Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

6 Kap. Das Alter und der thierische Tod.

und vielleicht bey den Meisten, die augenblicklich vom
Blitze getödtet werden, geschieht, indem der Gedanke nicht
unwahrscheinlich ist, daß der Blitz die Kraft habe, ent-
weder alle Lebensgeister mit einem male zu vernichten, oder
das ganze System aller thierischer Maschinen plötzlich zu
erschüttern und wie ein electrischer Schlag zu betäuben.

§. 725.

Wenn eine solche Ursache des gänzlichen thierischen To-
des, der die Entseelung mit in sich faßt, nur einige Theile
des ganzen Systems aller thierischen Maschinen betrifft, §.
715. so kann sie die Entseelung nur unter der Bedingung
verursachen, als sie diejenigen Theile des Gehirns angeht,
die zum Mittelpunkte seiner thierischen Seelenkräfte gehö-
ren. §. 690. Weil aber diese Theile nicht an einem Orte
beysammen, sondern im Gehirne zerstreuet liegen, so kann
eine Verletzung des Hirnmarks oft nur eine gewisse Art
thierischer Seelenkräfte verderben, und andre, die dieser
nicht natürlich subordiniret sind, unversehrt lassen. §. 719.
Daher ists möglich, daß im hohen Alter oder von Verle-
tzungen des Hauptes, eine Art äußerer Sinne, oder das
Gedächtniß, der Witz, das Beurtheilungsvermögen, der
Verstand etc. geschwächet werden, oder gänzlich ersterben,
ohne daß das übrige eigentliche thierische Leben davon
merklich leiden sollte.

§. 726.

Die Entseelung vermittelst des gänzlichen thierischen
Todes muß endlich auch

5. dadurch erfolgen, wenn diejenigen natürlichen Ein-
drücke gänzlich mangeln, welche die ursprünglichen thieri-
schen Lebenskräfte in Wirkung setzen, oder unterhalten, §.
708. in so fern dadurch die thierischen Seelenkräfte des Ge-
hirns, die ihnen natürlich subordiniret sind, §. 691. mit
aufgehoben werden, §. 666. und sobald der Mangel dieser
Eindrücke die Wirkung aller thierischen Seelenkräfte gänz-

lich

6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod.

und vielleicht bey den Meiſten, die augenblicklich vom
Blitze getoͤdtet werden, geſchieht, indem der Gedanke nicht
unwahrſcheinlich iſt, daß der Blitz die Kraft habe, ent-
weder alle Lebensgeiſter mit einem male zu vernichten, oder
das ganze Syſtem aller thieriſcher Maſchinen ploͤtzlich zu
erſchuͤttern und wie ein electriſcher Schlag zu betaͤuben.

§. 725.

Wenn eine ſolche Urſache des gaͤnzlichen thieriſchen To-
des, der die Entſeelung mit in ſich faßt, nur einige Theile
des ganzen Syſtems aller thieriſchen Maſchinen betrifft, §.
715. ſo kann ſie die Entſeelung nur unter der Bedingung
verurſachen, als ſie diejenigen Theile des Gehirns angeht,
die zum Mittelpunkte ſeiner thieriſchen Seelenkraͤfte gehoͤ-
ren. §. 690. Weil aber dieſe Theile nicht an einem Orte
beyſammen, ſondern im Gehirne zerſtreuet liegen, ſo kann
eine Verletzung des Hirnmarks oft nur eine gewiſſe Art
thieriſcher Seelenkraͤfte verderben, und andre, die dieſer
nicht natuͤrlich ſubordiniret ſind, unverſehrt laſſen. §. 719.
Daher iſts moͤglich, daß im hohen Alter oder von Verle-
tzungen des Hauptes, eine Art aͤußerer Sinne, oder das
Gedaͤchtniß, der Witz, das Beurtheilungsvermoͤgen, der
Verſtand ꝛc. geſchwaͤchet werden, oder gaͤnzlich erſterben,
ohne daß das uͤbrige eigentliche thieriſche Leben davon
merklich leiden ſollte.

§. 726.

Die Entſeelung vermittelſt des gaͤnzlichen thieriſchen
Todes muß endlich auch

5. dadurch erfolgen, wenn diejenigen natuͤrlichen Ein-
druͤcke gaͤnzlich mangeln, welche die urſpruͤnglichen thieri-
ſchen Lebenskraͤfte in Wirkung ſetzen, oder unterhalten, §.
708. in ſo fern dadurch die thieriſchen Seelenkraͤfte des Ge-
hirns, die ihnen natuͤrlich ſubordiniret ſind, §. 691. mit
aufgehoben werden, §. 666. und ſobald der Mangel dieſer
Eindruͤcke die Wirkung aller thieriſchen Seelenkraͤfte gaͤnz-

