (l. c. S. 23.) die Gefässe der decidua an der eben aus dem Ute- rus ausgestossenen Nachgeburt nicht nur mit Blut gefüllt gesehen, sondern auch mit Quecksilber und anderen Massen injicirt.
d. Verbindung der hinfälligen Häute mit den Nachbar- theilen und unter einander selbst.
Dass die Membrana decidua vera sich genauer an die Ge- bärmutter, die decidua reflexa sich genauer an das Ei anschliesse, erhellt aus allen über diese Häute angestellten Untersuchungen. Zwischen beiden aber bleibt ein Zwischenraum, der um so grösser ist, je jünger das Ei, und welcher durch Breschet's Hydroperione ausgefüllt wird. Was nun die Adhärenz an die Gebärmutter be- trifft, so schliesst sich die decidua nach Breschet (l. c. p. 99) genau an die innere Oberfläche des Uterus an. Nach W. Hunter Lobstein, Burdach u. A. ist dieses inniger an dem Halse, nach J. Hunter an dem Grunde der Gebärmutter der Fall. Nach Meckel ist in früherer Zeit die Verbindung weit lockerer, als später. Eben so heftet sich die decidua vera inniger an das Chorion, so dass nach Velpeau (Embryologie. p. 3) die Entfernung des Eies ohne Zerreissung der hierher gehörenden Membranen nur in der vierten bis sechsten Woche möglich ist. Was aber die Ver- wachsung der beiden deciduae mit einander betrifft, so setzt sie Lobstein (l. c. S. 8.) spätestens in den fünften bis sechsten, Mo- reau (bei Breschet l. c. p. 35) in den sechsten und R. Wagner (l. c. S. 96.) in das Ende des zweiten oder den Anfang des drit- ten Monates, Breschet (l. c. p. 109.) in den dritten und Velpeau (l. c. p. 68.) in den vierten Monat der Schwangerschaft. Zur wahren Verwachsung selbst kommt es nie, sondern beide Blätter liegen dicht und auf innige Weise an einander geleimt.
e. Entstehung der hinfälligen Häute.
Auf die mannigfaltigste Art ist die Entstehung der beiden hinfälligen Häute von den Schriftstellern gedacht und gelehrt worden. Wenn man einen Versuch machen will, in dieses Chaos von Meinungen und Widersprüchen eine systematische Ordnung
III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
die decidua ohne Organisation sey. Sie ist nicht unorganisch, sondern unorganisirt, wie der Zahnschmelz, der Schleim u. dgl. Sie ist ohne Blutgefäſse, ohne bestimmte Fasern, vielmehr eine einfache Lage eines ausgeschwitzten Stoffes. Endlich hat Bischoff (l. c. S. 23.) die Gefäſse der decidua an der eben aus dem Ute- rus ausgestoſsenen Nachgeburt nicht nur mit Blut gefüllt gesehen, sondern auch mit Quecksilber und anderen Massen injicirt.
d. Verbindung der hinfälligen Häute mit den Nachbar- theilen und unter einander selbst.
Daſs die Membrana decidua vera sich genauer an die Ge- bärmutter, die decidua reflexa sich genauer an das Ei anschlieſse, erhellt aus allen über diese Häute angestellten Untersuchungen. Zwischen beiden aber bleibt ein Zwischenraum, der um so gröſser ist, je jünger das Ei, und welcher durch Breschet’s Hydroperione ausgefüllt wird. Was nun die Adhärenz an die Gebärmutter be- trifft, so schlieſst sich die decidua nach Breschet (l. c. p. 99) genau an die innere Oberfläche des Uterus an. Nach W. Hunter Lobstein, Burdach u. A. ist dieses inniger an dem Halse, nach J. Hunter an dem Grunde der Gebärmutter der Fall. Nach Meckel ist in früherer Zeit die Verbindung weit lockerer, als später. Eben so heftet sich die decidua vera inniger an das Chorion, so daſs nach Velpeau (Embryologie. p. 3) die Entfernung des Eies ohne Zerreiſsung der hierher gehörenden Membranen nur in der vierten bis sechsten Woche möglich ist. Was aber die Ver- wachsung der beiden deciduae mit einander betrifft, so setzt sie Lobstein (l. c. S. 8.) spätestens in den fünften bis sechsten, Mo- reau (bei Breschet l. c. p. 35) in den sechsten und R. Wagner (l. c. S. 96.) in das Ende des zweiten oder den Anfang des drit- ten Monates, Breschet (l. c. p. 109.) in den dritten und Velpeau (l. c. p. 68.) in den vierten Monat der Schwangerschaft. Zur wahren Verwachsung selbst kommt es nie, sondern beide Blätter liegen dicht und auf innige Weise an einander geleimt.
