Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.III Th. Natur der Thiere im Ganzen. Körper beseelter Thiere zu einem solchen blos thierischenLeben von Natur nicht eingerichtet, sondern es müssen ih- rer ursprünglichen Anlage nach die thierischen Seelenkräf- te mit den Nervenkräften in natürlicher Coordination wirken, wenn alle zur Erhaltung und natürlichen Voll- kommenheit des eigentlichen thierischen Lebens gehörige thie- rische Verrichtungen ordentlich von Statten gehen sollen. §. 590 -- 594. So würde z. E. ein beseeltes Thier sich schwerlich seine Nahrung selbst suchen, sich fortpflanzen, Verletzungen, die seinem Leben nachtheilig seyn könnten, vermeiden, etc. wenn ihm alle äußere Empfindung, Kitzel, Schmerz, und alle Triebe entzogen würden. Jn so fern kann man also sagen, daß der eigentliche thierische Tod gleichwohl den gänzlichen endlich natürlicher Weise veran- lassen würde. §. 718. Die Entseelung muß ohne den gänzlichen thieri- 1. durch Alles, was das Gehirn, in so fern es der Mittelpunkt der thierischen Seelenkräfte ist, §. 692. in seiner natürlichen thierischen Verrichtung gänzlich hindert, §. 708. und sobald alle Seelenwirkungen im Körper völlig aufhören, ist das Thier wirklich entseelt. §. 641. So lan- ge demnach die thierische Seelenkraft des Gehirns auch nur noch im geringsten Grade fortdauret, oder noch irgend einige Seelenwirkung im Körper übrig ist, kann man ein Thier nicht für entseelt halten. Die Trennung des ganzen Gehirns vom Körper oder dessen Zerstörung, jede Verle- tzung, jede Hinderniß desselben, die seine thierische Seelen- kraft völlig aufhebt, das ist, wodurch die zur Formirung materieller Jdeen, es sey von Seiten der äußern sinnlichen Eindrücke, oder der Vorstellungen der Seele, nothwendi- ge Strucktur, Verbindung mit dem übrigen thierischen System, und Wirkung der Lebensgeister, §. 661. 663. schlechterdings und so aufgehoben wird, daß auch kein ein- ziger
III Th. Natur der Thiere im Ganzen. Koͤrper beſeelter Thiere zu einem ſolchen blos thieriſchenLeben von Natur nicht eingerichtet, ſondern es muͤſſen ih- rer urſpruͤnglichen Anlage nach die thieriſchen Seelenkraͤf- te mit den Nervenkraͤften in natuͤrlicher Coordination wirken, wenn alle zur Erhaltung und natuͤrlichen Voll- kommenheit des eigentlichen thieriſchen Lebens gehoͤrige thie- riſche Verrichtungen ordentlich von Statten gehen ſollen. §. 590 — 594. So wuͤrde z. E. ein beſeeltes Thier ſich ſchwerlich ſeine Nahrung ſelbſt ſuchen, ſich fortpflanzen, Verletzungen, die ſeinem Leben nachtheilig ſeyn koͤnnten, vermeiden, ꝛc. wenn ihm alle aͤußere Empfindung, Kitzel, Schmerz, und alle Triebe entzogen wuͤrden. Jn ſo fern kann man alſo ſagen, daß der eigentliche thieriſche Tod gleichwohl den gaͤnzlichen endlich natuͤrlicher Weiſe veran- laſſen wuͤrde. §. 718. Die Entſeelung muß ohne den gaͤnzlichen thieri- 1. durch Alles, was das Gehirn, in ſo fern es der Mittelpunkt der thieriſchen Seelenkraͤfte iſt, §. 692. in ſeiner natuͤrlichen thieriſchen Verrichtung gaͤnzlich hindert, §. 708. und ſobald alle Seelenwirkungen im Koͤrper voͤllig aufhoͤren, iſt das Thier wirklich entſeelt. §. 641. So lan- ge demnach die thieriſche Seelenkraft des Gehirns auch nur noch im geringſten Grade fortdauret, oder noch irgend einige Seelenwirkung im Koͤrper uͤbrig iſt, kann man ein Thier nicht fuͤr entſeelt halten. Die Trennung des ganzen Gehirns vom Koͤrper oder deſſen Zerſtoͤrung, jede Verle- tzung, jede Hinderniß deſſelben, die ſeine thieriſche Seelen- kraft voͤllig aufhebt, das iſt, wodurch die zur Formirung materieller Jdeen, es ſey von Seiten der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, oder der Vorſtellungen der Seele, nothwendi- ge Strucktur, Verbindung mit dem uͤbrigen thieriſchen Syſtem, und Wirkung der Lebensgeiſter, §. 661. 663. ſchlechterdings und ſo aufgehoben wird, daß auch kein ein- ziger
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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
Koͤrper beſeelter Thiere zu einem ſolchen blos thieriſchen
Leben von Natur nicht eingerichtet, ſondern es muͤſſen ih-
rer urſpruͤnglichen Anlage nach die thieriſchen Seelenkraͤf-
te mit den Nervenkraͤften in natuͤrlicher Coordination
wirken, wenn alle zur Erhaltung und natuͤrlichen Voll-
kommenheit des eigentlichen thieriſchen Lebens gehoͤrige thie-
riſche Verrichtungen ordentlich von Statten gehen ſollen.
§. 590 — 594. So wuͤrde z. E. ein beſeeltes Thier ſich
ſchwerlich ſeine Nahrung ſelbſt ſuchen, ſich fortpflanzen,
Verletzungen, die ſeinem Leben nachtheilig ſeyn koͤnnten,
vermeiden, ꝛc. wenn ihm alle aͤußere Empfindung, Kitzel,
Schmerz, und alle Triebe entzogen wuͤrden. Jn ſo fern
kann man alſo ſagen, daß der eigentliche thieriſche Tod
gleichwohl den gaͤnzlichen endlich natuͤrlicher Weiſe veran-
laſſen wuͤrde.
§. 718.
Die Entſeelung muß ohne den gaͤnzlichen thieri-
ſchen Tod erfolgen:
1. durch Alles, was das Gehirn, in ſo fern es der
Mittelpunkt der thieriſchen Seelenkraͤfte iſt, §. 692. in
ſeiner natuͤrlichen thieriſchen Verrichtung gaͤnzlich hindert,
§. 708. und ſobald alle Seelenwirkungen im Koͤrper voͤllig
aufhoͤren, iſt das Thier wirklich entſeelt. §. 641. So lan-
ge demnach die thieriſche Seelenkraft des Gehirns auch
nur noch im geringſten Grade fortdauret, oder noch irgend
einige Seelenwirkung im Koͤrper uͤbrig iſt, kann man ein
Thier nicht fuͤr entſeelt halten. Die Trennung des ganzen
Gehirns vom Koͤrper oder deſſen Zerſtoͤrung, jede Verle-
tzung, jede Hinderniß deſſelben, die ſeine thieriſche Seelen-
kraft voͤllig aufhebt, das iſt, wodurch die zur Formirung
materieller Jdeen, es ſey von Seiten der aͤußern ſinnlichen
Eindruͤcke, oder der Vorſtellungen der Seele, nothwendi-
ge Strucktur, Verbindung mit dem uͤbrigen thieriſchen
Syſtem, und Wirkung der Lebensgeiſter, §. 661. 663.
ſchlechterdings und ſo aufgehoben wird, daß auch kein ein-
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