Solche Theile im System der thierischen Maschinen, in welchen sich viele natürliche Gemeinschaftspunkte der thierischen Kräfte vereinigen, heißen Mittelpunkte der thierischen Kräfte. Durch diese Mittelpunkte werden also, wenn äußere oder innere sinnliche Eindrücke bis zu ihnen gelangen, eine Menge thierische Maschinen in Wir- kung gesetzet. §. 672. Es giebt deren in allen Thieren ver- schiedene, wovon wir nur die vornehmsten anführen wol- len. Das Gehirn verdienet diesen Namen auf zwofache Weise. Erstlich in so fern es die thierische Absonderungs- maschine der Lebensgeister ist, und dieselben allen übrigen thierischen Maschinen theils zusendet, oder innere sinnliche Eindrücke ohne Vorstellungen giebt, theils sie von ihnen wieder empfängt, oder äußere sinnliche Eindrücke von ih- nen annimmt. §. 11. 17. 18. 31. Ob nun gleich man- che unbeseelte Thiere kein eigentliches Gehirn haben, §. 624. N. 2. 3. so müssen doch in allen thierische Maschinen seyn, die diese seine Verrichtung vertreten, weil ohne die Ver- mittelung der Lebensgeister, mithin auch ohne ihre Abson- derung und ihren Umtrieb kein thierisches Leben Statt fin- det. §. 661. 663. Es sind solches bey ihnen vermuthlich nur Nervenknoten oder Verwickelungen, und sehr wahr- scheinlicher Weise ist es bey denen, deren abgeschnittene Theile alle für sich bestehend leben können, wie die Polypen, und denen man ohne Nachtheil ihres Lebens Kopf und Ge- hirn wegschneiden kann, weil sie ihnen wieder wachsen, wie die Schnecken, (Spallanzani phys. Abh. S. 45.) ent- weder das gesammte Nervenmark im ganzen System der thierischen Maschinen, oder ein besondrer Theil desselben in jedem Gliede, so daß dergleichen Thiere viele solche Aehn- lichkeiten eines Gehirns haben können. §. 362. "Man "urtheilet überhaupt sehr unrichtig, wenn man saget, daß "die thierischen Theile vom Gehirne einzig und allein ihre "Geister bekommen." H. gr. P. 4 Th. 10 B. 7 Abschn. §. 36. S. 547. Ob nun wohl ein solches Gehirn nicht
so
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
§. 673.
Solche Theile im Syſtem der thieriſchen Maſchinen, in welchen ſich viele natuͤrliche Gemeinſchaftspunkte der thieriſchen Kraͤfte vereinigen, heißen Mittelpunkte der thieriſchen Kraͤfte. Durch dieſe Mittelpunkte werden alſo, wenn aͤußere oder innere ſinnliche Eindruͤcke bis zu ihnen gelangen, eine Menge thieriſche Maſchinen in Wir- kung geſetzet. §. 672. Es giebt deren in allen Thieren ver- ſchiedene, wovon wir nur die vornehmſten anfuͤhren wol- len. Das Gehirn verdienet dieſen Namen auf zwofache Weiſe. Erſtlich in ſo fern es die thieriſche Abſonderungs- maſchine der Lebensgeiſter iſt, und dieſelben allen uͤbrigen thieriſchen Maſchinen theils zuſendet, oder innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen giebt, theils ſie von ihnen wieder empfaͤngt, oder aͤußere ſinnliche Eindruͤcke von ih- nen annimmt. §. 11. 17. 18. 31. Ob nun gleich man- che unbeſeelte Thiere kein eigentliches Gehirn haben, §. 624. N. 2. 3. ſo muͤſſen doch in allen thieriſche Maſchinen ſeyn, die dieſe ſeine Verrichtung vertreten, weil ohne die Ver- mittelung der Lebensgeiſter, mithin auch ohne ihre Abſon- derung und ihren Umtrieb kein thieriſches Leben Statt fin- det. §. 661. 663. Es ſind ſolches bey ihnen vermuthlich nur Nervenknoten oder Verwickelungen, und ſehr wahr- ſcheinlicher Weiſe iſt es bey denen, deren abgeſchnittene Theile alle fuͤr ſich beſtehend leben koͤnnen, wie die Polypen, und denen man ohne Nachtheil ihres Lebens Kopf und Ge- hirn wegſchneiden kann, weil ſie ihnen wieder wachſen, wie die Schnecken, (Spallanzani phyſ. Abh. S. 45.) ent- weder das geſammte Nervenmark im ganzen Syſtem der thieriſchen Maſchinen, oder ein beſondrer Theil deſſelben in jedem Gliede, ſo daß dergleichen Thiere viele ſolche Aehn- lichkeiten eines Gehirns haben koͤnnen. §. 362. „Man „urtheilet uͤberhaupt ſehr unrichtig, wenn man ſaget, daß „die thieriſchen Theile vom Gehirne einzig und allein ihre „Geiſter bekommen.“ H. gr. P. 4 Th. 10 B. 7 Abſchn. §. 36. S. 547. Ob nun wohl ein ſolches Gehirn nicht
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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
§. 673.