e. Entstehung der hinfälligen Häute.
Auf die mannigfaltigste Art ist die Entstehung der beiden hinfälligen Häute von den Schriftstellern gedacht und gelehrt worden. Wenn man einen Versuch machen will, in dieses Chaos von Meinungen und Widersprüchen eine systematische Ordnung
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[62/0090]
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die decidua ohne Organisation sey. Sie ist nicht unorganisch,
sondern unorganisirt, wie der Zahnschmelz, der Schleim u. dgl.
Sie ist ohne Blutgefäſse, ohne bestimmte Fasern, vielmehr eine
einfache Lage eines ausgeschwitzten Stoffes. Endlich hat Bischoff
(l. c. S. 23.) die Gefäſse der decidua an der eben aus dem Ute-
rus ausgestoſsenen Nachgeburt nicht nur mit Blut gefüllt gesehen,
sondern auch mit Quecksilber und anderen Massen injicirt.
d. Verbindung der hinfälligen Häute mit den Nachbar-
theilen und unter einander selbst.
Daſs die Membrana decidua vera sich genauer an die Ge-
bärmutter, die decidua reflexa sich genauer an das Ei anschlieſse,
erhellt aus allen über diese Häute angestellten Untersuchungen.
Zwischen beiden aber bleibt ein Zwischenraum, der um so gröſser
ist, je jünger das Ei, und welcher durch Breschet’s Hydroperione
ausgefüllt wird. Was nun die Adhärenz an die Gebärmutter be-
trifft, so schlieſst sich die decidua nach Breschet (l. c. p. 99)
genau an die innere Oberfläche des Uterus an. Nach W. Hunter
Lobstein, Burdach u. A. ist dieses inniger an dem Halse, nach J.
Hunter an dem Grunde der Gebärmutter der Fall. Nach Meckel
ist in früherer Zeit die Verbindung weit lockerer, als später.
Eben so heftet sich die decidua vera inniger an das Chorion,
so daſs nach Velpeau (Embryologie. p. 3) die Entfernung des
Eies ohne Zerreiſsung der hierher gehörenden Membranen nur in
der vierten bis sechsten Woche möglich ist. Was aber die Ver-
wachsung der beiden deciduae mit einander betrifft, so setzt sie
Lobstein (l. c. S. 8.) spätestens in den fünften bis sechsten, Mo-
reau (bei Breschet l. c. p. 35) in den sechsten und R. Wagner
(l. c. S. 96.) in das Ende des zweiten oder den Anfang des drit-
ten Monates, Breschet (l. c. p. 109.) in den dritten und Velpeau
(l. c. p. 68.) in den vierten Monat der Schwangerschaft. Zur
wahren Verwachsung selbst kommt es nie, sondern beide Blätter
liegen dicht und auf innige Weise an einander geleimt.
e. Entstehung der hinfälligen Häute.
Auf die mannigfaltigste Art ist die Entstehung der beiden
hinfälligen Häute von den Schriftstellern gedacht und gelehrt
worden. Wenn man einen Versuch machen will, in dieses Chaos
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/90>, abgerufen am 23.11.2024.
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