Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Ausstülpungsbildungen. Anhang. Schilddrüse.
Anhang.

Wir reihen an diese Darstellung die Genese zweier anderen
Organe, welche theils durch Contiguität, theils vielleicht auch
durch ihre Function mit den Lungen in naher Beziehung stehen,
nämlich der Schilddrüse und der Thymus. Wenn man annehmen
kann, dass die drei Blätter der Keimhaut gleichsam die Urtypen
der Bildung für die übrigen Organe sind, und dass jedes einzelne
Organ in dem Bereiche des ihm bestimmten Blattes entstehe, so
ist es doch der grösste Theil der Organe des Körpers, wo nicht
vielleicht Alle, welche im Laufe ihrer Entwickelung mit einem
oder beiden anderen Blättern in Berührung kommen, so dass diese
zum Theil ebenfalls in seine Organisation eingehen. Nun giebt
es aber wahrscheinlich eine Reihe von Gebilden, welche ursprüng-
lich zwar auch ihrem bestimmten Blatte angehören, in deren Zu-
sammensetzung aber die Ramisication des Gefässblattes so sehr
eindringt, dass es dieselben fast ganz zu constituiren scheint. Es ent-
steht hierbei die freilich sehr schwer zu lösende Frage, ob das
frühere Blastema schon ursprünglich dem Gefässblatte angehört
oder nicht. So lange dieses aber noch nicht ausgemacht ist,
kann es nicht bestimmt werden, zu welchem Blatte das Organ
selbst zu stellen sey. Ein Beispiel möge das Gesagte erläutern.
Huschke hatte es als das Resultat seiner vielfachen und mühsa-
men Untersuchungen ausgesprochen, dass die Carotidendrüse der
Frösche durch Verästelung der Kiemengefässe sich bilde. Allein
die blosse Constitution eines Organes aus Gefässen erinnert an
den früheren, durch Ruyschs Auctorität erzeugten Irrthum, dass
die Leber ein Convolut von Gefässen sey. Auch hat Joh. Mül-
ler ein Blastema, einen bestimmten Stoff ausser den Gefässen in
der Carotidendrüse gefunden. Dasselbe ist unstreitig wohl auch
bei der Schilddrüse der Fall, welche wahrscheinlich dem Gefäss-
blatte allein oder vielleicht dem Gefäss- und Schleimblatte zugleich
angehört. Von der Thymus ist es zum Theil eben so wahrscheinlich.
Allein diese schliesst sich inniger an die lymphatischen Drüsen
an, deren Entstehung dem Schleim- und Gefässblatte zugleich zu-
zuschreiben wir geneigter sind, während uns die Vermuthung
sehr anspricht, dass die Schilddrüse eben so wie vielleicht die Ne-
bennieren bloss dem Gefässblatte angehören.

Ausstülpungsbildungen. Anhang. Schilddrüse.
Anhang.

Wir reihen an diese Darstellung die Genese zweier anderen
Organe, welche theils durch Contiguität, theils vielleicht auch
durch ihre Function mit den Lungen in naher Beziehung stehen,
nämlich der Schilddrüse und der Thymus. Wenn man annehmen
kann, daſs die drei Blätter der Keimhaut gleichsam die Urtypen
der Bildung für die übrigen Organe sind, und daſs jedes einzelne
Organ in dem Bereiche des ihm bestimmten Blattes entstehe, so
ist es doch der gröſste Theil der Organe des Körpers, wo nicht
vielleicht Alle, welche im Laufe ihrer Entwickelung mit einem
oder beiden anderen Blättern in Berührung kommen, so daſs diese
zum Theil ebenfalls in seine Organisation eingehen. Nun giebt
es aber wahrscheinlich eine Reihe von Gebilden, welche ursprüng-
lich zwar auch ihrem bestimmten Blatte angehören, in deren Zu-
sammensetzung aber die Ramisication des Gefäſsblattes so sehr
eindringt, daſs es dieselben fast ganz zu constituiren scheint. Es ent-
steht hierbei die freilich sehr schwer zu lösende Frage, ob das
frühere Blastema schon ursprünglich dem Gefäſsblatte angehört
oder nicht. So lange dieses aber noch nicht ausgemacht ist,
kann es nicht bestimmt werden, zu welchem Blatte das Organ
selbst zu stellen sey. Ein Beispiel möge das Gesagte erläutern.
