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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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Vorrede.
sage nicht zu viel, denn wir haben un-
ter denen Gelehrten schon hiervon eini-
ge Proben. Die Jdealistischen, die
Egoistischen, und andre Meinungen
mehr, haben denen Gelehrten manche
Erfindung gekostet: allein diese haben
nicht viel länger in Flor gestanden, als
etwan ihre Erfinder gelebt haben.
Wie viele Hirngeburten sind nicht in
ihrer ersten Kindheit wider dahin ge-
storben, deren Eltern selbst die Lei-
chenpredigten darüber halten müssen.
Es mag wohl eine grosse Ueberwin-
dung darzu gehören, in solchen Trau-
erfällen gleichgültig zu seyn, und den-
noch habe ich mir sagen lassen, daß
unter denen Gelehrten nichts gemei-
ner seyn solte, als eben dieses. So
wenig es ietzo Mode ist, daß die Men-
schen viele Jahrhunderte hindurch le-
ben, eben so wenig soll man dieses
von denen Schriften derer Gelehrten
behaupten können. Jch weiß wohl
daß Euclides noch ietzo lebet, und daß
auch Neuton so bald nicht sterben
werde. Allein mit diesen hat es eine

gantz

Vorrede.
ſage nicht zu viel, denn wir haben un-
ter denen Gelehrten ſchon hiervon eini-
ge Proben. Die Jdealiſtiſchen, die
Egoiſtiſchen, und andre Meinungen
mehr, haben denen Gelehrten manche
Erfindung gekoſtet: allein dieſe haben
nicht viel laͤnger in Flor geſtanden, als
etwan ihre Erfinder gelebt haben.
Wie viele Hirngeburten ſind nicht in
ihrer erſten Kindheit wider dahin ge-
ſtorben, deren Eltern ſelbſt die Lei-
chenpredigten daruͤber halten muͤſſen.
Es mag wohl eine groſſe Ueberwin-
dung darzu gehoͤren, in ſolchen Trau-
erfaͤllen gleichguͤltig zu ſeyn, und den-
noch habe ich mir ſagen laſſen, daß
unter denen Gelehrten nichts gemei-
ner ſeyn ſolte, als eben dieſes. So
wenig es ietzo Mode iſt, daß die Men-
ſchen viele Jahrhunderte hindurch le-
ben, eben ſo wenig ſoll man dieſes
von denen Schriften derer Gelehrten
behaupten koͤnnen. Jch weiß wohl
daß Euclides noch ietzo lebet, und daß
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[0022] Vorrede. ſage nicht zu viel, denn wir haben un- ter denen Gelehrten ſchon hiervon eini- ge Proben. Die Jdealiſtiſchen, die Egoiſtiſchen, und andre Meinungen mehr, haben denen Gelehrten manche Erfindung gekoſtet: allein dieſe haben nicht viel laͤnger in Flor geſtanden, als etwan ihre Erfinder gelebt haben. Wie viele Hirngeburten ſind nicht in ihrer erſten Kindheit wider dahin ge- ſtorben, deren Eltern ſelbſt die Lei- chenpredigten daruͤber halten muͤſſen. Es mag wohl eine groſſe Ueberwin- dung darzu gehoͤren, in ſolchen Trau- erfaͤllen gleichguͤltig zu ſeyn, und den- noch habe ich mir ſagen laſſen, daß unter denen Gelehrten nichts gemei- ner ſeyn ſolte, als eben dieſes. So wenig es ietzo Mode iſt, daß die Men- ſchen viele Jahrhunderte hindurch le- ben, eben ſo wenig ſoll man dieſes von denen Schriften derer Gelehrten behaupten koͤnnen. Jch weiß wohl daß Euclides noch ietzo lebet, und daß auch Neuton ſo bald nicht ſterben werde. Allein mit dieſen hat es eine gantz

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/22>, abgerufen am 26.04.2024.