will ietzo selber noch nicht wissen, was ich be- haupten werde. Jch werde die Harmonie und den Jnfluxum, in so weit beyde den Men- schen angehen vor wahr annehmen. Allein ich werde mir die Freyheit nehmen, auf die Sätze beyder Meinungen einige Schlüsse zu bauen, und alsdenn werde ich sehen, was daraus folge. Dieses alles soll geschehen, ohne den geringsten Vorsatz, iemanden schimpflich zu tadeln, sondern nur darum, damit ich die Wahrheit lernen möge. Da ich es nun in dieser Schrift nur mit solchen Leuten zu thun habe, die entweder Harmonisten oder Jnfluxionisten sind, so glau- be ich nicht nöthig zu haben, von allen und ie- den Kunstwörtern, deren sie sich gemeiniglich zu bedienen pflegen, die Erklärung hierher zu setzen. Ein ieder wird wissen, was er behau- ptet. Wäre es nicht wieder die Hochachtung die ich meinen Lesern schuldig bin, wenn ich ihnen etwas zu lehren suchte, das sie noch besser wissen werden, als ich, da ich nicht einmal eine von beyden Meinungen vollkommen behaupte?
§. 11.
Jch bin ein Schüler in der Artzneywissen- schaft. Es ist bekandt, daß die Artzneygelehr- ten, wenn es in der Physiologie auf das Capi- tel von dem was den Grund der Veränderun- gen des Körpers in sich enthalte, kommet, sich in vielerley Classen eintheilen: davon die vor- nehmsten die Mechanische und Organische sind. Die erstern sind Harmonisten, die andern
Jn-
will ietzo ſelber noch nicht wiſſen, was ich be- haupten werde. Jch werde die Harmonie und den Jnfluxum, in ſo weit beyde den Men- ſchen angehen vor wahr annehmen. Allein ich werde mir die Freyheit nehmen, auf die Saͤtze beyder Meinungen einige Schluͤſſe zu bauen, und alsdenn werde ich ſehen, was daraus folge. Dieſes alles ſoll geſchehen, ohne den geringſten Vorſatz, iemanden ſchimpflich zu tadeln, ſondern nur darum, damit ich die Wahrheit lernen moͤge. Da ich es nun in dieſer Schrift nur mit ſolchen Leuten zu thun habe, die entweder Harmoniſten oder Jnfluxioniſten ſind, ſo glau- be ich nicht noͤthig zu haben, von allen und ie- den Kunſtwoͤrtern, deren ſie ſich gemeiniglich zu bedienen pflegen, die Erklaͤrung hierher zu ſetzen. Ein ieder wird wiſſen, was er behau- ptet. Waͤre es nicht wieder die Hochachtung die ich meinen Leſern ſchuldig bin, wenn ich ihnen etwas zu lehren ſuchte, das ſie noch beſſer wiſſen werden, als ich, da ich nicht einmal eine von beyden Meinungen vollkommen behaupte?
§. 11.
Jch bin ein Schuͤler in der Artzneywiſſen- ſchaft. Es iſt bekandt, daß die Artzneygelehr- ten, wenn es in der Phyſiologie auf das Capi- tel von dem was den Grund der Veraͤnderun- gen des Koͤrpers in ſich enthalte, kommet, ſich in vielerley Claſſen eintheilen: davon die vor- nehmſten die Mechaniſche und Organiſche ſind. Die erſtern ſind Harmoniſten, die andern
Jn-
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will ietzo ſelber noch nicht wiſſen, was ich be-
haupten werde. Jch werde die Harmonie
und den Jnfluxum, in ſo weit beyde den Men-
ſchen angehen vor wahr annehmen. Allein ich
werde mir die Freyheit nehmen, auf die Saͤtze
beyder Meinungen einige Schluͤſſe zu bauen,
und alsdenn werde ich ſehen, was daraus folge.
Dieſes alles ſoll geſchehen, ohne den geringſten
Vorſatz, iemanden ſchimpflich zu tadeln, ſondern
nur darum, damit ich die Wahrheit lernen
moͤge. Da ich es nun in dieſer Schrift nur
mit ſolchen Leuten zu thun habe, die entweder
Harmoniſten oder Jnfluxioniſten ſind, ſo glau-
be ich nicht noͤthig zu haben, von allen und ie-
den Kunſtwoͤrtern, deren ſie ſich gemeiniglich
zu bedienen pflegen, die Erklaͤrung hierher zu
ſetzen. Ein ieder wird wiſſen, was er behau-
ptet. Waͤre es nicht wieder die Hochachtung
die ich meinen Leſern ſchuldig bin, wenn ich
ihnen etwas zu lehren ſuchte, das ſie noch beſſer
wiſſen werden, als ich, da ich nicht einmal eine
von beyden Meinungen vollkommen behaupte?
§. 11.
Jch bin ein Schuͤler in der Artzneywiſſen-
ſchaft. Es iſt bekandt, daß die Artzneygelehr-
ten, wenn es in der Phyſiologie auf das Capi-
tel von dem was den Grund der Veraͤnderun-
gen des Koͤrpers in ſich enthalte, kommet, ſich
in vielerley Claſſen eintheilen: davon die vor-
nehmſten die Mechaniſche und Organiſche
ſind. Die erſtern ſind Harmoniſten, die andern
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/58>, abgerufen am 19.02.2025.
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