Huschke hatte es als das Resultat seiner vielfachen und mühsa-
men Untersuchungen ausgesprochen, daſs die Carotidendrüse der
Frösche durch Verästelung der Kiemengefäſse sich bilde. Allein
die bloſse Constitution eines Organes aus Gefäſsen erinnert an
den früheren, durch Ruyschs Auctorität erzeugten Irrthum, daſs
die Leber ein Convolut von Gefäſsen sey. Auch hat Joh. Mül-
ler ein Blastema, einen bestimmten Stoff auſser den Gefäſsen in
der Carotidendrüse gefunden. Dasselbe ist unstreitig wohl auch
bei der Schilddrüse der Fall, welche wahrscheinlich dem Gefäſs-
blatte allein oder vielleicht dem Gefäſs- und Schleimblatte zugleich
angehört. Von der Thymus ist es zum Theil eben so wahrscheinlich.
Allein diese schlieſst sich inniger an die lymphatischen Drüsen
an, deren Entstehung dem Schleim- und Gefäſsblatte zugleich zu-
zuschreiben wir geneigter sind, während uns die Vermuthung
sehr anspricht, daſs die Schilddrüse eben so wie vielleicht die Ne-
bennieren bloſs dem Gefäſsblatte angehören.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0533" n="505"/>
              <fw place="top" type="header">Ausstülpungsbildungen. Anhang. Schilddrüse.</fw><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#g">Anhang</hi>.</head><lb/>
                <p>Wir reihen an diese Darstellung die Genese zweier anderen<lb/>
Organe, welche theils durch Contiguität, theils vielleicht auch<lb/>
durch ihre Function mit den Lungen in naher Beziehung stehen,<lb/>
nämlich der Schilddrüse und der Thymus. Wenn man annehmen<lb/>
kann, da&#x017F;s die drei Blätter der Keimhaut gleichsam die Urtypen<lb/>
der Bildung für die übrigen Organe sind, und da&#x017F;s jedes einzelne<lb/>
Organ in dem Bereiche des ihm bestimmten Blattes entstehe, so<lb/>
ist es doch der grö&#x017F;ste Theil der Organe des Körpers, wo nicht<lb/>
vielleicht Alle, welche im Laufe ihrer Entwickelung mit einem<lb/>
oder beiden anderen Blättern in Berührung kommen, so da&#x017F;s diese<lb/>
zum Theil ebenfalls in seine Organisation eingehen. Nun giebt<lb/>
es aber wahrscheinlich eine Reihe von Gebilden, welche ursprüng-<lb/>
lich zwar auch ihrem bestimmten Blatte angehören, in deren Zu-<lb/>
sammensetzung aber die Ramisication des Gefä&#x017F;sblattes so sehr<lb/>
eindringt, da&#x017F;s es dieselben fast ganz zu constituiren scheint. Es ent-<lb/>
steht hierbei die freilich sehr schwer zu lösende Frage, ob das<lb/>
frühere Blastema schon ursprünglich dem Gefä&#x017F;sblatte angehört<lb/>
oder nicht. So lange dieses aber noch nicht ausgemacht ist,<lb/>
kann es nicht bestimmt werden, zu welchem Blatte das Organ<lb/>
selbst zu stellen sey. Ein Beispiel möge das Gesagte erläutern.<lb/>
Huschke hatte es als das Resultat seiner vielfachen und mühsa-<lb/>
men Untersuchungen ausgesprochen, da&#x017F;s die Carotidendrüse der<lb/>
Frösche durch Verästelung der Kiemengefä&#x017F;se sich bilde. Allein<lb/>
die blo&#x017F;se Constitution eines Organes aus Gefä&#x017F;sen erinnert an<lb/>
den früheren, durch Ruyschs Auctorität erzeugten Irrthum, da&#x017F;s<lb/>
die Leber ein Convolut von Gefä&#x017F;sen sey. Auch hat Joh. Mül-<lb/>
ler ein Blastema, einen bestimmten Stoff au&#x017F;ser den Gefä&#x017F;sen in<lb/>
