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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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denen er nach seinem Hintritt einen Segen an
Gelde zu hinterlassen hätte. Man siehet hier-
aus die strengen Gesetze, welche ein Egoist zu
beobachten hat. Er darf von Rechts wegen
weder ehrgeitzig, weder wollüstig noch geldgei-
tzig seyn. O Unglück vor die Welt! daß es
dieser stoischen Personen nicht mehrere giebet.
Sehet hier dasienige was dem Sociates noch
fehlte, um ein rechter exemplarischer Stoicker
zu werden. Es fehlte ihm allein die Meinung
derer Egoisten. Die Welt ist ohnfehlbar über-
zeugt, daß die drey Hauptneigungen der Men-
schen, Ehrgeitz, Wollust und Geldgeitz glück-
licher machen, als die Verläugnung des zeit-
lichen: denn man hat aus der Erfahrung, daß
keine Meinung so wenige Anhänger bekom-
men hat, als dieienige derer Egoisten.

§. 4.

Ein Jdealist ist nicht sehr von denen E-
goisten unterschieden. Er behauptet ebenfalls,
daß es gar keinen Körper gebe, sondern daß
er sich dieses alles nur einbilde. Allein ob er
sich gleich nur vor ein einfaches Ding hält, so
geht doch sein Hochmuth nicht so weit, daß er
glauben solte, er sey das einzige einfache Ding,
welches in der Welt würcklich wäre. Er giebt
zu, daß es deren mehrere gebe, und erkennet
also seine Nebenmenschen vor Dinge ausser sei-
nem Verstande. Allein er giebt nicht zu, daß
sie einen Körper haben. Und warum solte er
auch dieses thun, da er sich selbst keinen bey-

mißt.

denen er nach ſeinem Hintritt einen Segen an
Gelde zu hinterlaſſen haͤtte. Man ſiehet hier-
aus die ſtrengen Geſetze, welche ein Egoiſt zu
beobachten hat. Er darf von Rechts wegen
weder ehrgeitzig, weder wolluͤſtig noch geldgei-
tzig ſeyn. O Ungluͤck vor die Welt! daß es
dieſer ſtoiſchen Perſonen nicht mehrere giebet.
Sehet hier dasienige was dem Sociates noch
fehlte, um ein rechter exemplariſcher Stoicker
zu werden. Es fehlte ihm allein die Meinung
derer Egoiſten. Die Welt iſt ohnfehlbar uͤber-
zeugt, daß die drey Hauptneigungen der Men-
ſchen, Ehrgeitz, Wolluſt und Geldgeitz gluͤck-
licher machen, als die Verlaͤugnung des zeit-
lichen: denn man hat aus der Erfahrung, daß
keine Meinung ſo wenige Anhaͤnger bekom-
men hat, als dieienige derer Egoiſten.

§. 4.

Ein Jdealiſt iſt nicht ſehr von denen E-
goiſten unterſchieden. Er behauptet ebenfalls,
daß es gar keinen Koͤrper gebe, ſondern daß
er ſich dieſes alles nur einbilde. Allein ob er
ſich gleich nur vor ein einfaches Ding haͤlt, ſo
geht doch ſein Hochmuth nicht ſo weit, daß er
glauben ſolte, er ſey das einzige einfache Ding,
welches in der Welt wuͤrcklich waͤre. Er giebt
zu, daß es deren mehrere gebe, und erkennet
alſo ſeine Nebenmenſchen vor Dinge auſſer ſei-
nem Verſtande. Allein er giebt nicht zu, daß
ſie einen Koͤrper haben. Und warum ſolte er
auch dieſes thun, da er ſich ſelbſt keinen bey-

mißt.
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[10/0040] denen er nach ſeinem Hintritt einen Segen an Gelde zu hinterlaſſen haͤtte. Man ſiehet hier- aus die ſtrengen Geſetze, welche ein Egoiſt zu beobachten hat. Er darf von Rechts wegen weder ehrgeitzig, weder wolluͤſtig noch geldgei- tzig ſeyn. O Ungluͤck vor die Welt! daß es dieſer ſtoiſchen Perſonen nicht mehrere giebet. Sehet hier dasienige was dem Sociates noch fehlte, um ein rechter exemplariſcher Stoicker zu werden. Es fehlte ihm allein die Meinung derer Egoiſten. Die Welt iſt ohnfehlbar uͤber- zeugt, daß die drey Hauptneigungen der Men- ſchen, Ehrgeitz, Wolluſt und Geldgeitz gluͤck- licher machen, als die Verlaͤugnung des zeit- lichen: denn man hat aus der Erfahrung, daß keine Meinung ſo wenige Anhaͤnger bekom- men hat, als dieienige derer Egoiſten. §. 4. Ein Jdealiſt iſt nicht ſehr von denen E- goiſten unterſchieden. Er behauptet ebenfalls, daß es gar keinen Koͤrper gebe, ſondern daß er ſich dieſes alles nur einbilde. Allein ob er ſich gleich nur vor ein einfaches Ding haͤlt, ſo geht doch ſein Hochmuth nicht ſo weit, daß er glauben ſolte, er ſey das einzige einfache Ding, welches in der Welt wuͤrcklich waͤre. Er giebt zu, daß es deren mehrere gebe, und erkennet alſo ſeine Nebenmenſchen vor Dinge auſſer ſei- nem Verſtande. Allein er giebt nicht zu, daß ſie einen Koͤrper haben. Und warum ſolte er auch dieſes thun, da er ſich ſelbſt keinen bey- mißt.

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/40>, abgerufen am 26.04.2024.