Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.4 Kap. Das thierische Leben. Kraft auf die Geschlechtstheile zu wirken erhalten, bemer-ket man dasselbe auch an den innern sinnlichen Eindrücken von Vorstellungen bey den beseelten, und an denen ohne Vorstellungen bey allen. Die Erinnerung einer Empfin- dung, die ein Kind ehemals ohne alle Anwendung auf die Begattung oft und stets höchst unschuldig erfahren, wird nun bey ihm eine sinnliche Reizung des Gemüths zum Triebe derselben, und es scheint, daß die Seele die ehema- lige reine Empfindung mit neuen Merkmalen bereichert wie- derhole, die diesen ganz neuen Trieb in ihr erregen, wozu in der ehemaligen Empfindung kein veranlassendes Merk- mal war. Eben dieß scheint bey unbeseelten Thieren durch die Nervenkraft innerer sinnlicher Eindrücke ohne Vorstel- lungen nachgeahmet zu werden, wenn die Weibchen der Jnsekten, die im Verlaufe ihrer Periode der Fortpflan- zung enthauptet worden, ohne eine wenigstens sichtbare Veranlassung eines äußern sinnlichen Eindrucks, blos weil ihr Körper itzt zu dieser thierischen Verrichtung durch alles, auch aus sich selbst und durch den neuen thierischen Antrieb seiner Nervenkräfte allein gereizet wird, nicht nur fortfah- ren, sondern oft nach einer ruhigen Zwischenzeit von selbst wieder anfangen, mit den Flügeln zu schwirren, um gleich- sam das Männchen zur Begattung zu rufen. §. 560. §. 657. Selbst bey den vernünftigen Thieren zeichnet sich diese an
4 Kap. Das thieriſche Leben. Kraft auf die Geſchlechtstheile zu wirken erhalten, bemer-ket man daſſelbe auch an den innern ſinnlichen Eindruͤcken von Vorſtellungen bey den beſeelten, und an denen ohne Vorſtellungen bey allen. Die Erinnerung einer Empfin- dung, die ein Kind ehemals ohne alle Anwendung auf die Begattung oft und ſtets hoͤchſt unſchuldig erfahren, wird nun bey ihm eine ſinnliche Reizung des Gemuͤths zum Triebe derſelben, und es ſcheint, daß die Seele die ehema- lige reine Empfindung mit neuen Merkmalen bereichert wie- derhole, die dieſen ganz neuen Trieb in ihr erregen, wozu in der ehemaligen Empfindung kein veranlaſſendes Merk- mal war. Eben dieß ſcheint bey unbeſeelten Thieren durch die Nervenkraft innerer ſinnlicher Eindruͤcke ohne Vorſtel- lungen nachgeahmet zu werden, wenn die Weibchen der Jnſekten, die im Verlaufe ihrer Periode der Fortpflan- zung enthauptet worden, ohne eine wenigſtens ſichtbare Veranlaſſung eines aͤußern ſinnlichen Eindrucks, blos weil ihr Koͤrper itzt zu dieſer thieriſchen Verrichtung durch alles, auch aus ſich ſelbſt und durch den neuen thieriſchen Antrieb ſeiner Nervenkraͤfte allein gereizet wird, nicht nur fortfah- ren, ſondern oft nach einer ruhigen Zwiſchenzeit von ſelbſt wieder anfangen, mit den Fluͤgeln zu ſchwirren, um gleich- ſam das Maͤnnchen zur Begattung zu rufen. §. 560. §. 657. Selbſt bey den vernuͤnftigen Thieren zeichnet ſich dieſe an
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4 Kap. Das thieriſche Leben.
Kraft auf die Geſchlechtstheile zu wirken erhalten, bemer-
ket man daſſelbe auch an den innern ſinnlichen Eindruͤcken
von Vorſtellungen bey den beſeelten, und an denen ohne
Vorſtellungen bey allen. Die Erinnerung einer Empfin-
dung, die ein Kind ehemals ohne alle Anwendung auf die
Begattung oft und ſtets hoͤchſt unſchuldig erfahren, wird
nun bey ihm eine ſinnliche Reizung des Gemuͤths zum
Triebe derſelben, und es ſcheint, daß die Seele die ehema-
lige reine Empfindung mit neuen Merkmalen bereichert wie-
derhole, die dieſen ganz neuen Trieb in ihr erregen, wozu
in der ehemaligen Empfindung kein veranlaſſendes Merk-
mal war. Eben dieß ſcheint bey unbeſeelten Thieren durch
die Nervenkraft innerer ſinnlicher Eindruͤcke ohne Vorſtel-
lungen nachgeahmet zu werden, wenn die Weibchen der
Jnſekten, die im Verlaufe ihrer Periode der Fortpflan-
zung enthauptet worden, ohne eine wenigſtens ſichtbare
Veranlaſſung eines aͤußern ſinnlichen Eindrucks, blos weil
ihr Koͤrper itzt zu dieſer thieriſchen Verrichtung durch alles,
auch aus ſich ſelbſt und durch den neuen thieriſchen Antrieb
ſeiner Nervenkraͤfte allein gereizet wird, nicht nur fortfah-
ren, ſondern oft nach einer ruhigen Zwiſchenzeit von ſelbſt
wieder anfangen, mit den Fluͤgeln zu ſchwirren, um gleich-
ſam das Maͤnnchen zur Begattung zu rufen. §. 560.
§. 657.
Selbſt bey den vernuͤnftigen Thieren zeichnet ſich dieſe
Periode ihres Lebens nicht nur durch alle dieſe neuen Ner-
venkraͤfte und thieriſchen Seelenkraͤfte eben ſo wie bey den
blos ſinnlichen beſeelten aus; §. 655. 656. ſondern es er-
langen auch darinn die ihnen blos allein eignen thieriſchen
Seelenkraͤfte ihres Gehirns und die Kraͤfte des Verſtandes
und Willens ihrer Seele ganz neue und weſentliche Vor-
zuͤge. Jedermann weiß, daß ſich in dieſer Periode Ver-
ſtand und Wille beym Menſchen zu dem Grade ihrer Voll-
kommenheit ſchwingen, den ſie von Natur jemals zu errei-
chen faͤhig ſind, und daß man eigentlich nur von dieſer Zeit
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