davon entblößt worden sind; es entstehen oft große sehr em- pfindliche Gewächse, welche nur durch eine Verlängerung der Nerven, die sich in ihnen verbreiten, thierisch belebt worden seyn können.
§. 650.
Eben so bemerket man auch an den beseelten Thieren den Zuwachs ihrer thierischen Kräfte, wie an den unbeseel- ten: §. 648. denn obgleich die Jungen dieser Gattungen einige Fertigkeiten sowohl in der Anwendung der Nerven- kräfte, als auch im Empfinden und in der Ausübung der sinnlichsten und besonders zu ihrer Erhaltung nothwendig- sten Triebe mit zur Welt bringen, worinn in der That die mersten blos sinnlichen Thiere den Menschen selbst weit übertreffen; so mangeln ihnen doch anfänglich auch viele thierische Verrichtungen, wozu sie erst bey zunehmendem Wachsthume geschickt werden. Jhre Empfindlichkeit ist noch stumpf; sie wissen den Gebrauch der Gliedmaßen der äußern Sinne noch nicht; auf ihre ersten äußern Empfin- dungen folgen die thierischen Bewegungen nicht, oder doch mangelhaft, die sie hernach als ihre beständigen Seelen- wirkungen unmittelbar oder zufällig begleiten. Jhre Triebe drücken sich nicht durch so richtig ihrer Befriedigung ange- messene Seelenwirkungen aus, erhalten auch bey unvoll- kommenem oder durch die Entmannung gehindertem na- türlichem Wachsthume, nie die ihnen sonst eigene wütende Heftigkeit, und ihre materiellen Jdeen entwickeln sich im Gehirne so äußerst unvollständig, daß ihr ganzes erstes sinn- liches Leben nur ein dunkler Traum eines fast steten Schlafs ist. Selbst die materiellen äußern Empfindungen sind bey ihnen in gleichem unvollkommenen Zustande, welcher die noch mangelhaften Nervenkräfte der äußern sinnlichen Eindrücke beweist, die erst durch öftere Wiederholung langsam cultiviret werden.
§. 651.
So wie sich nun in der Periode des Wachsthums die thierischen Maschinen und ihre Kräfte ausbilden, so setzen
sie
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
davon entbloͤßt worden ſind; es entſtehen oft große ſehr em- pfindliche Gewaͤchſe, welche nur durch eine Verlaͤngerung der Nerven, die ſich in ihnen verbreiten, thieriſch belebt worden ſeyn koͤnnen.
§. 650.
Eben ſo bemerket man auch an den beſeelten Thieren den Zuwachs ihrer thieriſchen Kraͤfte, wie an den unbeſeel- ten: §. 648. denn obgleich die Jungen dieſer Gattungen einige Fertigkeiten ſowohl in der Anwendung der Nerven- kraͤfte, als auch im Empfinden und in der Ausuͤbung der ſinnlichſten und beſonders zu ihrer Erhaltung nothwendig- ſten Triebe mit zur Welt bringen, worinn in der That die merſten blos ſinnlichen Thiere den Menſchen ſelbſt weit uͤbertreffen; ſo mangeln ihnen doch anfaͤnglich auch viele thieriſche Verrichtungen, wozu ſie erſt bey zunehmendem Wachsthume geſchickt werden. Jhre Empfindlichkeit iſt noch ſtumpf; ſie wiſſen den Gebrauch der Gliedmaßen der aͤußern Sinne noch nicht; auf ihre erſten aͤußern Empfin- dungen folgen die thieriſchen Bewegungen nicht, oder doch mangelhaft, die ſie hernach als ihre beſtaͤndigen Seelen- wirkungen unmittelbar oder zufaͤllig begleiten. Jhre Triebe druͤcken ſich nicht durch ſo richtig ihrer Befriedigung ange- meſſene Seelenwirkungen aus, erhalten auch bey unvoll- kommenem oder durch die Entmannung gehindertem na- tuͤrlichem Wachsthume, nie die ihnen ſonſt eigene wuͤtende Heftigkeit, und ihre materiellen Jdeen entwickeln ſich im Gehirne ſo aͤußerſt unvollſtaͤndig, daß ihr ganzes erſtes ſinn- liches Leben nur ein dunkler Traum eines faſt ſteten Schlafs iſt. Selbſt die materiellen aͤußern Empfindungen ſind bey ihnen in gleichem unvollkommenen Zuſtande, welcher die noch mangelhaften Nervenkraͤfte der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke beweiſt, die erſt durch oͤftere Wiederholung langſam cultiviret werden.
§. 651.
So wie ſich nun in der Periode des Wachsthums die thieriſchen Maſchinen und ihre Kraͤfte ausbilden, ſo ſetzen
ſie
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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
davon entbloͤßt worden ſind; es entſtehen oft große ſehr em-
pfindliche Gewaͤchſe, welche nur durch eine Verlaͤngerung
der Nerven, die ſich in ihnen verbreiten, thieriſch belebt
worden ſeyn koͤnnen.
§. 650.
Eben ſo bemerket man auch an den beſeelten Thieren
den Zuwachs ihrer thieriſchen Kraͤfte, wie an den unbeſeel-
ten: §. 648. denn obgleich die Jungen dieſer Gattungen
einige Fertigkeiten ſowohl in der Anwendung der Nerven-
kraͤfte, als auch im Empfinden und in der Ausuͤbung der
ſinnlichſten und beſonders zu ihrer Erhaltung nothwendig-
ſten Triebe mit zur Welt bringen, worinn in der That die
merſten blos ſinnlichen Thiere den Menſchen ſelbſt weit
uͤbertreffen; ſo mangeln ihnen doch anfaͤnglich auch viele
thieriſche Verrichtungen, wozu ſie erſt bey zunehmendem
Wachsthume geſchickt werden. Jhre Empfindlichkeit iſt
noch ſtumpf; ſie wiſſen den Gebrauch der Gliedmaßen der
aͤußern Sinne noch nicht; auf ihre erſten aͤußern Empfin-
dungen folgen die thieriſchen Bewegungen nicht, oder doch
mangelhaft, die ſie hernach als ihre beſtaͤndigen Seelen-
wirkungen unmittelbar oder zufaͤllig begleiten. Jhre Triebe
druͤcken ſich nicht durch ſo richtig ihrer Befriedigung ange-
meſſene Seelenwirkungen aus, erhalten auch bey unvoll-
kommenem oder durch die Entmannung gehindertem na-
tuͤrlichem Wachsthume, nie die ihnen ſonſt eigene wuͤtende
Heftigkeit, und ihre materiellen Jdeen entwickeln ſich im
Gehirne ſo aͤußerſt unvollſtaͤndig, daß ihr ganzes erſtes ſinn-
liches Leben nur ein dunkler Traum eines faſt ſteten Schlafs
iſt. Selbſt die materiellen aͤußern Empfindungen ſind
bey ihnen in gleichem unvollkommenen Zuſtande, welcher
die noch mangelhaften Nervenkraͤfte der aͤußern ſinnlichen
Eindruͤcke beweiſt, die erſt durch oͤftere Wiederholung
langſam cultiviret werden.
§. 651.
So wie ſich nun in der Periode des Wachsthums die
thieriſchen Maſchinen und ihre Kraͤfte ausbilden, ſo ſetzen
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/690>, abgerufen am 21.11.2024.
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