der Carotidendrüse gefunden. Dasselbe ist unstreitig wohl auch<lb/>
bei der Schilddrüse der Fall, welche wahrscheinlich dem Gefä&#x017F;s-<lb/>
blatte allein oder vielleicht dem Gefä&#x017F;s- und Schleimblatte zugleich<lb/>
angehört. Von der Thymus ist es zum Theil eben so wahrscheinlich.<lb/>
Allein diese schlie&#x017F;st sich inniger an die lymphatischen Drüsen<lb/>
an, deren Entstehung dem Schleim- und Gefä&#x017F;sblatte zugleich zu-<lb/>
zuschreiben wir geneigter sind, während uns die Vermuthung<lb/>
sehr anspricht, da&#x017F;s die Schilddrüse eben so wie vielleicht die Ne-<lb/>
bennieren blo&#x017F;s dem Gefä&#x017F;sblatte angehören.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[505/0533] Ausstülpungsbildungen. Anhang. Schilddrüse. Anhang. Wir reihen an diese Darstellung die Genese zweier anderen Organe, welche theils durch Contiguität, theils vielleicht auch durch ihre Function mit den Lungen in naher Beziehung stehen, nämlich der Schilddrüse und der Thymus. Wenn man annehmen kann, daſs die drei Blätter der Keimhaut gleichsam die Urtypen der Bildung für die übrigen Organe sind, und daſs jedes einzelne Organ in dem Bereiche des ihm bestimmten Blattes entstehe, so ist es doch der gröſste Theil der Organe des Körpers, wo nicht vielleicht Alle, welche im Laufe ihrer Entwickelung mit einem oder beiden anderen Blättern in Berührung kommen, so daſs diese zum Theil ebenfalls in seine Organisation eingehen. Nun giebt es aber wahrscheinlich eine Reihe von Gebilden, welche ursprüng- lich zwar auch ihrem bestimmten Blatte angehören, in deren Zu- sammensetzung aber die Ramisication des Gefäſsblattes so sehr eindringt, daſs es dieselben fast ganz zu constituiren scheint. Es ent- steht hierbei die freilich sehr schwer zu lösende Frage, ob das frühere Blastema schon ursprünglich dem Gefäſsblatte angehört oder nicht. So lange dieses aber noch nicht ausgemacht ist, kann es nicht bestimmt werden, zu welchem Blatte das Organ selbst zu stellen sey. Ein Beispiel möge das Gesagte erläutern. Huschke hatte es als das Resultat seiner vielfachen und mühsa- men Untersuchungen ausgesprochen, daſs die Carotidendrüse der Frösche durch Verästelung der Kiemengefäſse sich bilde. Allein die bloſse Constitution eines Organes aus Gefäſsen erinnert an den früheren, durch Ruyschs Auctorität erzeugten Irrthum, daſs die Leber ein Convolut von Gefäſsen sey. Auch hat Joh. Mül- ler ein Blastema, einen bestimmten Stoff auſser den Gefäſsen in der Carotidendrüse gefunden. Dasselbe ist unstreitig wohl auch bei der Schilddrüse der Fall, welche wahrscheinlich dem Gefäſs- blatte allein oder vielleicht dem Gefäſs- und Schleimblatte zugleich angehört. Von der Thymus ist es zum Theil eben so wahrscheinlich. Allein diese schlieſst sich inniger an die lymphatischen Drüsen an, deren Entstehung dem Schleim- und Gefäſsblatte zugleich zu- zuschreiben wir geneigter sind, während uns die Vermuthung sehr anspricht, daſs die Schilddrüse eben so wie vielleicht die Ne- bennieren bloſs dem Gefäſsblatte angehören.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/533
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/533>, abgerufen am 21.11.2024.