ziger Theil des Gehirns, der einer thierischen Seelenkraft fähig ist, dieselbe auch nur im geringsten Grade mehr aus- üben kann, entseelt also die Thiere; nicht aber die Tren- nung, oder Zerstörung, oder Hinderung einiger Theile des Gehirns, die entweder keiner thierischen Seelenkräfte, oder nur gewisser Arten derselben fähig sind, deren besondrer Verlust nicht den Verlust Aller zugleich in sich begreift.
§. 719.
Niemand weiß, wie die Strucktur des Gehirns zur Erzeugung materieller Jdeen eingerichtet sey, was für eine Art thierischer Bewegungen in demselben die materiellen Jdeen sind, worinn die natürliche thierische Verrichtung des Gehirns bestehe, um materielle Jdeen zu formiren, wie dazu die Lebensgeister mitwirken, und worinn diese thieri- sche Seelenkraft des Gehirns von seiner ursprünglichen thie- rischen Lebenskraft verschieden sey. §. 679. 692. Es ist nur so viel mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermuthen, daß der graue Theil des Gehirns eigentlich für die ursprüng- liche thierische Lebenskraft desselben, nämlich die Absonde- rung und Verbreitung der Lebensgeister, das weiße Hirn- mark aber für seine thierischen Seelenkräfte von Natur be- stimmet, und daß die Vertheilung der Lebensgeister durch das ganze System der thierischen Maschinen eine langsame und immerwährende, die aber, wodurch die materiellen Jdeen erzeuget werden, und ihre Seelenwirkungen verrich- ten, eine ganz andre, äußerst geschwinde und nur durch die Reize der sinnlichen Eindrücke hervorzubringende, mithin nicht anhaltende, sondern unterbrochene thierische Bewe- gung sey. §. 11. "Es muß im Nervensafte eine doppelte "Bewegung seyn, die eine langsam und beständig, die das "Herz ihm mittheilet: (durch den Umlauf;) die andre nicht "immerwährend, aber äußerst geschwind, die entweder von "den Sinnen, oder andern Ursachen, wie von einer im Ge- "hirne entstandenen Bewegung, (materiellen Jdee,) her- "vorgebracht wird." H. P. §. 383. Man weiß auch, daß
in
Z z 2
6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod.
ziger Theil des Gehirns, der einer thieriſchen Seelenkraft faͤhig iſt, dieſelbe auch nur im geringſten Grade mehr aus- uͤben kann, entſeelt alſo die Thiere; nicht aber die Tren- nung, oder Zerſtoͤrung, oder Hinderung einiger Theile des Gehirns, die entweder keiner thieriſchen Seelenkraͤfte, oder nur gewiſſer Arten derſelben faͤhig ſind, deren beſondrer Verluſt nicht den Verluſt Aller zugleich in ſich begreift.
§. 719.
Niemand weiß, wie die Strucktur des Gehirns zur Erzeugung materieller Jdeen eingerichtet ſey, was fuͤr eine Art thieriſcher Bewegungen in demſelben die materiellen Jdeen ſind, worinn die natuͤrliche thieriſche Verrichtung des Gehirns beſtehe, um materielle Jdeen zu formiren, wie dazu die Lebensgeiſter mitwirken, und worinn dieſe thieri- ſche Seelenkraft des Gehirns von ſeiner urſpruͤnglichen thie- riſchen Lebenskraft verſchieden ſey. §. 679. 692. Es iſt nur ſo viel mit großer Wahrſcheinlichkeit zu vermuthen, daß der graue Theil des Gehirns eigentlich fuͤr die urſpruͤng- liche thieriſche Lebenskraft deſſelben, naͤmlich die Abſonde- rung und Verbreitung der Lebensgeiſter, das weiße Hirn- mark aber fuͤr ſeine thieriſchen Seelenkraͤfte von Natur be- ſtimmet, und daß die Vertheilung der Lebensgeiſter durch das ganze Syſtem der thieriſchen Maſchinen eine langſame und immerwaͤhrende, die aber, wodurch die materiellen Jdeen erzeuget werden, und ihre Seelenwirkungen verrich- ten, eine ganz andre, aͤußerſt geſchwinde und nur durch die Reize der ſinnlichen Eindruͤcke hervorzubringende, mithin nicht anhaltende, ſondern unterbrochene thieriſche Bewe- gung ſey. §. 11. „Es muß im Nervenſafte eine doppelte „Bewegung ſeyn, die eine langſam und beſtaͤndig, die das „Herz ihm mittheilet: (durch den Umlauf;) die andre nicht „immerwaͤhrend, aber aͤußerſt geſchwind, die entweder von „den Sinnen, oder andern Urſachen, wie von einer im Ge- „hirne entſtandenen Bewegung, (materiellen Jdee,) her- „vorgebracht wird.“ H. P. §. 383. Man weiß auch, daß
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6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod.
ziger Theil des Gehirns, der einer thieriſchen Seelenkraft
faͤhig iſt, dieſelbe auch nur im geringſten Grade mehr aus-
uͤben kann, entſeelt alſo die Thiere; nicht aber die Tren-
nung, oder Zerſtoͤrung, oder Hinderung einiger Theile des
Gehirns, die entweder keiner thieriſchen Seelenkraͤfte, oder
nur gewiſſer Arten derſelben faͤhig ſind, deren beſondrer
Verluſt nicht den Verluſt Aller zugleich in ſich begreift.
§. 719.
Niemand weiß, wie die Strucktur des Gehirns zur
Erzeugung materieller Jdeen eingerichtet ſey, was fuͤr eine
Art thieriſcher Bewegungen in demſelben die materiellen
Jdeen ſind, worinn die natuͤrliche thieriſche Verrichtung
des Gehirns beſtehe, um materielle Jdeen zu formiren, wie
dazu die Lebensgeiſter mitwirken, und worinn dieſe thieri-
ſche Seelenkraft des Gehirns von ſeiner urſpruͤnglichen thie-
riſchen Lebenskraft verſchieden ſey. §. 679. 692. Es iſt
nur ſo viel mit großer Wahrſcheinlichkeit zu vermuthen,
daß der graue Theil des Gehirns eigentlich fuͤr die urſpruͤng-
liche thieriſche Lebenskraft deſſelben, naͤmlich die Abſonde-
rung und Verbreitung der Lebensgeiſter, das weiße Hirn-
mark aber fuͤr ſeine thieriſchen Seelenkraͤfte von Natur be-
ſtimmet, und daß die Vertheilung der Lebensgeiſter durch
das ganze Syſtem der thieriſchen Maſchinen eine langſame
und immerwaͤhrende, die aber, wodurch die materiellen
Jdeen erzeuget werden, und ihre Seelenwirkungen verrich-
ten, eine ganz andre, aͤußerſt geſchwinde und nur durch die
Reize der ſinnlichen Eindruͤcke hervorzubringende, mithin
nicht anhaltende, ſondern unterbrochene thieriſche Bewe-
gung ſey. §. 11. „Es muß im Nervenſafte eine doppelte
„Bewegung ſeyn, die eine langſam und beſtaͤndig, die das
„Herz ihm mittheilet: (durch den Umlauf;) die andre nicht
„immerwaͤhrend, aber aͤußerſt geſchwind, die entweder von
„den Sinnen, oder andern Urſachen, wie von einer im Ge-
„hirne entſtandenen Bewegung, (materiellen Jdee,) her-
„vorgebracht wird.“ H. P. §. 383. Man weiß auch, daß
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/747>, abgerufen am 21.11.2024.
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