Solche Theile im Syſtem der thieriſchen Maſchinen,
in welchen ſich viele natuͤrliche Gemeinſchaftspunkte der
thieriſchen Kraͤfte vereinigen, heißen Mittelpunkte der
thieriſchen Kraͤfte. Durch dieſe Mittelpunkte werden
alſo, wenn aͤußere oder innere ſinnliche Eindruͤcke bis zu
ihnen gelangen, eine Menge thieriſche Maſchinen in Wir-
kung geſetzet. §. 672. Es giebt deren in allen Thieren ver-
ſchiedene, wovon wir nur die vornehmſten anfuͤhren wol-
len. Das Gehirn verdienet dieſen Namen auf zwofache
Weiſe. Erſtlich in ſo fern es die thieriſche Abſonderungs-
maſchine der Lebensgeiſter iſt, und dieſelben allen uͤbrigen
thieriſchen Maſchinen theils zuſendet, oder innere ſinnliche
Eindruͤcke ohne Vorſtellungen giebt, theils ſie von ihnen
wieder empfaͤngt, oder aͤußere ſinnliche Eindruͤcke von ih-
nen annimmt. §. 11. 17. 18. 31. Ob nun gleich man-
che unbeſeelte Thiere kein eigentliches Gehirn haben, §. 624.
N. 2. 3. ſo muͤſſen doch in allen thieriſche Maſchinen ſeyn,
die dieſe ſeine Verrichtung vertreten, weil ohne die Ver-
mittelung der Lebensgeiſter, mithin auch ohne ihre Abſon-
derung und ihren Umtrieb kein thieriſches Leben Statt fin-
det. §. 661. 663. Es ſind ſolches bey ihnen vermuthlich
nur Nervenknoten oder Verwickelungen, und ſehr wahr-
ſcheinlicher Weiſe iſt es bey denen, deren abgeſchnittene
Theile alle fuͤr ſich beſtehend leben koͤnnen, wie die Polypen,
und denen man ohne Nachtheil ihres Lebens Kopf und Ge-
hirn wegſchneiden kann, weil ſie ihnen wieder wachſen, wie
die Schnecken, (Spallanzani phyſ. Abh. S. 45.) ent-
weder das geſammte Nervenmark im ganzen Syſtem der
thieriſchen Maſchinen, oder ein beſondrer Theil deſſelben
in jedem Gliede, ſo daß dergleichen Thiere viele ſolche Aehn-
lichkeiten eines Gehirns haben koͤnnen. §. 362. „Man
„urtheilet uͤberhaupt ſehr unrichtig, wenn man ſaget, daß
„die thieriſchen Theile vom Gehirne einzig und allein ihre
„Geiſter bekommen.“ H. gr. P. 4 Th. 10 B. 7 Abſchn.
§. 36. S. 547. Ob nun wohl ein ſolches Gehirn nicht
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/708>, abgerufen am 21.11.2024.
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