lich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0755" n="731"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">6 Kap. Das Alter und der thieri&#x017F;che Tod.</hi></fw><lb/>
und vielleicht bey den Mei&#x017F;ten, die augenblicklich vom<lb/>
Blitze geto&#x0364;dtet werden, ge&#x017F;chieht, indem der Gedanke nicht<lb/>
unwahr&#x017F;cheinlich i&#x017F;t, daß der Blitz die Kraft habe, ent-<lb/>
weder alle Lebensgei&#x017F;ter mit einem male zu vernichten, oder<lb/>
das ganze Sy&#x017F;tem aller thieri&#x017F;cher Ma&#x017F;chinen plo&#x0364;tzlich zu<lb/>
er&#x017F;chu&#x0364;ttern und wie ein electri&#x017F;cher Schlag zu beta&#x0364;uben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 725.</head><lb/>
            <p>Wenn eine &#x017F;olche Ur&#x017F;ache des ga&#x0364;nzlichen thieri&#x017F;chen To-<lb/>
des, der die Ent&#x017F;eelung mit in &#x017F;ich faßt, nur einige Theile<lb/>
des ganzen Sy&#x017F;tems aller thieri&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen betrifft, §.<lb/>
715. &#x017F;o kann &#x017F;ie die Ent&#x017F;eelung nur unter der Bedingung<lb/>
verur&#x017F;achen, als &#x017F;ie diejenigen Theile des Gehirns angeht,<lb/>
die zum Mittelpunkte &#x017F;einer thieri&#x017F;chen Seelenkra&#x0364;fte geho&#x0364;-<lb/>
ren. §. 690. Weil aber die&#x017F;e Theile nicht an einem Orte<lb/>
bey&#x017F;ammen, &#x017F;ondern im Gehirne zer&#x017F;treuet liegen, &#x017F;o kann<lb/>
eine Verletzung des Hirnmarks oft nur eine gewi&#x017F;&#x017F;e Art<lb/>
thieri&#x017F;cher Seelenkra&#x0364;fte verderben, und andre, die die&#x017F;er<lb/>
nicht natu&#x0364;rlich &#x017F;ubordiniret &#x017F;ind, unver&#x017F;ehrt la&#x017F;&#x017F;en. §. 719.<lb/>
Daher i&#x017F;ts mo&#x0364;glich, daß im hohen Alter oder von Verle-<lb/>
tzungen des Hauptes, eine Art a&#x0364;ußerer Sinne, oder das<lb/>
Geda&#x0364;chtniß, der Witz, das Beurtheilungsvermo&#x0364;gen, der<lb/>
Ver&#x017F;tand &#xA75B;c. ge&#x017F;chwa&#x0364;chet werden, oder ga&#x0364;nzlich er&#x017F;terben,<lb/>
ohne daß das u&#x0364;brige eigentliche thieri&#x017F;che Leben davon<lb/>
merklich leiden &#x017F;ollte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 726.</head><lb/>
            <p>Die Ent&#x017F;eelung vermittel&#x017F;t des ga&#x0364;nzlichen thieri&#x017F;chen<lb/>
Todes muß endlich auch</p><lb/>
            <p>5. dadurch erfolgen, wenn diejenigen natu&#x0364;rlichen Ein-<lb/>
dru&#x0364;cke ga&#x0364;nzlich mangeln, welche die ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen thieri-<lb/>
&#x017F;chen Lebenskra&#x0364;fte in Wirkung &#x017F;etzen, oder unterhalten, §.<lb/>
708. in &#x017F;o fern dadurch die thieri&#x017F;chen Seelenkra&#x0364;fte des Ge-<lb/>
hirns, die ihnen natu&#x0364;rlich &#x017F;ubordiniret &#x017F;ind, §. 691. mit<lb/>
aufgehoben werden, §. 666. und &#x017F;obald der Mangel die&#x017F;er<lb/>
Eindru&#x0364;cke die Wirkung aller thieri&#x017F;chen Seelenkra&#x0364;fte ga&#x0364;nz-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[731/0755] 6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod. und vielleicht bey den Meiſten, die augenblicklich vom Blitze getoͤdtet werden, geſchieht, indem der Gedanke nicht unwahrſcheinlich iſt, daß der Blitz die Kraft habe, ent- weder alle Lebensgeiſter mit einem male zu vernichten, oder das ganze Syſtem aller thieriſcher Maſchinen ploͤtzlich zu erſchuͤttern und wie ein electriſcher Schlag zu betaͤuben. §. 725. Wenn eine ſolche Urſache des gaͤnzlichen thieriſchen To- des, der die Entſeelung mit in ſich faßt, nur einige Theile des ganzen Syſtems aller thieriſchen Maſchinen betrifft, §. 715. ſo kann ſie die Entſeelung nur unter der Bedingung verurſachen, als ſie diejenigen Theile des Gehirns angeht, die zum Mittelpunkte ſeiner thieriſchen Seelenkraͤfte gehoͤ- ren. §. 690. Weil aber dieſe Theile nicht an einem Orte beyſammen, ſondern im Gehirne zerſtreuet liegen, ſo kann eine Verletzung des Hirnmarks oft nur eine gewiſſe Art thieriſcher Seelenkraͤfte verderben, und andre, die dieſer nicht natuͤrlich ſubordiniret ſind, unverſehrt laſſen. §. 719. Daher iſts moͤglich, daß im hohen Alter oder von Verle- tzungen des Hauptes, eine Art aͤußerer Sinne, oder das Gedaͤchtniß, der Witz, das Beurtheilungsvermoͤgen, der Verſtand ꝛc. geſchwaͤchet werden, oder gaͤnzlich erſterben, ohne daß das uͤbrige eigentliche thieriſche Leben davon merklich leiden ſollte. §. 726. Die Entſeelung vermittelſt des gaͤnzlichen thieriſchen Todes muß endlich auch 5. dadurch erfolgen, wenn diejenigen natuͤrlichen Ein- druͤcke gaͤnzlich mangeln, welche die urſpruͤnglichen thieri- ſchen Lebenskraͤfte in Wirkung ſetzen, oder unterhalten, §. 708. in ſo fern dadurch die thieriſchen Seelenkraͤfte des Ge- hirns, die ihnen natuͤrlich ſubordiniret ſind, §. 691. mit aufgehoben werden, §. 666. und ſobald der Mangel dieſer Eindruͤcke die Wirkung aller thieriſchen Seelenkraͤfte gaͤnz- lich

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/755
Zitationshilfe:	Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/755>, abgerufen am 21.12.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.